 7.1 Karl Popper
 7.1 Karl PopperEs ist ja bereits bekannt, dass es viele Dinge gibt, die die Leute in der Regel   interessieren, zum Beispiel Biographien, wir aber nichts darüber berichten. Zum   einen, weil es hierzu unendlich viele Websites gibt, wo darüber berichtet wird,   zum anderen, weil wir es eigentlich auch für irrelevant halten.
    
    Popper   gehört nun eindeutig nicht zu den Ökonomen. Er ist, je nachdem wie man es sieht,   ein Philosoph, ein Erkenntnistheoretiker, ein Soziologe oder ein Politologe. Wer   also Philosophie, Soziologie oder Politologie studiert, stößt irgendwann auf den   Namen Karl Popper. In den Wirtschaftswissenschaften taucht er sporadisch auf.   Warum taucht er hier auf? 
    
    Zum einen taucht er auf, weil uns   volkswirtschaftliche Themen in der Realität, also in der öffentlichen Debatte,   nie in der Form begegnen, wie es in den Lehrbüchern steht. Wir beschreiben also   mal die allgemeine Situation, die Lösung Poppers und die Schwachpunkte dieser   Lösung. 
    
    In der Realität haben wir es mit einem diffusen Gelalle zu tun.   Das tönt dann in etwa so.
  
| "Die Union hat drei Wurzeln: eine liberale, eine konservative und eine   christlich-soziale. Gerade die, für die das christliche Menschenbild Grundlage   ihrer Politik ist, müssen sich um die Frage der Gerechtigkeit kümmern", findet   Volker Kauder. Im Interview mit der Welt am Sonntag betonte der Vorsitzende der   CDU/CSU-Bundestagfraktion zugleich, dass die Union die richtigen Antworten auf   die aktuellen Herausforderungen hat: "Wir werden die Menschen in den nächsten   Monaten davon überzeugen, dass die Union das bessere Zukunftskonzept hat und   dass Angela Merkel die Interessen Deutschlands und Europas am besten vertritt."  | 
| "Der Markt reguliert sich am besten selbst" - "Wirtschaft bestimmt, was ein   gerechter Lohn ist" - "Energieversorgung braucht keine Steuerung". Solche   Glaubenssätze sind einfach. Aber funktionieren sie auch? Oder brauchen   Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Energie verbindliche Spielregeln? Ist das nicht die   Idee der Sozialen   Marktwirtschaft? | 
| Wir bekämpfen die Ursachen der Arbeitslosigkeit, indem wir die   wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern und auf eine wachstumsorientierte   Beschäftigungspolitik setzen. Dazu stabilisieren wir den Euro, entlasten den   Jobmotor Mittelstand, halten die Lohnnebenkosten stabil, reduzieren Steuern und   Abgaben, bauen Bürokratie ab und geben mehr Geld für Bildung und Forschung aus.   Mit Mini-Jobs, Zeitarbeit und Teilzeit sorgen wir für die nötige Flexibilität   und schaffen einen Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt. Wir vertrauen den   Arbeitnehmern und Arbeitgebern, weswegen wir die Tarifautonomie stärken. Löhne   sollen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt und nicht vom   Staat als gesetzlicher Mindestlohn vorgegeben   werden. | 
  Das   heißt, wir haben ein völlig sinnfreies Geblubbere. Die CDU hat drei Wurzeln, die   liberale, die konservative und die christlich-soziale. Der Begriff liberal sagt   nun gar nichts, siehe Walter Euchken, vor allem in der Variante Hayek ist er eher das, was der Autor mit   "erzkonservativ" verbindet. Im Grunde ist der Ordoliberalismus und Liberalismus   eine Randbemerkung zur Klassik. Christlich-sozial ist immer gut, aber was heißt   das konkret? 
    
    Die SPD merkt dann an, dass sich der Markt wohl nicht immer selbst   reguliert. Das ist sozusagen ein Misch aus liberal und sozial, konservativ sind   sie also irgendwie nicht, aber irgendwie ist das das Gleiche wie das CDU   Gebrabbel. 
    
    Die FDP verbessert dann die wirtschaflichen Rahmenbedingungen und ist   für Wachstum, das ist auch keine schlechte Idee. Eine konkrete   Wirtschaftspolitik lässt sich hieraus aber nicht ableiten. 
  
  Was bleibt?   Parteien haben stark den Charakter eines Rorschachtest, das heißt   die Wähler können in die Programme der Parteien mehr oder weniger das   reinprojezieren, was ihnen Spaß macht. Bestenfalls geben Wahlen also das   kollektiv Unbewusste verschiedener Bevölkerungsgruppen wieder. Da Programme im   Grunde eh keine Rolle spielen, ist die öffentliche Debatte auf Personen   fokusiert. Man traut also einzelnen Personen eher zu, ein Problem zu lösen, als   einer rationalen Wirtschaftspolitik, die konkrete Ziele und Zwischenziele nennt,   sowie die Parameter, mit denen der Zielerreichungsgrad gemessen werden kann. 
  
  Unter diesen Auspizien verliert natürlich das Fach Volkswirtschaftslehre   jede Bedeutung. Wenn z.B. die neue Brille von uns Westerwelle die gleiche   Bedeutung hat, wie die Frage, ob man via Riesterrente Konsum in die Zukunft   verlagern kann, dann sollte man Julia Roberts zur Bundeskanzlerin wählen, die   wäre wenigstens emotional eine Bereicherung. 
  
  Das ist auch ein Problem,   mit dem die Piraten zu kämpfen haben. Deren zentrales Thema ist Transparenz.   Transparenz, innerhalb eines demokratischen Entscheidungsprozesses, hat zwei   Aspekte: Offenlegung der Fakten / Entscheidungsgrundlagen politischen Handelns   seitens der Akteure und der Wille diese Informationen auch nachzufragen, sowie   die Fähigkeit, diese zu bewerten. Wenn aber die Fokusierung auf Personen weit   interessanter ist, als die Fakten und die Entscheidungsgrundlagen politischen   Handelns, dann werden diese a) nicht nachgefragt, b) besteht die Fähigkeit   nicht, diese zu bewerten. 
  
  Ein Tatbestand, der die Ökokaste nicht im mindestens   stört, siehe Präliminarien. Diese sieht ihre Aufgabe in der Politikberatung, die   ist sogar gesetzlich festgeschrieben, siehe Gesetz   über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der   gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Dieser soll unabhängig sein, wird aber   von der Regierung ernannt. Und ja, dieser Sachverständigenrat hat sogar eine   eigene Website, Sachverständigenrat   Wirtschaft. Es ist hierbei natürlich eine Bagatelle, aber letztlich   symptomatisch für die Irrelevanz dieser Einrichtung.
  
| § 2 | 
Naheliegenderweise interessiert das natürlich keine   Sau. Denn wir lesen.
  
| Der Streik der Gewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter (UFO) gegen die   Lufthansa AG unterstreicht abermals die Notwendigkeit, das Streikrecht besser   gesetzlich zu regeln (...). Zumindest SOLLTE der Gesetzgeber dafür Sorge tragen,   dass das Ultima-Ratio-Prinzip bei der Rechtssprechung deutlicher als bisher   Anwendung findet. (....) Ein weiterer Vorschlag besteht darin, eine in den   Vereinigten Staaten bestehende Regelung ins Blickfeld zu nehmen. Dort kann der   Präsident der Vereinigten Staaten unter bestimmten Voraussetzungen eine   Abkühlungsphase vor Arbeitskampfmaßnahmen verordnen. | 
Sie tun also genau das Gegenteil von dem, was sie sollen. 
    
  Der eigentlich   Witz an diesem Gesetz, also dem Gesetz über die Bildung eines   Sachverständigenrates, ist aber ein anderer. Wem soll es konkret Erleuchtung   bringen und wenn dieser jemand, wer immer das sein mag, dann erleuchtet ist, wie   soll die Erleuchtung dann konkret umgesetzt werden? Offensichtlich reicht es,   die Politiker zu erleuchten, die Plebs, die diese wählen soll, muss nicht   erleuchtet werden, da, das scheint die Annahme,  Wahlen ohnehin nicht   auf rationalen Erwägungen beruhen.
  
 
  Das Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates wurde 1963   eingeführt. Das Gesetz zur   Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, das Bürgern die   Möglichkeit gibt, Behörden von Bund und Ländern mal Fakten aus dem Bauch zu   kitzeln, 2005. Die Erkenntnis, dass Transparenz wichtiger ist als Beratung, dämmert also nur langsam. 
  
