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1.1.3 Wesentlich Aussagen

Die englische Wikipedia fasst das Werk ebenfalls zusammen, wenn auch etwas anders strukturiert als hier: Wealth of Nations

Dann zitiert Wikipedia noch einen gewissen Murray Rothbard, den der Autor dieser Zeilen nicht kennt, der aber offensichtlich berühmt ist. Er gehört wohl zu der verwegenen Truppe der Anarchokapitalisten, das ist eine radikale Form des Liberalismus; Hayek wird da noch getoppt.

Tendenziell steckt aber ein Fünkchen Wahrheit in dem, was er über Adam Smith sagt, auch wenn der Autor letztlich zu einem völig anderen Ergebnis kommt. Er würde, in einer zusammengedampften Form, Wealth of Nations durchaus als Einführung in die Volkswirtschaftslehre empfehlen.

It is not just that Smith's Wealth of Nations has had a terribly overblown reputation from his day to ours. The problem is that the Wealth of Nations was somehow able to blind all men, economists and laymen alike, to the very knowledge that other economists, let alone better ones, had existed and written before 1776. The Wealth of Nations exerted such a colossal impact on the world that all knowledge of previous economists was blotted out, hence Smith's reputation as Founding Father. The historical problem is this: how could this phenomenon have taken place with a book so derivative, so deeply flawed, so much less worthy than its predecessors? The answer is surely not any lucidity or clarity of style or thought. For the much-revered Wealth of Nations is a huge, sprawling, inchoate, confused tome, rife with vagueness, ambiguity and deep inner contradictions. There is of course an advantage, in the history of social thought, to a work being huge, sprawling, ambivalent and confused. There is sociological advantage to vagueness and obscurity. The bemused German Smithian, Christian J. Kraus, once referred to the Wealth of Nations as the 'Bible' of political economy. In a sense, Professor Kraus spoke wiser than he knew. For, in one way, the Wealth of Nations is like the Bible; it is possible to derive varying and contradictory interpretations from various – or even the same – parts of the book. Adam Smith genießt nicht nur, bis zum heutigen Tag, einen völlig aufgeblähten Ruf. Das Problem ist, dass 'Wohlstand der Nationen' in gewisser Weise in der Lage war, die ganze Menschheit, Ökonomen wie Laien, zu blenden und zwar in einem solchen Ausmaß, dass die Gedanken anderer Ökonomen, auch überlegene, die vor 1776 gelebt und geschrieben haben, vergessen wurden. 'Wohlstand der Nationen' hatte einen so mächtigen Einfluss auf die Welt, dass aller Erkenntnisse früherer Ökonomen verdunkelt wurden. Daher rührt der Ruf Adam Smith als Gründungsvater (der Volkswirtschaft). Das historische Problem ist nun das: Wie konnte ein solches Stückwerk, so ein unstimmiges Buch, das seinen Vorgängern so unterlegen ist, das erreichen? Erklären lässt sich das sicher nicht durch einem besonders klaren und einleuchtenden Stil oder Gedankengang, denn das hochgelobte Werk 'Wohlstand der Nationen' ist ein dickes, ausschweifendes, unvollständiges, verwirrendes Buch, voller vager Aussagen, Zweideutigkeiten und tiefen inneren Widersprüchen. In der Geschichte der Sozialwissenschaften hat allerdings ein dickes, ausschweifendes, zweideutiges und verwirrendes Buch Vorteile. Aus der Sicht eines Soziologen haben vage Aussage und dunkle Texte einen Vorteil. Der deutsche Anhänger von Adam Smith, Christian J.Kraus, etwas benebelt im Kopf, nannte 'Wohlstand der Nationen' mal die Bibel der Ökonomen. In gewissem Sinn sprach Professor Kraus damit eine tiefere Weisheit aus, als er selbst sich das dachte, denn in gewissem Sinn ist 'Wohlstand der Nationen' eine Bibel. Man kann aus verschiedenen Kapiteln, manchmal sogar aus ein und demselben Kapitel, unterschiedliche und sich sogar widersprechende Schlüsse ziehen.

Diese Aussage, hinsichtlich der inneren Widersprüche von Wohlstand der Nationen, findet sich in der Tatsache bestätigt, dass sich sowohl der Marxismus wie auch dessen Gegenspieler, die Neoklassik, auf Adam Smith berufen. Das Buch scheint also tatsächlich eine weiten Spielraum zur Interpretation zu liefern. Warum werden wir noch sehen.

Tatsächlich enthält Wealth of Nations zueinander inkompatible Theorien. Seine Theorie, dass der Wert eines Gute sich allein aus der in diesem inkorporierter Arbeit ergibt, siehe Arbeit und Tauschwert, ist komplett inkompatibel mit seiner Theorie über den natürlichen Preis und den Marktpreis, siehe natürlicher Preis / Marktpreis und die jeweiligen Konzepte führen auch zu diametral entgegengesetzen Auffassungen über die Wirtschaft. Die Theorie der inkorporierten Arbeit führt, über David Ricardo, zum Marximus. Das Konzept natürlicher Preis / Marktpreis beschreibt präzise, genau so präzise wie die "marginale Revolution" der Neoklassik, die nie stattgefunden hat, siehe natürlicher Preis / Marktpreis, wesentliche Elemente der Koordination über Märkte.

