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Léon Walras

Biographisches zu Léon Walras findet sich, der Autor glaubt die Quelle bereits mehrfach genannt zu haben, bei Wikipedia. Er sieht von daher wenig Anlass, das dort Geschriebene nochmal abzuschreiben.

Die Lausanner Schule (Léon Walras, Vilfredo Pareto), die Wiener Schule (Carl Menger, Eugen Böhm-Bawerk) und die Cambridge Schule (Alfred Marshall, John Stuart Mill, William Stanley Jevons) werden unter Neoklassik zusammengefasst. Zur Neoklassik kämen dann noch Heinrich Gossen und Antoine-Augustin Cournot (Wenn man davon ausgeht, dass die fallende Nachfragekurve letztlich nur durch den abnehmenden Grenznutzen erklärt werden kann, wobei Cournot aber expressis verbis nicht mit dem abnehmenden Grenznutzen argumentiert.)

Ob das sinnvoll ist, die Subsumierung unterschiedlicher Autoren unter eine Strömung, kann man bezweifeln, siehe Neoklassik. Man kann dies tun, wenn man folgende Annahmen als wesentlich begreift.

- Die Marginalbetrachtung: Sowohl auf der Seite der Produktion wie auch auf der Seite der Konsumtion wird mit einer Marginalbetrachtung argumentiert.

Das heißt zum Beispiel konkret, dass eine größere Menge eines Gutes von den Unternehmen nur abgesetzt werden kann, wenn der Preis sinkt, weil jeder zusätzliche Konsum einen geringeren Nutzen stiftet und folglich weniger dafür bezahlt wird.

(Eine Annahme, die Léon Walras allerdings nicht braucht. Er geht von Tauschmärkten aus, die geräumt werden müssen. In diesem Fall braucht es keine nähere Begründung, warum getauscht wird. Hat der eine 100 Kartoffeln und der andere 50 Karotten, dann ist das Tauschverhältnis 2:1. Da sich die Menge ohnehin nicht anpassen kann, die liegt im reinen Tauschmarkt ja fest und das Gleichgewicht als Markträumung definiert ist, alles wird getauscht, so dass nicht übrig bleibt, können Präferenzen keine Rolle spielen. Präferenzen würden beihnalten, dass die Möglichkeit besteht, dass der Markt nicht geräumt wird, weil selbst eine Preissenkung keinen Einfluss auf die Nachfrage haben könnte. Eine Situation, die Léon Walras durch seine Annahmen ausschließt.)

Das heißt auch, dass Individuen nur bis zu einem gewissen Punkt Güter tauschen, weil irgendwann ein Punkt erreicht wird, bei dem der Nutzenverlust durch die Abgabe größer ist, als der Nutzen, den das via Tausch erhaltende Gut stiftet.

Das heißt auch, dass die Haushalte ihr Einkommen so verwenden, dass sich die Nutzen für die eingetauschten Güter ausgleichen.

Das heißt auch, dass das Angebot der Unternehmen und die Nachfrage aufeinander "zuschießen", weil einerseits die Kosten mit jeder zustätzlichen Einheit steigen (eine Annahme, die wir noch hinterfragen werden) und andererseits die Zahlungsbereitschaft der Haushalte mit zusätzlichem Konsum sinkt.

Das heißt auch, dass Unternehmen, die dasselbe Produkt mit unterschiedlichen Produktionsmitteln produzieren können (Arbeit / Maschinen) solange substituieren, bis die Grenzerträge sich ausgleichen.

Streiten kann man sich allerdings darüber, ob die Marginalbetrachtung der Klassik tatsächlich vollkommen fremd war. Die in Abhängigkeit von der Verwendung unterschiedlichen Erträge von Arbeit und Kapital mit der Tendenz zum Ausgleich war der Klassik durchaus bekannt und wird sowohl von Adam Smith, wie auch von David Ricardo x-Mal erwähnt, siehe optimale Faktorallokation. Vollkommen klar sieht die Klassik auch, dass die Grenzerträge des Faktors Arbeit bei der Bewirtschaftung der Böden sinkt. Völlig unstrittig ist, dass Jean Baptiste Say, siehe Saysches Gesetz, mit Grenznutzen argumentiert. Das sieht man unmittelbar und sehr klar, wenn man sich das entsprechende Kapitel durchliest. Die These, dass die Marginalbetrachtung erst mit der Neoklassik in die Welt kam, beruht schlicht auf der Tatsache, dass die Originalwerke nicht gelesen werden und die Übernahme von Thesen in die akademische Volkswirtschaftslehre eher nach dem Zufallsprinzip erfolgt.

- Die ceteris paribus Klausel findet sich in den Schriften der Neoklassik tatsächlich, in unterschiedlichen Formulierungen, häufig.

Das wissenschaftliche Paradigma ist hierbei die Physik. In der Physik kann es in Experimenten gelingen, alle Parameter, die nicht betrachtet werden sollen, auf einen festen Wert zu stellen, so dass nur noch der Parameter übrigbleibt, der betrachtet werden soll.