  Richtig reibungslos umgesetzt wird aber nur das erste. Beim   zweiten ist man doch sehr bockig und widerwillig. Wobei teilweise schon schnell   klar wird, worum es geht. Auf der Grundlage dieses Gesetzes wollte jemand von der Berliner Bildungsbehörde wissen, wie   hoch die Abrecherquote bei Schülern ist, wie hoch der Anteil der Schüler, die   eine Empfehlung für's Gymnasium erhält und die Notendurchschnitte: Berlins   Schulen müssen ihre Daten offenlegen. Verweigert wurde die Herausgabe mit   dem Argument, dass der Bürger mit nackten Zahlen nichts anfangen könne und dies   nur zu Missverständnissen führe. Zu viel Transparenz ist also schädlich, wenn der Bürger zu blöd ist, die Fakten zu interpretieren. Über hochkomplexe zusammenhänge darf er aber alle paar Jahre, sogar im Bündel, abstimmen. 
  
  Diese geistige Haltung dürfte in   Politik und Bürokratie weit verbreitet sein. Wer aber diese Ansicht vertritt,   der vertritt auch die Ansicht, dass man auch würfeln anstatt wählen könnte. Kann   eine Politik nicht rational bewertet werden, machen Wahlen keinen Sinn. Dass   ausgerechnet eine BILDUNGSBEHÖRDE eine solche Meinung vertritt, ist ein Skandal. 
  
  Grauenhaft ist aber, dass ein ökonomischer Laie wie der Vorsitzende des   deutschen Philologenverbandes, der es gerade mal zu einem Germanistikstudium   geschafft hat, über den Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Anteil der   Bevölkerung mit Abitur schwadroniert, siehe Zwischen   Qualität und Quantität – Wird das Gymnasium zum Opfer des eigenen Erfolgs?.  
  
| Je größer der Akademikerarbeitsmarkt wird, desto weniger kann er sich den generellen Konjunkturzyklen und Wellenbewegungen des Arbeitsmarktes entziehen. Wenn heute angesichts eines Anteils von rund 25 Prozent Akademikern behauptet wird, dass deren Risiko, arbeitslos zu werden, gering ist, gilt dies bei einer Wirtschaftskrise und einem Anteil von über fünfzig Prozent mit Sicherheit nicht mehr in gleichem Maße. | 
  Er will uns also mitteilen, dass man Akademiker von strukturellen Anpassungsprozessen grundsätzlich auszunehmen sind. Der Mann vertritt Beamte, das merkt man. 
    
    Der brabbelt hier   irgendwelche halbverstandenen Thesen nach. Kein Arbeitsmarkt kann sich, sowenig   wie die Wirtschaft insgesamt, generellen Konjunkturzyklen entziehen. Vermutlich   will er sagen, dass das Risiko arbeitslos zu werden für Akademiker geringer ist,   wenn der Anteil an Akademikern künstlich knapp gehalten wird. Das trifft zwar   zu, würde aber für jede Berufsgruppe zutreffen und das Angebot an Germanisten   muss schon sehr knapp gehalten werden, damit diese sicher einen Job   finden.
  
  Das ist aber nicht mal das Verheerende an seinem dadaistischen   Gestammel. Das Verheerende ist die Reduktion schulischer Bildung auf die   Relevanz am Arbeitsmarkt, wobei eine gut ausgebildete Bevölkerung auf Krisen   flexibler reagieren kann, als eine schlecht ausgebildete. Verheerend ist, dass   der deutsche Philologenverband dummdreist seinen Dünkel pflegt und die Bedeutung   der Bildung für den demokratischen Entscheidungsprozess nicht sieht. 
  
  Wer   Bildung instrumentell definiert über die Eignung zur Durchsetzung von Zielen,   hölt sie letztlich aus. Wenn schon der deutsche Philologenverband, also der   Verband der Gymnasiallehrer, Bildung mit Ausbildung verwechselt, dann können wir   ohne weiteres erahnen, was an deutschen Schulen so abgeht. Den Zustand   beschreibt Popper weitgehend richtig.
  
| Wir sind hier, wie ich glaube, bei einem einigermaßen bedeutsamen Resultat   angelangt, das sich verallgemeinern läßt. Institutionen zur Auswahl der   Vortrefflichkeit lassen sich wohl kaum entwerfen. Die institutionelle Auswahl   mag zu brauchbaren Ergebnissen führen, wenn sie einem Zweck dient, wie ihn   Platon vor Augen hatte, nämlich dem Anhalten der Veränderung. Aber sie wird   niemals gut arbeiten, wenn wir von ihr mehr verlangen; sie wird immer die   Tendenz haben, Initiative und Orginalität und, allgemein gesprochen, alle   ungewöhnlichen und unerwarteten Qualitäten auszuschalten. Das ist keine Kritik   des politischen Institutionalismus, sondern nur eine Wiederholung dessen, was   bereits früher festgestellt wurde: Wir sollten uns immer auf die schlechtesten   Führer vorbereiten, obwohl wir natürlich versuchen sollten, die besten zu   bekommen. Es ist aber eine Kritik der Tendenz, die Institutionen, insbesondere   die für die Erziehung geschaffenen Institutionen, mit der unmöglichen Aufgabe   der Auswahl der besten zu belasten. Dies sollte nie ihre Aufgabe sein. Diese   Tendenz macht unser Erziehungssystem zu einer Rennbahn und den Studiengang zu   einem Hürdenrennen. Der Student wird nicht ermutigt, sich seinen Studien um des   Studierens willen zu widmen, es wird ihm nicht wirkliche Liebe für seinen   Gegenstand und für die Forschung eingeflößt; statt dessen treibt man ihn zum   Studium um seiner persönlichen Karriere willen an; er wird angeleitet, sich nur   so viel an Wissen anzueignen, als zur Bewältigung der Hürden, die ihm auf dem   Weg zur Beförderung begegnen, unbedingt notwendig ist. Mit anderen Worten: Sogar   auf dem Gebiet der Wissenschaft beruhen unsere Auswahlmethoden auf einem Appell   an eine ziemlich grobe Form von persönlichem Ehrgeiz.  | 
  Die Debatte um die Kompetenz des Wählers   ist so alt, wie die Diskussion um die Regierungsformen. Die vermeintliche   Inkompetenz des Wählers ist quer durch alle geschichtlichen Epochen, auch bei   Plato, darauf kommen wir gleich zurück, wenn wir über Karl Poppers Werk, Die   offene Gesellschaft und ihre Feinde, Band I, Der Zauber Platons, sprechen,   zurück, das Hauptargument gegen die Demokratie. 
  
  Man kann einen   systemischen Zusammenhang vermuten, wenn Massenmedien eher dazu neigen, die   Kompetenz des Wählers in Frage zu stellen, als die Kompetenz der Politik und der   Bürokratien. Massenmedien sehen ihre Aufgabe eher darin, das scheint auch der   ökonomisch sinnvollere Weg zu sein, dem Bürger die Politik zu "erklären". Sie   sehen ihre Aufgabe nicht darin, die Politik mit der Kompetenz des Bürgers   anzureichern. 
  
  Die Diskussion wurde mit dem Aufkommen des Internet neu   entfacht, es begann die Diskussion um die Schwarmintelligenz, was meist   despektierlich gemeint war und ökonomisch interessiert. Braucht der Schwarm   keinen großen Welterklärer mehr, dann wird der Journaille und den Verlagen die   Existenzgrundlage entzogen. Es wird die Möglichkeit genommen, irrelevante Themen   zu setzen und zu hypen. Zu dieser Kategorie gehört auch der despektierlich so   titulierte Wutbürger. Hier wird also ein Verhalten, vor allem eben von der   Journaille, die diesen Begriff gehyped hat, negativ bewertet, das aber   tatsächlich den Kern der Demokratie darstellt. In der frühest Form der   Demokratie, die wir kennen, die von Athen, meinte Perikles zu diesem   Thema.
  
| Wir vereinigen in uns die Sorge um unser Haus zugleich und unsere Stadt, und   den verschiedenen Tätigkeiten zugewandt, ist doch auch in staatlichen Dingen   keiner ohne Urteil. Denn einzig bei uns heißt einer, der daran gar keinen Teil   nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter, und nur wir entscheiden   in den Staatsgeschäften selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir   sehen nicht im Wort eine Gefahr fürs Tun, wohl aber darin, sich nicht durch   Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet.  | 
  Bei   Perikles ist also der Bürger, der an den staatlichen Dingen keinen Anteil nimmt,   schlicht ein schlechter Bürger. 
  
