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Vilfredo Pareto

Wir könnten jetzt natürlich wieder darauf hinweisen, dass sich ein Artikel über Vilfredo Pareto bei wikipedia findet, was zweifelsohne zutreffend ist. In diesem konkreten Fall verweisen wir aber auf Vilfredo Pareto, wo sich eine hervorragende Zusammenfassung findet.

Von Vilfredo Pareto hat das sogenannte Pareto-Optimum überlebt, wobei das Konstrukt, das selbiges darstellt, Edgeworth-Box heißt, nach dem irischen Ökonomen Francis Ysidro Edgeworth. Anzumerken ist, dass Pareto selbst nur darauf hinweist, dass er den Begriff Indifferenzkurve von Edgeworth übernommen hat. (Die Edgeworth Box findet sich in § 116 des dritten Kapitels des Manuale di Economi Politica, oder Seite 187 in beiligender pdf.)

Questo nome [Linea d' indifferenza o curva di indifferenza] è dovuto al prof. F. Y. Edgeworth.
Dieser Name [Indifferenzkurver] geht auf Prof. F.Y. Edgeworth zurück.

aus: Vilfredo Pareto, Manuale di Economia Politica, Milano 1906, Seite 165

Die Aussage, dass Vilfredo Pareto den Begriff dann in die Volkswirtschaftlehre eingeführt habe, ist hierbei grenzwertig. Präziser wäre zu sagen, dass aus irgendwelchen Gründen Pareto kanonisiert wurde, bzw. dieses winzige Bruchstück seines Werkes kanonisiert wurde und Edgeworth eben nicht. Wobei man hieraus aber nicht schließen sollte, dass es eine enge Beziehung zwischen Edgeworth und Pareto gab. Edgeworth stand Marshall nahe und Edgeworth und Marshall hielten wenig bis nichts von der Lausanner Schule und insbesondere war den Begründer der mathematischen Ökonomie, nämlich Edgeworth und Marshall, die Methodik der Lausanner Schule, also insbesondere die unreflektierte Anwendung der Methoden der Physik, Astronomie, Mechanik auf ökonomische Probleme, äußerst suspekt.

Seine Schrift Manuale di Economia Politica, die man nicht mit der sechs Jahre früher erschienen Schrift COURS D'ÉCONOMIE POLITIQUE verwechseln sollte, hat jetzt noch einen interessanten Untertitel, nämlich "con una introduzione alla scienza sociale", "mit einer Einführung in die Soziologie". Diese Einführung ist sozugsagen das Präludium zum Tratato di Sociologia Generale von 1916. Das heißt den Pfaden von Léon Walras, dessen Nachfolger an der Universität Lausanne er war, ist er nicht allzu lang gefolgt. Methodisch folgt er ihm zwar auch noch im Manuale di Economia Politica, das heißt er macht auch da noch économie pure, also reine und sinnfreie Ökonomie, aber inhaltlich weicht er ab. Das walrasianische Gleichgewichtsgedöns ersetzt er durch ein anderes Gleichgewichtsdöns, das Pareto Gedöns eben.

Im COURS D'ÉCONOMIE POLITIQUE hält er sich aber noch weitgehend an Walras, dem er auch ewige Blutsbrüderschaft, die er allerdings später aufkündigte, geschworen hatte. Positiv ist zu Vilfredo Pareto also zu sagen, dass für ihn, auch wenn er das nur widerwillig zugibt, die économie pure so was ähnliches ist wie ein Topf, in dem nur Wasser köchelt. Negativ ist zu bemerken, dass er in seinem Tratato di Sociologia Generale endgültig ausrastet. Richtig Fans konnte er damit nur bei Mussolini et alter gewinnen.

Warum er nun zum bereits reichhaltigen Angebot an Definitionen und Darstellungen gleichgewichtiger Zustände noch eine weitere hinzufügt, verrät er uns nicht. Wir erfahren alles mögliche, aber nichts, was uns eigentlich interessiert, obwohl "uns" in diesem Falle relativ ist, denn auch die dozierende Ökokaste, die diesen Müll nun seit 1906 jedes Semester auf's neue vorträgt, scheint sich für diese Frage nicht zu interessieren. Irgendwie scheint die Sinnfrage in der Ökonomie so sinnlos zu sein wie im Existenzialismus bei Jean Paul Sartre und Albert Camus.