Sehr oft, z.B. bei seiner Ansicht über das Sparen als Vorraussetzung für Investitionen, einer der fatalsten Fehler der Volkswirtschaftslehre, siehe Zins, der bis zu Keynes von allen Autoren übernommen wurde, können wir sehen, dass er teilweise auch auf dem Pfad der Erkenntnis wandelte, sich der Tragweite seiner Eingebungen aber nicht im klaren war. Wir werden das im Verlaufe unserer Ausführungen noch oft sehen. Adam Smith ist widersprüchlich, da hat Murray Rothbard Recht.

Was tatsächlich vor Adam Smith da war, "...to the very knowledge that other economists, let alone better ones, had existed and written before 1776...", weiß zumindest der Autor nicht. "Intuitiv" würde der Autor aber bezweifeln, dass sich die von Murray Rothbard korrekt konstatierten Widersprüche bei anderen Autoren nicht finden aber bestreiten. Denn auch die Nachfolger von Adam Smith liefern keine kohärenten Theorien, wie wir noch oft sehen werden, und von daher ist es wenig plausibel, dass die Vorgänger in sich konsistente Theorien ablieferten.

Den Merkantilismus kann er nicht meinen, denn der war kaum, wenn wir die keynessche Hochschätzung des Merkantilismus, die auf somehow sophisticated, wenn auch richtigen, Bemerkungen beruht (der Zufluss an Gold drückte den Zins), außer Acht lassen, bedeutend. Ein paar Autoren nennt Adam Smith selbst, z. B. seinen Freund David Humes, John Locke (etwas älter), Jean Baptiste Colbert. Vor Adam Smith waren die Physiokraten und Merkantilisten.

Fakt ist jedoch, dass es keinen Ökonomen vor Adam Smith gibt, der im öffentlichen Bewußtsein oder im akademischen Betrieb eine Rolle spielt. Dass das Buch unstimmig ist, haben wir schon an zwei Beispielen gezeigt. Zumindest eine Stelle verweist auf einen stationären Zustand und zwar einen, bei dem die Arbeiter gerade noch genug Lohn erhalten, um dahinzuvegetieren, was anderen Stellen, wo er für ein weiteres Bevölkerungswachstum plädiert, widerspricht, bzw. unlogisch ist. Wieso soll sich die Bevölerung vermehren, wenn es keine Chance gibt, tiefstem Elend zu entfliehen?

Bedeutsamer ist natürlich der Widerspruch bei der Bestimmung des Wertes einer Ware. Am Anfang ist dieser allein durch die in der Ware verkörperten Arbeit bestimmt, später dann mit durch die Nachfrage. Das ist insofern bedeutend, weil ersteres, vermittelt durch David Ricardo, zu Karl Marx führt und letzteres zur Neoklassik.

Ausschweifend sind die langen Exkurse in die Geschichte und die endlosen Beispiele tragen wenig Erhellendes bei. Man wird auch nicht wirklich bestreiten können, dass man, wie auch aus der Bibel, ganz unterschiedliche Schlüsse aus dem Buch ziehen kann und sich völlig unterschiedliche Bewegungen, an einem Ende Karl Marx und am anderen Ende der Ordoliberalismus, sich auf Adam Smith berufen.

Dessen ungeachtet nennt Adam Smith aber die wesentlichen Gesichtspunkte, unter denen eine Wirtschaftsordnung zu beurteilen ist, auch wenn das eigentlich zentrale Problem (siehe Präliminarien), nämlich Transparenz und der Transmissionsmechanismus der Erkenntnisse über wirtschaftliche Zusammenhänge, nicht genannt werden.

Im Übrigen ist sich der Autor etwas unsicher. Historisch gesehen ist die heutige Generation in einer relativ günstigen Position. Wir können heute eher als früher abschätzen, was die freie Marktwirtschaft zu leisten vermag.

Adam Smith allerdings kennt als Gegenspieler nur den Merkantilismus und die Physiokraten. Aus seiner Sicht war die Überlegenheit einer marktwirtschaftlichen Ordnung im Grunde Theorie, zumal er das zentrale Problem gar nicht gesehen hat. Bei der berühmten "unsichtbaren Hand" (die im Übrigen im Buch nur einmal genannt wird und er diese fundamentale Idee zig Mal wesentlich plastischer beschreibt) geht es im wesentlichen um den Eigennutz, der die Markteilnehmer dazu treibt, Knappheitsverhältnisse zu beseitigen. Individuelle Nutzenmaximierung und die Maximierung des Wohlstandes einer Nation fallen also zusammen.