  Demokraten nennt man die Leute, die   akzeptieren, dass sie abgewählt werden können. Das ist eine Minimaldefinition.   Demokraten sollte man vor allem die Leute nennen, die sich konsequent, bezüglich   des Bildungssystem, der Transparenz von Verwaltungen, der Nutzbarmachung der   Kompetenz der Bürger, dafür einsetzen, dass eine rationale Wahl getroffen werden   kann. Es ist durchaus vorstellbar, dass die repräsentive Demokratie vor allem   den Nichtwähler repräsentiert und solange nicht alles unternommen wurde, damit   eine rationale Wahlentscheidung möglich ist, erscheint die Diskussion über die   Kompetenz des Wählers sehr philosophisch. 
  
  Die konkrete Umsetzung der   Demokratie, vor allem wirtschaftliche Fragen, rücken bei Karl Popper, "Die   offene Gesellschaft und ihre Feinde", etwas in den Hintergrund. Der erste Band   analysiert die politschen Vorstellungen Platons, der zweite Band die   Vorstellungen von Hegel und Marx. Alle drei sind die Feinde der offenen   Gesellschaft. Grob läuft die Diskussion so. Wird von einer idealen Gesellschaft   ausgegangen (Platon), bzw. wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft   zwangläufig auf einen bestimmten Zustand zusteuert (Hegel, Marx) dann ist,   naheliegenderweise, ein langsames Herantasten über trial und error via   demokratische Entscheidungsprozesse entbehrlich und folgerichtig ist die   Demokratie in dieser Vorstellungswelt überhaupt entbehrlich. 
  
  Abstrakter   formuliert: Popper überträgt seinen erkenntnistheoretischen Ansatz auf soziale   Prozesse. Der Ansatz an sich ist trivial und wird "intuitiv" überall realisiert.   Eine Theorie kann im eigentlichen Sinne nicht bestätigt werden, die Möglichkeit,   dass sie in Zukunft wiederlegt wird, besteht immer. Entscheidend ist aber, dass   sie so formuliert wird, dass sie überhaupt mit der Realität in Konflikt geraten   kann, also überhaupt falsifizierbar formuliert und gehaltvoll sein. Das kann aus   unterschiedlichen Gründen nicht der Fall sein (wir fassen Popper jetzt mal ganz   grob zusammen und entfernen uns da auch etwas vom Orginal). 
  
| 1) Trivialitäten sind natürlich falsifizierbar formuliert, aber sind so   trivial, dass sie nicht einmal falsch sein können. Das Pareto Gedöns, zum Beispiel, ist garantiert richtig. Es besagt,   wenn es mal ganz kurz fasst, dass ein Tausch nur stattfindet, wenn sich beide   Tauschpartner besser stellen (oder zumindest keiner schlerchter), siehe Vilfredo   Pareto. Sieht man mal von den Fällen ab, dass einer der beiden nicht   durchblickt, einer dem anderen einen Gefallen tun will oder der eine dem anderen   schlicht die Rübe einschlägt und gar nicht tauscht sondern ihn ausraubt, dann   stimmt das schlicht immer. Auch die weiteren Konsequenzen, an denen nun mal das   Herz der Ökokaste hängt, dass die Wohlfahrt optimiert wird, wenn man alle   tauschen lässt, stimmt dann natürlich auch. Theoretisch ist die These zwar   falsifizierbar, man müsste nur zwei Leute finden, die, bei vollem Bewußtsein und   ohne Anwendung von Gewalt, tauschen, obwohl sie, oder einer davon, nach dem   Tausch unglücklicher sind als vorher, und die These wäre widerlegt. Wir können   aber davon ausgehen, dass das selbst bei den Marsmenschen nicht der Fall ist, es   sei denn, die Marsmenschen sind Masochisten. (Wobei eigentlich die These auch   dann stimmt. Sie maximieren ihre Wohlfahrt, indem sie ihr Unglück steigern.) Ein   Spezialfall hiervon ist dann eine Aussage, bei der schlicht jedes Ereignis mit   der Realität übereinstimmt. Eine Aussage vom Typ "wenn der Preis fällt, dann   sinkt, steigt die Nachfrage oder bleibt gleich" ist zwar falsifizierbar   formuliert, aber diese Aussage wird immer bestätigt, denn es gibt schlicht keine   reale Situation, die mit dieser Aussage nicht in Einklang steht.  | 
    Sieht man die Sache mit dem gesunden   Menschenverstand, wird man an gehaltvolle Thesen den Anspruch stellen, dass sie   sowohl falsifizierbar formuliert wie auch gehaltvoll sein müssen. Desgleichen   wird einem der gesunde Menschenverstand auch zahlreiche Beispiele liefern, wo   das Kriterium der Falsifizierbarkeit eben nicht sinnvoll ist. 
    
    Nicht sinnvoll ist   das Kriterium Falsifizierbarkeit dann, wenn das, was empirisch untersucht werden   soll, selber das Ergebnis von etwas ist. Um diese Frage dreht sich der Positivismusstreit zwischen Adorno (oder der Frankfurter Schule im Allgemeinen) und Popper. Man   könnte z.B. die These aufstellen, dass eine ökonomisch ungleiche Entwicklung   innerhalb der EU die Stereotypenbildung fördert. Diese These liese sich sogar,   schaut man durch den internationalen Blätterwald und durch die Foren der   verschiedenen Zeitungen,  ohne weiteres beweisen. Allerdings haben wir es   hier weniger mit einer zwangsläufigen Entwicklung zu tun, als mit dem Umstand,   wie diese Konflikte in den Massenmedien dargestellt werden. Ein ökonomisch   korrekte Sichtweise, die sich auch vermitteln ließe, ergäbe einen   differenzierteren Meinungsbildungsprozess und die Bildung bzw. das   Wiedererstarken von Stereotypen würde unterbleiben. Anders formuliert: Die Aussage bezieht sich auf das Ergebnisses eines Prozesses. Demnach wäre die Aussage, dass Stereotypen nach wie vor vorherrschen zwar richtig und ist auch falsifizierbar formuliert, aber trotzdem von geringer Aussagekraft, weil von dem Prozess, der das Ergebenis hervorgebracht hat, abstrahiert wird. 
  
  Demokratie sieht   Popper nun, in Analogie zum Experiment in den Naturwissenschaften, als eine   Möglichkeit, Thesen zu falsifizieren. Wird eine bestimmte wirtschaftspolitische   Maßnahme durch eine demokratisch gewählte Regierung umgesetzt, dann kann diese   Maßnahme durch eine Abwahl eben dieser Regierung auch wieder rückgängig gemacht   bzw. modifiziert werden. 
  
  Damit ändert sich natürlich auch die   Fragestellung. Die Frage, die jahrhundertelang im Fokus stand, die Frage   nämlich, WER regieren soll, ist zweitrangig. Entscheidend ist die Frage, wie man   eine schlechte Regierung wieder los wird und hier ist die Demokratie das einzige   Verfahren, das hierauf eine klare Antwort hat. 
  
  Weiter warnt Popper vor   der Vorstellung, quasi auf dem Reißbrett die ideale Gesellschaftsordnung   konzipieren zu wollen, bzw. vor der Vorstellung, dass die Geschichte   unerbittlich auf einen klar definierten Endzustand zusteuert und man lediglich   "Geburtshilfe" leisten könne.
  
 
  Diese Vorstellung, dass man einen sich ohnehin   vollziehenden Prozess lediglich beschleunigen kann, prägte die DDR, siehe Karl   Marx. So kommt es dann zu dem dubiosen Geschwurbel in Artikel 9 der   Verfassung der DDR: "Sie [also die Volkswirtschaft der DDR] entwickelt sich   gemäß den ökonomischen Gesetzen des Sozialismus auf der Grundlage der   sozialistischen Produktionsverhältnisse und der zielstrebigen Verwirklichung der   sozialistischen ökonomischen Integration." Da entwickelt sich also etwas   gesetzesmäßig nach den Gesetzen des Sozialismus und man kann den ohnehin   unausweichlich stattfindenden Prozess nur beschleunigen. Zum selben Ergebnis   kommt man, wenn man die ideale Gesellschaftsform irgendwo in der Vergangenheit   ansiedelt, wie dies Platon tut. Dann will man lediglich, genaus so radikal,   zurück zu einer idyllisch vorgestellten Gesellschaft. 
  
  Popper plädiert,   ausgehend von einer marktwirtschaftlichen Ordnung, für eine Politik der kleinen   Schritte, die jeweils demokratisch kontrolliert werden. Die Vorstellung einer   ideellen Gesellschaft, sei es, dass diese sich als zwangläufiges Resultat einer   historischen Entwicklung ergibt (Hegel, Marx), sei es, dass diese in der   Vergangenheit lokalisiert wird, macht die Demokratie entbehrlich. Wer im Besitz   der Wahrheit ist, braucht eine Demokratie sowenig, wie der Naturwissenschaftler,   der von der Gültigkeit eines Naturgesetzes überzeugt ist, sich veranlasst sieht,   dessen Gültigkeit experimentell zu überprüfen. 
  