L'equilibrio economico. - Si può definire in vari modi che in sostanza tornano allo stesso. Si può dire che l'equilibro economico è quello stato il quale si manterrebe indefinitamente, ove non fosse alterato da qualche mutamento delle condizioni in cui si osserva. Se, per ora, consideriamo solo l'equilibro stabile, potremo dire che è determinato in modo che, ove venga lievemente alterato, tende subito a ricostituirsi, a tornare alla stato di prima. Le due definizione sono equivalenti. Das ökonomische Gleichgewicht. - Dieses kann auf unterschiedliche Weise beschrieben werden, die aber alle im Grunde auf das Gleiche hinauslaufen. Man kann sagen, dass das ökonomische Gleichgewicht jener Zustand ist, der unendlich lange bestünde, wenn er nicht durch eine Veränderung der Bedingungen, die auf ihn einwirken, verändert würde. Wenn wir nun aber nur auf die Stabilität des Gleichgewichts abstellen, können wir sagen, dass es immer dann stabil ist, wenn es, nachdem es nur leicht verändert wurde, dazu neigt, sich wieder einzustellen und in den vorherigen Zustand zurückzukehren. Beide Definitionen sind gleichwertig.

Vilfredo Pareto, Manuale di Economia Politica, Milano 1906, Seite 150

Das ist zwar simpel, aber trotzdem falsch. Eine Wirtschaft, die, einmal aus dem Gleichgewicht gebracht, lediglich zu ihrem ursprünglichen Gleichgewicht zurückkehren würde, wäre eine äußerst deprimierende Angelegenheit. Wir hätten schon ganz gerne, dass sich das Gleichgewicht dann auf höherem Niveau einspielt und wir hätten sogar gerne, dass es viele Kräfte gibt, die aus dem Gleichgewicht hinaustreiben. Wollen wir lediglich einen gleichgewichtigen Zustand erreichen, möglichst immer den gleichen, dann schaffen wir die Marktwirtschaft am besten ab, den ein solche ewiges Gleichgewicht erreichen wir auch in einer Planwirtschaft. Es ist sogar in einer Planwirtschaft mühelos erreichbar. Man setzt einfach die Preise und die Mengen fest und schwups verändert sich nichts mehr.

Die Definition ist also Schwachsinn. Definieren könnte man Gleichgewichte so, das würde dann für das Gleichgewicht von Léon Walras, Vilfredo Paerecto und Alfred Marshall gelten. Gleichgewicht ist der Zustand, der bei dem gegebenen technologischen Stand und know how, gegebenen Präferenzen unter vollkommenem Wettbewerb die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt maximiert, da in diesem Fall die Ressourcen optimal alloziert sind.

Da der Schwachsinn mit seinem Gleichgewicht nun aber mal in die Welt gekommen ist, stellt sich die Frage, zu was man sein spezielles Gleichgewicht braucht. Um sein spezielles Gleichgewicht zu erklären braucht er über 100 Seiten, im Grunde kapieren es aber auch klein Anna und klein Thommy im Kindergarten, bzw. sie kapieren es nicht nur, sie machen es auch ganz praktisch.

Klein Anna hat eine Tüte Gummibären und klein Thommy eine Tüte Marshmallows. Es ist nun klar, dass eine Mischung günstiger ist, wäre dem nicht so, gäbe es die Haribo Mischungen nicht. Klein Anna und klein Thommy werden also tauschen, wobei klein Anna, wenn es die Mischung Gummibärchen / Marshmallows nicht gibt Gummibärchen nimmt und klein Thommy eben Marshmallows. Attraktiv für beide ist also der Tausch Gummibärchen gegen Marshmallows. In welchem Verhältnis aber tatsächlich getauscht wird, hängt von den Präferenzen von klein Thommy und klein Anna ab. Klein Anna wird nur dann Gummibärchen hergeben, wenn der Nutzenzuwachs durch zusätzliche Marshmallows den Nutzenverlust durch die Abgabe von Gummibärchen übersteigt und klein Thommy wird nur Marshmallows abgeben, wenn der Nutzenzuwachs der empfangenen Gummibärchen den Nutzenverlust der abgegebenen Marschmallows übersteigt. Wenn sie nicht mehr tauschen, ist der Zustand "pareto-optimal", das heißt, sie können ihre Situation durch einen Tausch nicht mehr verbessern. Die Grundidee ist also relativ simpel.