Ob dies für die Volkswirtschaftlehre ein besonders pfiffiges Verfahren ist, mag dahingestellt sein.

Zum einen ist festzustellen, dass dies in jeder Wissenschaft, weitgehend unreflektiert und intuitiv gemacht wird. Ein Molekularbiologie wird sich erstmal mit Zellen beschäftigen und so Interaktionen mit dem Gesamtorganismus eliminieren. Dass die so gewonnen Erkenntnisse unter Umständen nicht übertragbar sind, wenn die Zelle sich noch im Organismus befindet, ist hierbei vollkommen klar und wird nicht weiter diskutiert.

Allein in der Volkswirtschaftlehre wird aus der ceteris paribus Klausel eine philosophische Grundsatzdebatte und man kann sich fragen, warum dem so ist.

Offensichtlich besteht ein starkes Gespür dafür, dass die ökonomischen "Gesetze" nur eine sehr geringe Aussagekraft haben, bzw. die Realität nicht beschreiben.

Die ceteris paribus Klausel hat dann einerseits die Funktion, die Theorie gegen die Realität abzuschirmen, denn jeder Einwand kann mit dem Argument entkräftet werden, dass die Realität eben "zu komplex" sei und nur unter restriktiven, modellhaften Annahmen Aussagen gemacht werden können. Schaut man sich die öffentliche Diskussion an, siehe Sinnhaftigkeit der mathematischen Modellierung, wird man kaum bestreiten können, dass ein Tendenz besteht, die Volkswirtschaft gegen die Realität zu immunisieren. Das ganze Geplapper über die vermeintliche Komplexität, die eine Vereinfachung erzwinge, gehört hierzu. Formuliert man die Dinge kurz und knackig, ist Volkswirtschaftslehre, was die Theorie angeht, nicht besonders schwierig. Die Schwierigkeit besteht eher in der Erfassung der Fakten, siehe Volkswirtschaftslehre und Demokratie.

Andererseits gibt sie auch ein Forschungsprogramm vor, bzw. rechtfertigt ein Forschungsprogramm. Debatten der Volkswirtschaftslehre ergeben sich überwiegend aus der Literatur, folgen also einer Eigendynamik, die nicht von der Realität getrieben wird.

Das zweite Problem wiegt noch schwerer. Es ist intuitiv einsichtig, dass das effizienteste Mittel der Informationsgewinnung der Preis ist, wobei der Preis nicht nur die realen Marktverhältnisse und Knappheiten wiederspiegelt, sondern auch einen Anreiz bietet, diese zu beseitigen.

Die Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung zeigt sich in der Informationsverarbeitung durch den Preis. Die Neoklassik versucht mit der ceteris paribus Klausel "Gesetze" zu finden, die quasi unabhängig von Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte sind.

Mit der ceteris paribus Klausel wird genau das Problem eliminiert, dass die marktwirtschaftliche Ordnung am besten löst: Unsicherheit. Dass in einem modernen Lehrbuch der Mikroökonomie kein Unternehmer auftaucht, ist kein Zufall, sondern logische Konsequenz der ceteris paribus Klausel. Geht man von der Annahme aus, dass sich nichts ändert, braucht man auch keinen Unternehmer, weil es eh nichts zu entscheiden gibt.

Das ist ein Wissenschaftsprogramm, das eher marxistisch anmutet, siehe Karl Marx. So ähnlich stand das auch in der Verfassung der DDR.

C'est la loi de l'offre et de la demande qui ordonne tous ces échanges de marchandises, comme c'est la loi de la gravitation universelle qui régit tous les mouve- vements des corps célestes. Ici le système du monde économique apparaît déjà dans son étendue et sa complexité, et peut sembler aussi beau, c'est-à-dire aussi vaste et aussi simple à la fois, que le système du monde astronomique. Es ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage, das jeden Austausch von Waren regelt, ganz so wie das universelle Gesetz der Schwerkraft alle Himmelkörper leitet. Schon hier erscheint die Welt der Wirtschaft in seiner ganzen Ausdehnung und Komplexität und erscheint daher so schön, anders gesagt so weit und zugleich so einfach, wie die Welt der Astronomie.

Léon Walras, Element d' economie politique pur, ou theorie de la richesse sociale, 34 Leçon

Damit ist der Grundfehler der Volkswirtschaftlehre wohl treffend beschrieben, siehe auch Sinnhaftigkeit der mathematischen Modellierung. Die Ähnlichkeit zwischen dem Studienobjekt Weltall und der Ökonomie ergibt sich nur, wenn man die Ökonomie entsprechend modelliert, das heißt von allen kontingenten, spontanen, nicht prognostizierbaren Prozessen wie Bildungsstand, Innovationskraft, Dynamik, Vernetzung etc. etc.., also von allem, was marktwirtschaftliche Ordnungen charakterisiert, abstrahiert.