  Im Gegensatz zu dem, was   man hier und da liest, sieht der Autor aber einen ganz entscheidenden   Unterschied zwischen den Liberalen vom Typ Hayek, Friedman, Eucken und dem   Liberalismus Poppers. Liberale vom Typ Hayek, Friedmann und Eucken argumentieren   systemisch (auch wenn Hayek mit seinem "Anmassung von Wissen" Geplauder das   Gegenteil behauptet). Dieser konservative Liberalismus (Hayek, Friedman, Eucken)   geht systemisch vor. Im Grunde haben sie eine klare Vorstellung der idealen   Wirtschaftsordnung und wenn diese nicht umgesetzt wird, dann kann man auf die   Demokratie ruhig verzichten, was Hayek und Friedman durch ihre Unterstützung der   Pinochet Diktatur ja auch ausführlich dokumentiert haben, siehe Warnung   vor der Planwirtschaft. Speziell Milton Friedman hält wenig von Demokratie, siehe Milton Friedman on Democracy. Die Logik dahinter ist simpel. Was es regeln gibt, regelt der Markt und was der Markt nicht regelt, muss auch nicht geregelt werden. Am Reißbrett entworfen ist auch der Ordoliberalismus   von Eucken. 
  
  Ein weiterer Unterschied ergibt sich in der Analyse   totalitärer Systeme. Für Hayek und Eucken sind es "sozialistische" Bewegungen   aller Art, die letztlich, indem sie ökonomische Ressourcen an sich ziehen, alle   Bereiche des Staates durchdringen. Hayek dreht an dieser Stelle völlig frei.   Prinzipiell alle sozialistischen Strömungen, das Buch "Wege zur Knechtschaft"   widmet er den Sozialilisten in allen Parteien, subsumiert er unter die   Großgruppe kollektivistisch. Eucken argumentiert im Grunde ähnlich, verschweigt   aber den Nationalsozialismus. 
  
  Popper sieht in jedem Versuch eine ideale   Gesellschaft am Reißbrett zu zeichnen und dann umzusetzen einen Weg in den   totalitären Staat. Allerdings richtet sich zumindest der erste Band, das ist den   Andeutungen zu entnehmen, gegen den Nationalsozialismus. Die Gliederung der   Gesellschaft nach Rassen, die Erziehung einer bestimmten Schicht zur Führung,   die Reduktion von Bildung auf die Vermittlung einer Staatsdoktrin, die   ständische Gliederung der Gesellschaft, die Erziehung der Jugend durch den Staat   und nicht durch die Eltern charakterisieren den Nationalsozialismus mehr als den   Kommunismus stalinistischer Prägung. Ob uns das hilft, totalitäre Systeme   tatsächlich zu begreifen, siehe die offene Gesellschaft und ihre Feinde, es ist ein weiterer Theorieansatz innerhalb sehr   vieler Theorieansätze, mag dahingestellt sein, auf jeden Fall unterscheidet sich   der Liberalismus von Karl Popper deutlich von dem Liberalismus eines Hayek. 
  
  Zwar hat Hayek, jenseits dessen, was allgemein akzeptiert wird, also die   Steuerung der Wirtschaft über den Preis, kaum konkrete Vorstellungen über   Details einer Wirtschaftsordnung, aber diese unpräzisen Vorstellungen will er im   Zweifelsfalle wenigstens durch einen Diktator durchgesetzt sehen. 
  
  Popper   wendet sich lediglich gegen jede Vorstellung eines "idealen" Zustandes und vor   allem gegen die Versuche, diesen "idealen" Zustand gewaltsam durchzusetzen. Was   bei Hayek im Grunde eine Phrase ist, die "Anmassung von Wissen", ist bei Popper   Programm. Der Spruch von der "Anmassung des Wissens" wird dann zur Leerformel,   wenn keine Methode vorgestellt wird, wie eine These falsifiziert werden kann.   Bei Popper haben wir ein klares Kriterium. Während Hayek den Diktatur vorzieht,   wenn sich Demokraten Wissen anmaßen, ist bei Popper die Demokratie die condition   sine qua non der Möglichkeit, eine These zu falsifizieren.
  
  Der beliebte Spruch von der "Anmassung des Wissens" ist eine Leerformel, weil man damit jede Vorstellung diskreditieren kann. Wir brauchen aber keine allgemeine Formel zur Diskreditierung jeder Vorstellung, wir brauchen ein Verfahren, mit dem festgestellt werden kann, dass eine bestimmte Vorstellung unzutreffend ist. 
  
  Hayek, Eucken   und Friedman waren Ökonomen, Popper nicht. Ökonomen neigen zu einer systemischen   Sichtweise. Sie suchen nach einer Ordnung, nach Parametern, die ein bestimmtes   Verhalten erzwingen, bzw. ein bestimmtes Verhalten als wahrscheinlich erscheinen   lassen. Was die Wirtschaft angeht, trifft das ja auch teilweise zu, andernfalls   hätten wir kein Muster, sie würde völlig chaotisch ablaufen und wäre politisch,   außer durch Zwangsmaßnahmen, nicht steuerbar. 
  
  Im Gegenzug haben wir aber   schon x Mal gesehen, dass es kaum wirtschaftliche Parameter gibt, die nicht   lediglich Ausdruck eines außerwirtschaftlichen Zusammenhanges sind. Noch die   allertrivalste Kurve, die zum Beispiel, die den Zusammenhang zwischen   Beschäftigung und Output anzeigt, beinhaltet außerökonomische Zusammenhänge:   Bildungsniveau, Innovationskraft, Wissen um Organisationen, Risikobereitschaft   etc. und der Autor wird das Gefühl nicht los, dass diese außerökonomischen Faktoren   für die wirtschaftliche Entwicklung bedeutsamer sind, als die ökonomischen   Faktoren im engeren Sinne. Dies wäre dann gleichbedeutend mit der Aussage, dass   die Wirtschaft nur sehr bedingt überhaupt steuerbar ist, was ja für einen   Ökonomen keine interessante Perspektive darstellt. 
  
  Was also von Léon   Walras, Carl   Menger so energisch bestritten wird, ist leider die Realität. Die Wirtschaft   ist eingebettet in eine komplexere Gesamtstruktur und jeder systemische   Erklärungsansatz ist ein am Reißbrett entworfenes Modell. Die schlichte   Ignorierung des politischen Umfeldes hängt mit dem Selbsverständnis der   Volkswirtschaftslehre zusammen. Wer ewig gültige Gesetze gefunden hat, sieht   keine Veranlassung, deren Gültigkeit auch tatsächlich über einen demokratischen   Entscheidungsprozess überprüfen zu lassen.  
  
  Das in der Volkswirtschaft   herrschende systemische Denken vom Typ "... in Spanien waren die Zinsen niedrig,   dies wiederum hat die Bautätigkeit angeregt.." mag im Einzelfall sogar zu einer   richtigen Situationsbeschreibung führen, geht aber über den homo oeconomicus weit hinaus. Der homo oeconomicus ist ein rational   kontrolliertes Konstrukt. Seine Maximierung des Wohlstandes maximiert den   Wohlstand der Gesamtbevölkerung. Eine Aussage vom oben gemachten Typ, praktische   jede volkswirtschaftliche Studie arbeitet so, beschreibt die Wirkung der   Veränderung eines Parameters auf das Verhalten, hat aber eine ganz andere   Qualität. Hier wird der Mensch zur Marionette. Selbst wenn im Einzelfall der   Zusammenhang zutrifft, ist er keineswegs zwangsläufig. Die spanische Regierung   zum Beispiel hätte die Möglichkeit gehabt, die Ressourcen dahin zu lenken, wo   die Effekte nachhaltiger gewesen wären, bzw. sie hätte vor der Krise warnen   können. Das systemische Vorgehen der Volkswirtschaftslehre ist teilweise der   Grund, warum sich Menschen systemisch verhalten. Es gibt auch die Möglichkeit   aufzuklären und die scheinbar systemischen Zusammenhänge zu durchbrechen. Das   wiederum scheint aber dem grundsätzlichen Anspruch der akademischen   Volkswirtschaftslehre zu widersprechen. 
  