Zu bedenken ist, dass das Pareto Optimum, bzw. die Darstellung desselben mittels der Edgeworth Box, im Gegensatz zum Haushaltsoptimum (höchste erreichbare Indifferenzkurve bei gegebenen Budget) keine Preise braucht (die man ja braucht, um die Budgetgerade des Haushaltes zu ermitteln), da lediglich Güter getauscht werden.

Wir wissen also nicht, welchen Nutzenzuwachs klein Thommy und klein Anna durch den Tausch jeweils erhalten, dieser muss nicht gleich sein, aber wir wissen, welchen Nutzenzuwachs sie durch die Substitution von Marshmallow durch Gummibärchen und Gummibärchen durch Marshmallows jeweils erhalten. Wir können also die Marshmallow / Gummibärchen Subtitionsrate ermitteln.

Anders formuliert: Wir erhalten jeweils für klein Thommy und klein Anna eine Marshmallow / Gummibärchen Substitutionsrate, die Ausdruch der jeweiligen Präferenzstruktur ist. Das nennt sich dann ordinale Nutzenmessung, da der Nutzen nicht kardinal gemessen wird.

Das Pareto Optimum beschreibt also tatsächlich ein Gleichgewicht. Könnten sich klein Anna und klein Thommy durch einen Tausch noch verbessern, würden sie es tun. Über die Verteilung sagt das Pareto Optimum nichts aus. Hat klein Anna am Anfang zehn Tüten Gummibärchen und klein Thomas nur 2 Tüten Marshmallows, wird es immer noch ein Pareto Optimum geben, allerdings wird klein Anna wesentlich mehr haben, als klein Thommy. Gleichermaßen sagt das Pareto Optimum nichts darüber aus, welche Nutzensteigerung klein Thommy und klein Anna durch den Tausch jeweils erfahren. Die jeweiligen Nutzenzwächse können nicht miteinander verglichen werden. Gemessen wird lediglich die jeweilige Präferenz von Haribo für Marshmallows.

Das Pareto Optimum beschreibt also einen Zustand, bei dem der Tausch allein durch den Nutzen (wobei Pareto hier nochmal differenziert utilité = Nutzen im engeren Sinn, also etwas, das tatsächlich nützt, im Gegensatz zu ofelimità = was jemand will, was aber nicht unbedingt nützlich sein muss. Drogen sind nicht nützlich, aber manche Leute wollen das unbedingt) bestimmt ist und ungehindert möglich ist.

Verbietet der Staat zum Beispiel den Handel mit bestimmten Gütern, etwa Drogen, kann der pareto optimale Zustand natürlich nicht erreicht werden. Des weiteren wird der pareto-optimale Zustand natürlich auch dann nicht erreicht, wenn klein Erna vier ist und klein Thommy erst drei. Dann nimmt sich klein Erna einfach die Tüte Gummibärchen und tauscht gar nicht. Das Pareto Optimum geht also des weiteren auch davon aus, dass außer ofelimità, die ja die Gummbärchen / Marshmallows Substitutionsrate bestimmt, keine andere Faktoren eine Rolle spielen.

Wir haben nun also drei verschiedene Beschreibungen des Marktgleichgewichts: Das Modell von Alfred Marschall, das Modell von Léon Walras und das Modell von Vilfredo Pareto. Das Modell von Léon Walras können wir komplett in die Tonne treten, siehe Tauschmarkt versus dynamischer Markt, es kann zur Analyse irgendwelcher Probleme nicht verwandt werden und spielt eigentlich nur insofern eine Rolle, als es durch alle Lehrbücher der Mikroökonomie geistert. Es zeigt uns lediglich, mit gigantischem Aufwand, was wir ohnehin wissen. Im Gleichgewicht ist der Grenznutzen / Grenzertrag des Geldes in allen Verwendungen gleich. Wäre dem nicht so, würde es ja in eine andere Verwendung fließen, bis sich die Gleichheit einstellt. Das wissen wir aber schon seit Adam Smith, siehe natürlicher Preis / Marktpreis.

Die Aussagekraft des Pareto Optimums ist ebenfalls sehr bescheiden. Zum einen beschreibt es, wie das walrasianische Gleichgewicht, einen reinen Tauchmarkt. Zur Problematik Tauschmärkte siehe Langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht. Die Produktion von Gütern wird zwar ebenfalls, mit einer analogen Logik wie der Tauschmarkt, analysiert, jedoch isoliert.