In diesem Sinne ist er tatsächlich ein Vorläufer des Sozialismus im Sinne von zentral gesteuerten Wirtschaften. Folgt die Wirtschaft astronomischen Gesetzen, dann sind die Marktgleichgewichte so planbar wie die Stellung des Mars am Tag X. Eine zentrale Stelle, sein Auktionator kommt dem ja schon nahe, siehe Tauschmärkte versus dynamische Märkte, plant dann die Gleichgewichte, bzw., das ist dann die Variante Karl Marx, siehe Karl Marx, man wartet einfach, bis sie eintreten. Wo Léon Walras in seinem Nachthimmel den Unternehmer untergebracht hat, ist etwas unklar, gebraucht wird er auf jeden Fall nicht.

Der Unterschied zwischen dem Marxismus und der Neoklassik besteht darin, dass der Marxismus die Realität schlicht ignoriert und für diese Ignorierung nicht mal Gründe angibt.

Die Neoklassik ignoriert sie zwar auch, aber begründet diese Ignorierung mit der ceteris paribus Klausel. Das Ergebnis ist aber letztlich das gleiche.

Das vermeintliche "Gesetz" von Angebot und Nachfrage ist im Übrigen keines. Es ist bestenfalls eine Tendenz, die nur dann eine Bedeutung hat, wenn man die kausalen Zusammenhänge versteht, siehe langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht.


Die Preise steigen mit zunehmender Nachfrage, wenn eine Anpassung über die Menge nicht erfolgen kann, was bei Tauschmärkten, von denen Léon Walras ausgeht, der Fall ist. Allerdings widerspricht seine Fiktion der Markträumung, bei gegebener Menge, seiner These, dass sich Preise aufgrund von Präferenzen bilden. Muss der Markt geräumt werden, kann der Preis auch Null oder sogar negativ sein.

Kann eine Anpassung über die Menge erfolgen, was dann der Fall ist, wenn Waren auch produziert werden können, also der Normalfall, dann können die Preise bei erhöhter Nachfrage auch fallen, was zum Beispiel dann der Fall ist, wenn die Fixkostendegression stärker ist als die Erhöhung der variablen Kosten oder die variablen Kosten bei Ausdehnung der Produktion ebenfalls sinken, was zum Beispiel der Fall ist, wenn im Einkauf Rabatte gewährt werden.

Auf den wissenschaftstheoretischen Ansatz werden wir nochmal zurückkommen. Allerdings betrifft das nicht die Cambridge Version der Neoklassik, insbesondere nicht Alfred Marshall, siehe Alfred Marshall. Alfred Marshall unterscheidet sich in der Methodenvielfalt radikal von Léon Walras. Alfred Marshall sah sich im Übrigen auch nicht veranlasst, sich von den Klassikern, also Adam Smith, abzugrenzen.

- Als weiteres Charakteristikum wird der homo oeconomicus genannt, also der rational handelnde, das heißt nutzenmaximierende und vollkommen informierte Mensch.

Über den homo oeconomicus haben wir uns schon oft unterhalten, siehe unter anderem homo oeconomicus. Ob dieser tatsächlich in der Neoklassik zum ersten Mal das Licht der Welt erblickte, kann man bestreiten.

Es mag richtig sein, dass Vilfredo Pareto zum ersten Mal den Begriff verwendet, aber schon Adam Smith beschreibt Anpassungsprozesse und diese können eben nur durch Informationen ausgelöst werden. Ob diese nun vollständig sind oder nicht, der handelnde Mensch vollständig informiert ist oder nicht, ist letztlich zweitrangig. Bei unvollständiger Information erfolgt eine Annäherung an das Optimum und bei vollständiger Information wird dieses eben erreicht. Am grundlegenden Prinzip ändert das nichts.

Entscheidend für den homo oeconomicus ist, dass er die von den Preisen ausgehenden Knappheitssignale wahrnimmt und sie beseitigt. Damit ist der homo oeconomicus bei Adam Smith bereits umfassend beschrieben. Tiefschürfende philosophische, biologische, ethische etc. Reflexionen, wie dies allerorten geschieht, braucht man hier nicht anzustellen. Innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist dies ein sinnvolles Verhalten. Der homo oeconomicus maximiert seinen Nutzen und damit den der Gesamtgesellschaft. Außerhalb dieser Ordnung kann man dann über die Sinnhaftigkeit des homo oeconomicus, des bedingungslosen Optimierers seines Nutzens, nachdenken.

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Infos und Anmerkungen:

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Das Buch zur Webseite.

Der Begriff Neoklassik ist sinnlos, zwischen Alfred Marshall auf der einen Seite und Vilfredo Pareto / Carl Menger / Léon Walras auf der anderen Seite liegen Welten

Als gemeinsames Charakteristikum aller Autoren der Neoklassik wird die Marginalbetrachtung angesehen. Allerdings beinhaltet schon die Konzeption der "natürlichen" Preise von Adam Smith eine Marginalbetrachtung.

Léon Walras ist der radikalste Vertreter einer Bewegung, für die Naturwissenschaften das Paradigma für das methodische Vorgehen der Wirtschaftswissenschaften ist.

Eine Subsumierung von Autoren wie Alfred Marshall unter Léon Walras unter eine Epoche ist kontraproduktiv.

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