  Glaubt man nicht an die ewig   gültigen Gesetze, ist man auf die Kompetenz, das Verantwortungsgefühl und die   moralische Integrität der Einzelnen angewiesen. Folgerichtig lesen wir bei   Popper.
  
| Die meisten von ihnen [die Kritiker der Demokratie] sind mit den   demokratischen Institutionen unzufrieden, weil diese keine Garantie dafür   bieten, dass die Staatspolitik den wichtigsten moralischen Maßstäben (wenn schon   nicht den höchsten) auch nur einigermaßen gerecht wird. Aber diese Kritiker   richten ihren Angriff aufs falsche Ziel; sie verstehen nicht, was man von   demokratischen Institutionen erwarten kann, und sie wissen nicht, wie die   Alternative zu demokratischen Institutionen aussehen würde. Die Demokratie [...]   schafft den institutionellen Rahmen zur Reform politischer Institutionen. Sie   ermöglicht die gewaltlose Reform von Institutionen und damit den Gebrauch der   Vernunft beim Entwurf neuer Institutionen sowie bei der Verbesserung der alten.   Sie kann nicht die Vernunft selbst herstellen. Die Frage des intellektuellen und   moralischen Standards ihrer Bürger ist in weitem Maße ein Problem von Personen.   (Es ist meiner Meinung nach ein Irrtum, wenn man glaubt, dass sich dieses   Problem durch eine institutionelle Eugenik und eine Kontrolle der Erziehung   anpacken lässt;[...]). Es ist völlig falsch, wenn man die Demokratie für die   politischen Unzulänglichkeiten eines demokratischen Staates verantwortlich   macht. Wir sollten eher uns, das heißt die Bürger des demokratischen Staates,   zur Verantwortung ziehen. In einem nichtdemokratischen Staat führt der einzige   Weg zu vernünftigen Reformen über den gewaltätigen Sturz der Regierung und die   Errichtung eines demokratischen Rahmens. Die Kritiker der Demokratie, die sich   irgendwelcher "moralischen" Gründe bedienen, haben es versäumt, zwischen   persönlichen und institutionellen Problemen zu unterscheiden. Es ist unsere   Aufgabe, die Verhältnisse zu verbessern. Die demokratischen Institutionen können   sich nicht selbst verbessern. Das Problem ihrer Verbesserung ist stets ein   Problem, das Personen und nicht Institutionen betrifft. Wenn wir aber   Verbesserungen durchzuführen wünschen, dann müssen wir klarmachen, welche   Institutionen wir verbessern möchten.  | 
  Die Demokratie ist also bei Popper keine   systemisch funktionierende Veranstaltung. Es reicht also nicht, ein paar   Parameter umzuschalten, damit der Apparat wieder stotterfrei funktioniert. Es   hängt tatsächlich von der Qualifikation, dem Engagements und der moralischen   Integrität der Bürger ab, wie die Institutionen eingerichtet werden und welche   eingerichtet werden. Die Vernunft steckt nicht im System, sie steckt in den   Bürgern. Die Demokratie setzt lediglich einen Rahmen, in dem die Vernunft walten   und schalten kann, die Vernunft jedoch steckt in den Bürgern. Oder eben auch   nicht. Das Thema hatten wir schon, siehe Präliminarien.
  
  Die Demokratie   ist ein Suchprozess. Das systemische Denken schlägt leicht um in eine   Weltanschauung bei der kein Bedarf an Vernunft besteht, weil das Optimum bereits   gefunden ist. Graduelle Unterschiede sind leicht wahrnehmbar. Wer aber im Besitz   der Wahrheit ist, sieht keine Veranlassung, seine Hypothesen zu hinterfragen.   Hayek ist näher an Karl Marx, als er dies selbst vermutet, nicht nur praktisch,   wie seine Bewunderung für Pinochet bezeugt, siehe Warnung vor der Planwirtschaft, sondern auch theoretisch.
  
| Die heutige Mode, die Demokratie als den bedrohten Eckpfeiler unserer   Zivilisation hinzustellen, hat ihre Gefahren. Sie ist weitgehend für den   irreführenden und unbegründeten Glauben verantwortlich, dass keine   Willkürherrschaft möglich ist, solange der Wille der Mayorität für die Ausübung   der Macht ist. Die trügerische Sicherheit in die sich viele Leute durch diesen   Glauben wiegen lassen, ist eine Hauptursache der allgemeinen Sorglosigkeit   gegenüber den uns drohenden Gefahren. Der Glaube, dass keine Regierung eine   Willkürherrschaft sein kann, wenn sie nur ein Produkt des demokratischen   Wahlverfahrens ist, ist ganz unbegründet und die darin liegende   Gegebüberstellung vollkommen falsch: Nicht der Ursprung, sondern die Begrenzung   der Regierungsgewalt bewahrt sie vor Willkür. Es ist möglich, dass das   demokratische Kontrollrecht eine Willkürherrschaft verhindert, aber dann nicht   durch seine bloße Existenz. Wenn die Demokratie sich zu einer Aufgabe   entschließt, die notwendigerweise einer Anwendung der Staatsgewalt voraussetzt,   die sich nicht an festen Normen orientieren kann, muss sie zur Willkürherrschaft   werden. | 
  Wenn er von der MODE spricht, die die   Demokratie als den bedrohten Eckpfeiler der Demokratie hinstellt, dann ist er   nicht mehr weit entfernt von Pareto, für den die Demokratie eine Religion ist,   siehe Vilfredo   Pareto, Soziologie. Pareto wiederum ist für Popper ein Vordenker des   Totalitarismus. 
  
  Hayek geht also davon aus, dass demokratische   Entscheidungsprozesse auch zu einer Willkürherrschaft führen können. Das ist   schlicht falsch. Solange die Demokratie nicht außer Kraft gesetzt wird, kann die   Willkürherrschaft auch wieder abgewählt werden. Das Phänomen, dass demokratische   Wahlen zu einer Regierung führen, die die Demokratie abwählen, ist richtig, wir   erleben das aktuell in Ägypten, wir schreiben immer noch das Jahre 2013. Dann   ist es aber eben keine Demokratie mehr. Was Hayek sagen will, ist, dass   demokratische Entscheidungsprozesse zu einer Wirtschaftspolitik führen, die ihm   nicht gefällt. Anzumerken ist jedoch, dass seine Wirtschaftspolitik dem   bedeutendsten Ökonom aller Zeiten, nämlich Keynes, nicht gefällt. Es ist unter diesen Auspizien schon reichlich tollkühn, seine   Vorstellungen als ultimative Wahrheit hinzustellen, die nicht mehr durch einen   demokratischen Entscheidungsprozess hinterfragt werden kann.
  
  Das   Argument, dass das Buch "Der Weg zur Knechtschaft" 1944 zum ersten Mal   veröffentlicht wurde und insofern ein Kind seiner Zeit war, sticht nicht   wirklich. Seiner Bewunderung für Pinochet brachte er noch 1981 zum Ausdruck,   siehe Warnung   vor der Planwirtschaft. 
  
  Die festen Normen, an die sich die   Demokratie halten muss, sind die Vorstellungen Hayeks. Sind dieses nicht   verwirklicht, ist eine Diktatur, die diese Vorstellungen verwirklicht, besser.   So stellt Hayek sich das vor. 
  
  Hayek hat den eigentlichen Witz nicht   verstanden. Die Demokratie führt allerhöchstens für einen gewissen Zeitraum zur   Willkürherrschaft. Wird über einen demokratischen Prozess die Demokratie selber   ausgehebelt, dann braucht man sich über Rechtsstaatlichkeit, Begrenzung der   Regierungsgewalt, Legitimität eines demokratischen Herrschaft etc. auch keine   Gedanken mehr machen. Die werden dann allesamt gleich mitausgehebelt. 
  
  Der eigentliche Fehler Hayeks steckt aber tiefer und er zieht sich durch   die gesamte Volkswirtschaftslehre. Der Fehler ist die systemische Denke bei   gleichzeitiger Reduktion der Komplexität. Die Reduktion der Komplexität, das   heißt die Modellierung anhand von Parametern, die lediglich Ausdruck eines   Sachverhaltes sind, nicht aber die Ursache, ist die Bedingung für diese   Vereinfachung. Die vermeintliche Stärke der Volkswirtschaft, die Möglichkeit,   "allgemein" gültige Gesetze zu entwickeln, wird mit Trivialität erkauft. Ein   Gesetz, das von den individuellen Umständen abstrahiert, ist immer gültig und   damit wertlos. Die Reduktion auf rein wirtschaftliche Zusammenhänge, die es de   facto gar nicht gibt, macht des weiteren den Weg frei zum Glauben an ein   vermeintliches Expertenwissen, das der demokratischen Kontrolle so wenig   unterliegen muss, wie die Forschung im Bereich der Molekularbiologie. Das ist   letztlich der Grund, warum die Volkswirtschaft auch gar nicht nach einem   Transmissionsmechanismus zur Durchsetzung ihrer Vorstellungen in einem   demokratischen Entscheidungsprozess sucht, siehe Präliminarien. 
  