Wurden bei der Analyse des Tauschmarktes Isonutzenkurven verwendet, also Linien, die alle Kombinationen aus zwei Waren liefern, die gleichen Nutzen stiften, so werden bei der Analyse der Produktion Isoquantenkurven eingesetzt, also Linien, die alle Kombinationen aus (zwei) Produktionsfaktoren darstellen, mit denen der gleiche Ertrag erwirtschaftet werden kann.

Wir haben also zur Beschreibung gleichgewichtiger Märkte vier verschiedene Varianten.

a) Die Variante von Adam Smith, die lediglich von der unsichtbaren Hand des Marktes spricht, aber nicht weiter erklärt, was es damit auf sich hat. Tatsache ist aber, dass die unsichtbare Hand von Adam Smith jeder verstanden hat, andernfalls wäre der Ausdruck nicht so berühmt geworden, und es sich auch tatsächlich um einen höchst trivialen Zusammenhang handelt, den man ohne weiteres versteht. Steigt der Preis für Öl dann ist das ein Knappheitssignal, an das sich die Wirtschaft an Tausend verschiedenen Stellen anpassen wird. Der Benzinpreis wird steigen, das heißt, man wird Autos bauen, die weniger Kraftstoff brauchen, man wird Kraftstoff aus Getreide gewinnen, man wird andere Antriebsaggregate entwickeln, man wird in die Wärmedämmung von Häusern investieren, man wird versuchen Plastik durch andere Kunststoffe zu ersetzen und, und, und. Die Preise sind ein Knappheitsignal und auf die Knappheitsignale wird reagiert. Das passiert so lange, bis wieder ein Gleichgewicht erreicht ist. Irgendwann wäre z.B. der Erlös den man mit Mais als Nahrungsmittel erzielen kann so hoch, wie der Erlös, den man mit Mais als Kraftstoff erzielen kann, so dass eine weitere Umstrukturierung unterbleibt. (Wir sehen jetzt mal von allen ethischen Problemen ab.)

b) Wir haben das Modell von Alfred Marshall mit der Angebots- und Nachfragekurve. Mit diesem kann man bestimmte Dinge, Mindestpreise, Höchstpreise, Änderung von Präferenzen, Änderungen in der Produktionsstruktur, Unterschied Monopolpreis / Polypolpreis, Wirkungen von Zöllen und Steuern etc. etc.. ganz anschaulich zeigen. Es hat also, in den Grenzen, die Alfred Marshall selbst schildert, siehe Langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht, einen Nutzwert. Von allen Modellen ist es auch das einzige, das den einzig relevanten Markt beschreibt, also das Aufeinandertreffen von Herstellern und Käufern. Der reine Tauschmarkt, wo es also keine Mengenanpassung geben kann, ist irrelevant. Das gibt es vereinzelt, Gründstücke, Börsen für Finanzanlagen, Metalle, Perlen etc.. spielt aber gesamtwirtschaftlich keine Rolle. Allerdings geht Alfred Marshall von einer kardinalen Nutzenmessung aus. Soll heißen: Weil ein Millionär 0,50 Euro für eine Banane ausgibt und ein bolivianischer Landarbeiter ebenfalls 0,50 Euro soll der Nutzen der Banane für beide der gleiche sein, schließlich haben sie ja gleich viel dafür bezahlt. Dass das nicht richtig ist, ist klar und wird von Alfred Marshall natürlich auch ausführlich diskutiert. 0,50 Euro hat für einen Millionär keine Bedeutung, der Grenznutzen des Geldes ist niedriger, aber eine enorme Bedeutung für den bolivianischen Landarbeiter. Geld drückt also keinen Nutzen aus. Die Problematik ist Marshall voll bewusst. Sein Argument: Bezogen auf eine große Bevölkerung gleicht sich das aus. Des weiteren stimmt es, wenn man Leute mit gleichen Lebensverhältnissen hat. Bei Alfred Marshall haben wir dann eine sehr präzise Diskussion über den Verlauf der Nachfrage und Angebotskurven. Er unterscheidet zwischen langfristig und kurzfristig. Sehr kurzfristig haben wir einen reinen Tauschmarkt. Die Menge liegt fest, die Anpassung kann nur über den Preis erfolgen. Etwas längerfristig kann die Menge ausgedehnt werden, es wird also produziert, allerdings bei gegebener Produktiosstruktur. Produzentenrenten sind plausibel, weil die verschiedenen Anbieter unterschiedlich effizient sind, siehe auch David Ricardo, der den Fall anhand des Bodens illustriert. Es kommt aber zu einer Preis und Mengenanpassung, zumindest ist das denkbar. Langfristig allerdings dominiert die Kostenseite. Steigt der Preis bei einer Zunahme an, weil auch ineffizientere Anbieter in den Markt eintreten müssen bzw. die Produktion unter suboptimalen Bedingungen stattfindet, so werden sie langfristig wieder fallen, weil der Produktionsapparat sich anpasst. Alfred Marshall beschreibt also das, was tatsächlich passiert.