Das ist ein Aspekt der marktwirtschaftlichen Ordnung. Den anderen Aspekt, nämlich dass die marktwirtschaftliche Ordnung das effizientere System zur Verarbeitung von Informationen ist, eigentlich ein viel bedeutenderes Moment, erwähnt er gar nicht. In der Auseinandersetzung mit einer Planwirtschaft wäre aber genau dieser Aspekt wichtig. Knappheitsverhältnisse beseitigen WOLLEN, weil man damit Geld verdienen kann, ist eine Sache. Knappheitsverhältnisse beseitigen KÖNNEN einen andere. Man kann sie nur beseitigen, wenn man sie kennt und ohne Preise kennt man sie nicht. Das zentrale Moment marktwirtschaftlicher Ordnungen, dezentrale Informationsverarbeitung anhand von Preisen und Koordination durch den Markt, erwähnt er eigentlich gar nicht.

Das Buch ist und kann keine Blaupause für eine "optimale" Wirtschaftsordnung sein. Es beleuchtet nur verschiedene relevante Gesichtspunkte, wobei höchst bedeutsame Gesichtspunkte, das ist aber eine allgemeine Marotte der Volkswirtschaftslehre, wie etwa das politische System, weitgehend ausgeblendet werden. Es erscheint nur im Zusammenhang mit Steuern.

Andere Zusammenhänge, wie etwa öffentliche Güter, also Güter, die der Markt prinzipiell nicht anbietet, weil niemand von deren Nutzung ausgeschlossen werden kann, diskutiert er nur an drei Beispielen: Landesverteidigung, Justiz, Bildungswesen. Mit dem Bildungswesen werden wir uns noch auführlich an mehreren Stellen beschäftigen, z.B. wenn wir über Milton Friedman reden.

Bei der Landesverteidigung plädiert er für eine staatliche Finanzierung, die Justiz kann man seiner Meinung nach auch privat finanzieren (was ja teilweise, im Zivilrecht, auch tatsächlich so gehandhabt wird).

Beim Bildungswesen diskutiert er auch die Möglichkeit einer privaten Finanzierung, also für ein System, wie es, was die Universitäten angeht, zumindest tendenziell in den USA existiert.

Zumindest das letzte Thema eignet sich jetzt natürlich hervorragend für Fundamentaldiskussionen. Die Antwort des Autors fällt pragmatisch aus. Die Finanzierung kann staatlich bleiben, aber das dozierende Personal muss über mehr Transparenz in die Spur gezwungen werden, insbesondere eben die dozierende Ökokaste (siehe Präliminarien und Bildung).

Eine grundlegende These des Neoliberalismus ist aber bei Adam Smith schon vordefiniert. Der Neoliberalismus hat sie lediglich radikalisert. Der Markt regelt alles und was der Markt nicht regelt, muss auch nicht geregelt werden. Der Unterschied zum Neoliberalismus besteht lediglich darin, dass der Neoliberalismus sich durch die Abwehr gegen staatliche Eingriffe definiert. Die Klassik nicht. Das liegt aber schlicht daran, dass die staatliche Tätigkeit im 18. Jahrhundert überschaubar war. In Ermangelung staatlicher Eingriffe, insbesondere im Bereich der staatlichen Sicherungssysteme, war dieser Abwehrkampf auch gar nicht nötig.

Ob der Markt im Übrigen tatsächlich immer hinsichtlich der Informationsverarbeitung überlegen ist, hält der Autor ebenfalls nicht für ausgemacht. Der Finanzmarkt zum Beispiel scheint weitgehend im Blindflug durch das All zu fliegen. Denkbar ist, dass der Staat hier mehr Möglichkeiten hat und Informationen effizienter aggregieren kann. Wenn er denn vom Bürger scharf überwacht wird. Wir landen also immer wieder bei unserem Steckenpferd: Transparenz.

Das Problem ist, dass in der öffentlichen Debatte das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird. Marktversagen in einem Teilbereich wird zu einem allgemeinen Marktversagen.


Im Gegensatz zur heutigen theoretischen Volkswirtschaftslehre nimmt Adam Smith keine Trennung zwischen Mikroökonomie und Makroökonomie vor. Manche Aspekte, die er beschreibt, wie zum Beispiel Anpassungsprozesse des Angebots an die Nachfrage und umgekehrt, gehören zur Mikroökonomie. Andere, wie zum Beispiel seine Überlegungen zur Zahlungsbilanz, zur Makroökonomie. Desweiteren handelt er so mehr oder weniger alle Themen der VWL in einem Buch ab, von denen manche, wie zum Beispiel die Geldpolitik und die Steuerpolitik, heute eigene Bereiche innerhalb der VWL sind.

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Infos und Anmerkungen:

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Das Buch zur Webseite.

'Wohlstand
der Nationen':

So flexibel
wie die Bibel?

Auf Adam Smith gehen Strömungen der Volkswirtschaftslehre zurück, die sich in ihren Auffassungen diametral entgegengesetzt sind.

Adam Smith beschreibt ein zentrales Moment marktwirtschaftlicher Ordnungen. Das Zusammefallen von Eigennutz und Gemeinwohl. Das zweite Moment, die Informationsverarbeitung anhand von Preisen nennt er nicht.



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