  Allerdings kann die Volkswirtschaft eher als der Chemiker, Physiker,   Molekularbiologe etc. das "Große und Ganze" in den Blick nehmen. Sie ist eher in   der Lage, systemische Fehler in der Gesamtwirtschaft zu erkennen.
  
  Den   Vorwurf der systemischen Denke kann man teilweise auch Keynes machen. Das   Streben nach Sicherheit, letztlich der Grund, warum der Geldmarkt dominiert,   kann in einem gewissen Umfang dadurch verhindert werden, dass der Staat oder die   Staaten Informationen zur Verfügung stellen. Das Vertrauen, dass   Kapitalsammelstellen Kapital optimal allozieren, muss man nicht teilen.   Unsicherheit ist Ausdruck mangelnden Wissens. Kann man diesen Mangel beseitigen,   schwindet auch die Unsicherheit. 
  
  Eine Möglichkeit dies zu tun wäre ein totale Umstrukturierung der VWL Studiengänge. Wir brauchen weniger verbeamtete Schwätzer, die beraten wollen, als Leute, die tatsächlich auch was können und sich auch in komplexe praktische Probleme, auch technischer Natur, einarbeiten können. 
  
  Das heißt, dass auch das keynessche   System Sachverhalte als gegeben hypostasiert, die lediglich Ausdruck von etwas   sind, wobei vorstellbar ist, dass dieses etwas geändert werden kann. Die   angedachte Finanztransaktionssteuer ist so betrachtet auch keine optimale   Lösung. Optimal wäre eine Lösung, die es Kapitalsammelstellen ermöglicht,   Kapital optimal zu allozieren anstatt es an der Börse hin- und her zuschieben. Im übrigen, gibt es für Spekulationen eine viel einfachere Lösung. Die Zentralbanken sollen die Kreditvergabe an konkrete Bedingungen knüpfen. Geld gibt es für Realinvestitionen und nicht für das Füttern von Blasen. 
  
  Die Frage ist also ganz schlicht die: Wenn niemand im Besitz des   absoluten Wissens ist, wer soll dann entscheiden? Wenn wir davon ausgehen, dass   82 Millionen Deutsche mehr wissen, als 640 Parlamentarier, und davon können wir   ausgehen, dann kann es nur noch um die Frage gehen, wie wir das Wissen der   Öffentlichkeit einfließen lassen in demokratische Entscheidungsprozesse und die   elementarste Grundbedingung hierfür ist die Möglichkeit, Erkenntnisfortschritte   auch durchzusetzen, das heißt Regierungen wieder abwählen zu können. 
  
  Bis   hierhin rennt Popper allerdings, zumindest in der "westlichen Welt", offene   Türen ein. Fundamentaldiskussionen dieses Typs kann man höchsten in   Gesellschaften führen, wo der Bildungsstand sehr niedrig ist, also zum Beispiel   in Bezug auf Afghanistan. Ob die westliche Unterstützung für die Mudjahedin in Afghanistan eine brilliante Idee war, kann man kontrovers diskutieren.   Zumindest ein Großteil der weiblichen Bevölkerung empfanden die sowjetische   Besatzung als Befreiung und ein Großteil der Probleme, die dann folgten, hätte   man gar nicht gehabt, wenn eine starke Zentralregierung Minimalstandards in   Bezug auf Menschenrechte und Versorgung durchgesetzt hätte. Afghanistan ist aber   wirklich ein extremer Fall. 
  
  Einer der bedeutsendsten Intellektuellen   Südamerikas, Mario Vargas Llosa, teilt im Übrigen auch die Ansicht Hayeks nicht,   dass es in Südamerika, außer eben dem demoktratisch gewählten Salvador Allende,   nach Hayek ein Diktator, keine Diktatur gegeben habe.
  
| Lo importante es que ese modelo, que por fin está echando raíces en nuestros países, no se nos deteriore, se nos degrade, y retrocedamos una vez más en la historia hacia la dictadura, hacia el populismo; es decir, hacia esas instituciones que son la razón misma de nuestro subdesarrollo y nuestro atraso. | Das Entscheidende ist, dass dieses Modell [die Demokratie], das nun allmählich in unseren   Ländern Wurzeln schlägt, nicht in Misskredit gebracht wird, nicht beschädigt   wird und wir wieder einmal einen geschichtlichen Rückschritt zur Diktatur   machen, zum Populismus. Zu jenen Institutionen also, die der eigentliche Grund   unserer Unterentwicklung und unserer Rückschrittlichkeit   sind. http://www.larepublica.pe/20-03-2012/mario-vargas-llosa-hay-que-defender-nuestras-democracias | 
    Zwischen   "Links" und "Rechts", zwischen Fidel Castro, Pinochet, Vidal macht Mario Vargas   Llosa da keinen Unterschied. Vielleicht hätte Hayek und Friedman sich mal vorher   sachkundig beraten lassen. Das Gastspiel Mario Vargas Llosa bei der Friedrich   Naumann Stiftung wiederum war wohl ein Dialog zwischen Tauben, siehe Gerhardt   gratuliert Mario Vargas Llosa. Hätte Mario Vargas Llosa gewusst, dass   Gerhardt den größten Fan von Pinochet feiert, hätte er ihm wahrscheinlich nicht   mal die Hand gereicht. Im Jahre 2006 äußert sich Mario Vargas Llosa in El PAÍS   folgendermaßen.
  
| No hay modelo pinochetista. Un país no necesita pasar por una dictadura para modernizarse y alcanzar el bienestar. Las reformas de una dictadura tienen siempre un precio en atrocidades y unas secuelas éticas y cívicas que son infinitamente más costosas que el statu quo. Porque no hay verdadero progreso sin libertad y legalidad y sin un respaldo claro para las reformas de una opinión pública convencida de que los sacrificios que ellas exigen son necesarios si se quiere salir del estancamiento y despegar. La falta de ese convencimiento y la pasiva resistencia de la población a los tímidos, o torpes, intentos de modernización explican el fracaso de los llamados “gobiernos neoliberales” a lo largo y ancho de América latina, y fenómenos como el del tonitronante comandante Chávez, en Venezuela. | Es gibt kein Modell Pinochet. Ein Land braucht, um sich zu modernisieren und   einen gewissen Wohlstand zu erreichen keinen Diktator. Die Reformen einer   Diktatur gehen immer einher mit Terror und ethischen und zivilen   Folgeerscheinungen, die schlimmer sind als der status quo. Denn einen wirklichen   Fortschritt ohne Freiheit und Rechtstaatlichkeit gibt es nicht ohne die   Unterstützung der Reformen durch die öffentliche Meinung, die davon überzeugt   ist, dass diese Opfer nötig sind, wenn man sich von der Stagnation lösen und   sich entwickeln will. Der Mangel an dieser Überzeugung und der passive   Widerstand der Bevölkerung gegen die vorsichtigen und tolpatischen Versuche der   Moderniesierung erlären das Scheitern der sogenannten "neoliberalen Regierungen"   überall in Südamerika und Phänomene wie die des donnernden Kommandanten Chavez   in Venezuela. http://www.lanacion.com.ar/871352-las-exequias-de-un-tirano | 
  Daraus   können wir dann entnehmen, dass die Welt komplizierter ist und ein allgemeines   Freiheitsgeschwafel, das im Zweifelsfalle auch von Diktaturen umgesetzt werden   kann, niemanden irgendwie weiter bringt. Wir lernen auch, dass man die 46   Millionen Euro die man in die Friedrich Naumann Stiftung steckt, besser in den   Bau und die Unterhaltung von Schulen investieren würde. Demokratien scheitern   öfter an mangelnder Bildung und Ausbildung als an einer falschen   Wirtschaftspolitik. 
  
  In Südamerika haben wir sozusagen die systemische   Denke in vivo beobachten können. Anstatt die Politik zu "beraten" hätte man   besser versucht, die Bevölkerung zu überzeugen, was ja, aus den verschiedensten   Gründen, die Ökokaste nicht als ihre Aufgabe erachtet. Die Chicago Boys sahen es als ihre Aufgabe Pinochet zu überzeugen. Die nicht Überzeugten hat man einfach in den Knast gesteckt oder zu Tote gefoltert. 
  
  Zumindest in der   westlichen Welt hat sich Popper durchgesetzt, unabhängig davon, ob jemand den   Namen schon mal gehört oder nicht und ob irgendjemand mal ein Buch von ihm   gelesen hat oder nicht. Wir robben uns vorsichtig voran und wir haben ein   Mischsystem. Die Zeit der Fundamentaldiskussionen neigt sich dem Ende   zu.
  
  Im Übrigen sieht Hayek die Sache etwas einseitig. Wir können ihn so   verstehen, dass er Demokratie als die Diktatur der Mehrheit ansieht. Ein zwar   reichlich theoretisches Konstrukt, zumindest in der Verfassungswirklichkeit der   "westlichen" Staaten, aber möglich. Genauso grob könnte man aber auch umgekehrt   argumentieren. In einer Demokratie ist es kaum möglich, dass eine Minderheit   ihre Interessen zu Lasten der Mehrheit durchsetzt und dieses Phänomen ist   historisch leichter beobachtbar und die größere Gefahr. 
Letzteres ist im Übrigen auch in einer   Demokratie möglich, wenn die Mehrheit gar nicht weiß, dass sie die Zeche   bezahlt. Es dürfte z.B. relativ wenigen Leuten bekannt   sein, dass auf alle Speichermedien eine ZPÜ (Zentralstelle für private   Überspielungsrechte) Gebühr erhoben wird. Argumentiert wird, dass man auf CD,   DVD, Sticks etc. urheberrechtliches Material kopieren könnte, für das die   Urheber dann, über ein weitgehend intransparentes Verfahren vergütet werden   sollen. Weder ist klar, wie diese Gebühren tatsächlich erhoben werden, noch wie   die Einnahmen verteilt werden. 
    
    Die übliche Hayek Suada singt auch dieser   Artikel in der Welt. Es ist die übliche Suada von der Plebs, die man besser   über gar nichts entscheiden lässt. Da "Die Welt" ein Produkt der Springer Presse   ist, können wir nachvollziehen, dass die Springer Presse ihre Klientel im Blick   hat.
  
| "Demokratie" heißt einfach nur, dass gewählt wird und die Mehrheit entscheidet – auch wenn es sich bei jener Mehrheit um einen Haufen abergläubischer Bauern mit Fackeln und Mistgabeln handelt. | 
    Da die Springer Presse ja für die   Mehrheit schreibt, ist ihre Klientel also ein Haufen abergläubischer Bauern mit   Fackeln und Mistgabeln. Na wenn die Springer Presse das so sieht, dann wird es   wohl stimmen.
  
  Die Wahrheit dürfte wesentlich einfacher sein. Solange der   Arbeitsaufwand für den Bürger, der sich in ein Thema einarbeiten will, enorm   hoch ist, wird er das im Zweifelsfalle unterlassen, bzw. sich nur dann damit   beschäftigen, wenn er unmittelbar davon betroffen ist. Traut er sich  des   weiteren nicht zu, seine Sicht der Dinge wirkungsvoll öffentlich darzustellen,   wird er allen möglich Unsinn hinnehmen. Er wird also, aus Mangel an Zeit und   Geld sogar hinnehmen, dass Laien über Dinge entscheiden.
  
  Nach diesem Schema kann also die   Demokratie nur die Fehler korrigieren, die viele Leute betreffen, denn nur diese   Fehler haben das Potential, in den Fokus der öffentlichen Diskussion zu geraten,   wobei selbst das nicht sicher ist. Welches Thema relevant ist und welches nicht,   entscheidet letztlich die Politik und die Journaille. Beide werden die Themen   pushen, wo sie meinen punkten zu können bzw. wo sie meinen die Auflage steigern   zu können. So können dann auf einmal Themen auftauchen, etwa die "Integration"   von "Ausländern" (die sollen sich in irgendwas integrieren, wobei unklar ist, in   was eigentlich; soll der homosexuelle Deutsche türkischer Abstammung sich jetzt   bei der Aids Hilfe in Kreuzberg engagieren, dem Katholizismus beitreten, Atheist   werden oder sich den in Berlin so verhassten schwäbischen Akzent abgewöhnen?),   die zehn Jahre lang kein Thema waren. Diese Themen werden dann zwei Wochen   gehyped, um anschließend wieder zu verschwinden, ohne dass irgendein   Erkenntnisfortschritt erzielt worden wäre. 
  
  Je komplizierter ein Thema   wird, desto stärker wird es personalisiert und desto stärker wird es auch   emotionalisiert. Wer sich im Moment, wir schreiben immer noch das Jahr 2013 und   nach wie vor haben wir Finanzkrise, Schuldenkrise, Bankenkrise, Eurokrise, die   spanische, französische, italienische und englische Presse durchliest, der   könnte meinen eine Zeitreise 150 Jahre zurück gemacht zu haben. In Spanien sind   die Deutschen die Betonköpfe, die Europa unterjochen wollen, in Deutschland sind   die "Südländer" Halodris, die das Geld zum Fenster rauswerfen, die Franzosen   finden, dass die Deutschen zu effizient sind und die Deutschen finden, dass die   Franzosen den Deutschen den Euro aufgedrückt haben. Also wild alles   durcheinander. (Wer eine austarierte Sicht sehen will, findet diese hier Prof.Dr.   Flassbeck: Die Eurokrise. Warum die Ökonomen die Krise nicht verstehen. Das   ist übrigens mal eine seltene Ausnahme. Das ist ein Volkswirt und kein Vertreter   der Ökokaste. Man muss ihm nicht in jedem Punkt zustimmen, aber er redet ganz   unverquast Tacheles.)
  
  Je intransparenter ein Vorgang ist, desto eher wird   man auf uralte Stereotypen rekurrieren, die den Vorgang erklären. Viel mehr   bleibt ja auch nicht übrig. Das wiederum wird dann den Gruppen Munition liefern,   die der Meinung sind, dass man die Plebs über wichtige und komplizierte Fragen   nicht abstimmen lassen darf, wobei man verschweigt, dass man den Vorgang genau   so wenig durchschaut, aber die Deutungshoheit karrierefördernd ist.
  
  Der   Vorgang ist jetzt ausgesprochen skurril. Wir haben ja Debatten   unterschiedlichster Art. Wir haben die Theorien von Anthony Down, der sagt,   dass Parteien ein Programm zusammenstellen, das die Mehrheit gut findet, wir   haben Friedrich   Hayek, der sieht in der Demokratie die skruppelosen Sozialisten schalten und   walten, wir haben die Riesengruppe derjenigen, wie etwa Walter   Eucken, der sich mit so Kleinigkeiten, wie seine Ideen überhaupt konkret   politisch durchsetzbar werden können, schlicht gar nicht beschäftigt. Dann haben   wir noch so abgedrehte Spinner wie Vilfredo   Pareto, für die die Demokratie schlicht eine Ersatzreligion ist. Des   weiteren sind noch Leute wie Platon im Angebot, wo besser eine Elite regiert, am   besten Philosophen. 
  
  Eine Frage allerdings wird schlicht nie, seit   nunmehr 2500 Jahren, diskutiert, obwohl diese Frage eigentlich die   allernaherliegendste ist. Wie schafft man es, dass über die relevanten Fragen   überhaupt rational abgestimmt werden kann, das heißt ein Meinungsbildungsprozess   überhaupt möglich ist? Wie kommt man an die Fakten und wie kommt man an das   Wissen, das man braucht, um die Fakten zu bewerten? Was Popper sagt, ist   unstrittig richtig, aber man kann ihm nicht vorwerfen, sich in Details zu   verlieren, was man in diesem konkreten Fall aber tun könnte. Siehe auch Präliminarien. 
  
  Fasst man   mal den ganzen Quark von Hayek, über Eucken und Anthony Downs bis hinab zu   Pareto zusammen, dann geht es um diese schlichte Frage: Ist die Plebs zu blöd   für Demokratie? Die Frage allerdings ist ziemlich theoretisch, denn da wo   Transparenz herrscht, im einfachsten Fall über den Preis, ist sie in der Lage   die Leute durchzufüttern, die sich solche weitreichenden Gedanken machen. 
  
  Die Diskussion um die Entscheidungsfähigkeit der Mehrheit ist in etwa so   sinnvoll, wie die Frage, ob Menschen ein Betriebssystem verstehen. Lässt sich   ein Betriebssystem nur über kryptische Linux Befehle steuern, sind es wenige,   die damit umgehen können. Lässt es sich über die Maus steuern, sind es 100   Prozent der Menschheit, wenn man mal von Kleinkindern absieht. Bill Gates hätte   hier also die Alternative zwischen klagen und Problem lösen gehabt. Ersteres   hätte nicht geholfen, zweiteres hat im zum multi-multi Milliardär gemacht. 
  
  Die Debatte um Transparenz wird durch zwei Entwicklungen verschärft. Zum   einen durch die Schaffung einer Megabürokratie wie der EU, die so intransparent   ist, dass sie sich faktisch jeder Kontrolle entzieht. Zum anderen durch das   Internet, das die Nachfrage nach Informationen erhöht hat, weil es zum einen   durch plastische Beispiele gezeigt hat, was man alles Interessantes wissen   könnte und zweitens zeigt, wie Informationen aufbereitet werden können. Das   Internet zeigt seine Leistungsfähigkeit allein schon durch die schiere Masse an   Informationen, die problemlos gefunden werden können. Die Journaille kämpft hier   auf verlorenem Posten. Siehe das Internet und die Volkswirtschaftslehre. 
  
  Des weiteren hatten wir im Verlaufe dieses   Lehrbuches schon unendlich viele Beispiele für Initiativen, die diese notwendige   Transparenz erzwingen werden.
  
  Die Qualität einer Demokratie hängt,   genauso wie die Wirtschaft, vom Bildungsstand der Bevölkerung ab. Je besser   dieser ist, desto schärfer und präziser wird die öffentliche Debatte und je   schärfer und präziser die öffentliche Debatte, desto hochwertiger sind die   Antworten auf politische Fragen. Der Bildungsstand ist also neben der   Transparenz die zweite entscheidende Variable. 
  
  Wenn aber der deutsche   Philologenverband tatsächlich die Gymnasiallehrer vertritt, dann haben wir hier   auf jeden Fall eine Baustelle. Nach eigenen Angaben des deutschen Philologenverband hat dieser 90000   Mitglieder, das wäre die Hälfte aller Gymnasiallehrer. Wie die Jungs und Mädels   zum Abitur gekommen sind, ist schleierhaft. Wenn der Autor Deutschlehrer wäre   und so ein Geschwurbel als Abitursaufsatz vorgesetzt bekäme, dann würden die   Fetzen fliegen, das wäre das Ende seiner Großmut und seines Humors. Die Zahlen   stammen vom Autor.
| (1) Der DPhV setzt sich für ein begabungsgerechtes, gegliedertes Schulwesen unter dem Prinzip des Förderns und Forderns ein. Die Förderung von Hochbegabten ist ihm dabei genauso wichtig wie die von Schülerinnen und Schüler aus anderen Herkunftsländern, die in Deutschland eine neue Heimat gefunden haben.(2) Der DPhV steht für ein qualifiziertes, fortschrittliches Gymnasium mit Bildung und Erziehung im Mittelpunkt. Dabei kommt es ihm besonders darauf an, die Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen unserer modernen Welt mit ihren wechselnden Strukturen vorzubereiten. Deshalb befürwortet er eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung der Lehrkräfte auf der Basis eines handlungs- und werteorientierten Berufsethos. (3) Die Personalausstattung, die Besoldung, das Ansehen und die damit verbundene Anerkennung der von den Lehrkräften erbrachten Leistungen sind weitere zentrale Anliegen der Verbandsarbeit. aus: http://www.dphv.de/ | 
  (1)   In dem Adjektiv "begabungsgerecht" steckt die Annahme, im Fall dieser Truppe   sogar in einer besonders konservativen Variante, denn sie plädieren für die   Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems, dass der Anteil, der für das   Gymnasium "Begabten" eine geschichtlich stabile Konstante ist. Andernfalls macht   das dreigliedrige Schulsystem ja logisch keinen Sinn. Ändert sich das   Begabungsprofil der Gesellschaft so, dass alle für's Gymnasium geeignet sind,   läuft sich das dreigliedrige Schulsystem irgendwann tot (was ja auch tatsächlich   passiert). Wir erleben seit Jahrzenten, dass der Anteil der Abiturienten ständig   steigt. Der Häuptling der Philologen erklärt sich das damit, dass das Niveau des   Abiturs seit Jahren sinkt. Das Problem bei seiner These ist, dass die   Anforderungen in Studim und Beruf seit Jahrzehnten ansteigen. Das lässt nur zwei   Schlüsse zu. Entweder ist das Niveau des Abiturs nicht gesunken oder das   Abitur hat keine Aussagekraft. Bei beiden Varianten muss man zu dem Schluss   kommen, dass der Anteil der Abiturienten weiter zu erhöhen ist. Kinder mit   Migrationshintergrund könnte man im Übrigen tatsächlich fördern. Zum Beispiel   schlicht durch die Tatsache, dass man die jeweiligen Muttersprache als zweite   Fremdsprache akzeptiert, deren Kenntnis von einer externen Stelle, z.B. einer   Uni, geprüft wird. 
  
  (2) Das mit den Adjektiven ist schwierig, besonders   für Philologen. Ein qualifiziertes Gymnasium ist ein Gymnasium, das qualifiziert   ist. Das ein Gymnasium für irgendwas qualifiziert ist, ist zu hoffen. Aber für   was? Dass es der Philologenverband für erwähnenswert hält, dass in einem   Gymnasium die Bildung im Mittelpunkt steht, ist schon beunruhigend. Die   "wissenschaftliche" Ausbildung der Lehrer allerdings ist ein Problem. Die   "Wissenschaftlichkeit" ist eben das Problem des Philologiestudiums. Wer sich zu   ausgiebig mit Altfranzösisch und dem Chanson de Roland beschäftigt hat, wird   eben in der Schule Schiffbruch erleiden. Ohne überzeugende didaktische Ansätze,   wie wir sie z.B. auf der www.franzoesisch-lehrbuch.de vorstellen, werden nicht nur einzelne Schüler und nicht nur einzelne Klassen,   sondern ganze Klassenzüge Französisch zum frühest möglichen Zeitpunkt abwählen.   Das ist nämlich das, was konkret passiert. Schüler für eine Sprache zu   begeistern, hat mit Wissenschaftlichkeit nichts, aber rein gar nichts zu tun.   Der handlungs- und werteorientierte Berufsethos ist nun maximales Blubberniveau   und bedeutet konkret schlicht gar nichts. Wie Beamte ohne Berufserfahrung mit einem berauschenden Lebenslauf von Penne => Uni => Penne => Grab auf die moderne Welt vorbereiten wollen, ist ein Rätsel. Vor allem das mit den wechselnden Strukturen ist schwierig. So was kennt ein Beamter gar nicht und ihn davor zu schützen, ist, nach Meinung eines Beamten, die heiligste Aufgabe des Staates. 
  
  (3) Das Ansehen des   Lehrerberufs kann auch leiden, wenn dessen Lobbytruppe Aussagen macht über das   Begabungsprofil der Bevölkerung, die sich mit den objektiven Tatsachen nicht   decken und die lediglich den Zweck haben, die eigenen Interessen durchzusetzen.   In diesem Fall geht es konkret darum, mit dem Argument der höheren   "wissenschaftlichen" Qualifikation eine höhere, im Vergleich zu Lehrern an   anderen Schultypen, Besoldung durchzusetzen. Überzeugender wären Vorschläge oder   zumindest eine Reflexion über andere didaktische Methoden. Wenn bildungsferne   Schichten, also Philologen, die als Beamte dem Innovationsdruck der freien   Wirtschaft gar nicht ausgesetzt sind und diesem in der Regel auch nicht gewachsen sind, die Leistungsfähigkeit des   Frontalunterrichts preisen, kann das auch daran liegen, dass sie selber wenig   Erfahrung mit der Aneignung von Wissen haben. 
  
  Besonders gravierend ist   aber, dass der Zusammenhang zwischen Bildung und Demokratie überhaupt nicht   reflektiert wird. Da kann man schon zweifeln, ob die Leerkörper vom DHPV "auf   die Herausforderungen unserer modernen Welt mit ihren wechselnden Strukturen"   vorbereiten können.
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Popper übrträgt seine Vorstellung, dass Thesen falsifizierbar formuliert werden müssen auf die Demokratie. Demokratie wird dann zu einem Erkenntnisprozess durch trial and error. 
    
  Nicht die Frage wer regiert ist entscheidend, sondern die Frage, wie man einen Regierenden wieder los wird.
    
    Das impliziert jede Absage an den Versuch, eine "ideell" vorgestellte Gesellschaft planmäßig zu verwirklichen, worunter auch jede als ideell gedachte systemische Lösung fällt. 
    
  Die Vorstellungen Poppers können nur verwirklicht werden, wenn demokratischen Wahlen rationale Entscheidungen zugrunde liegen. 