c) Den Schwachsinn von Léon Walras. Bei Léon Walras haben wir einen reinen Tauschmarkt, die Markträumung erfolgt allein über den PREIS. Das Marktgleichgewicht wird über einen dubiosen Auktionator herbeigeführt, dessen Existenz Léon Walras an Börsen vermutet, wo er aber tatsächlich nicht vorhanden ist. Die Produktionsseite ist in seinem Modell zwar präsent, allerdings liegen die Preise der Produktionsfaktoren fest, bei den Produktionsfaktoren kommte es zu einer Anpassung über die MENGE, siehe Tauschmarkt versus dynamischer Markt. Er suggeriert also unterschiedliche Anpassungsprozesse. Tatsächlich erfolgt, im Wettbewerb, die Anpassung an das Marktgleichgewicht immer über eine Mengen UND eine Preisanpassung. (Die sehr kurzfristige Sicht oder eine andere Situation, bei der keine Mengenanpassung erfolgen kann, sind irrelevant.)

d) Das Modell von Pareto beschreibt wieder einen reinen Tauschmarkt. Was das Modell zeigen will, wissen wir schon seit Adam Smith. Er selbst ist der Meinung, dass er den Begriff der "unsichtbaren Hand" des Marktes erklärt habe. Das Problem ist, dass es hier nichts zu erklären gab. Dass der individuelle Nutzen dann am höchsten ist, wenn jedes Individuum unbehindert von allen Restriktionen tauschen kann, hätten wir uns auch so gedacht und wir hätten uns sogar noch gedacht, dass das nur in der reinen Theorie stimmt. Vilfredo Pareto arbeitet mit einem ordinalen Nutzenkonzept, es findet also kein interpersoneller Vergleich von Nutzen statt. Sind zwei Leute im Besitz zweier Güter, Äpfel und Bananen, werden sie solange tauschen, bis sie sich durch einen Tausch nicht mehr verbessern können. Wie sie allerdings tauschen, hängt von ihren persönlichen Präferenzen ab. Möglich sind 3 Äpfel gegen eine Banane, wenn der ein hohe Präferenz für Banane besteht, oder eben umgekehrt oder wie auch immer. Problem: Empirisch lässt sich damit nichts anfangen.

Dass Leute nur tauschen, wenn beide sich besser stellen, und dass sie solange tauschen, wie sie sich noch besser stellen, ist eine bahnbrechende Erkenntnis, diesen Quark muss man mindestens zehn Millionen Mal in alle möglich Lehrbücher schreiben. Die Erkenntnis ist so trivial, dass sie sogar verstanden wird, obwohl sie praktisch Null Relevanz hat, das heißt, ohne dass jemand die beschriebene Situation jemals erlebt hat.

Die Tatsache aber, dass wir nicht mal den Tauschmarkt, zumal ohne Geld, jemals real erlebt haben, behindert den Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung aber kaum. Sporadisch tauschen manche Leute ja tatsächlich irgendwas, zum Beispiel EINEN überflüssigen Monitor gegen EIN DVD Laufwerk. Bei Pareto haben sie aber ein Fass Wein im Keller und tauschen Wein sukzessive gegen Brot. Die Logik verstehen wir zwar ohne weiteres, weil es grauenhaft banal ist, doch die Relevanz des Modells für die real existierende Wirklichkeit ist de facto Null. Und wenn schon der Erkenntniswert des Pareto Optimums dicht bei Null lag, dann wird er mit der Kontraktkurve nicht ergiebiger. Dass sich bei unterschiedlicher Grundausstattung jeweils unterschiedliche Pareto Optima ergeben, interessiert im Grunde keine Sau. Sowenig wie auch das Wohlfahrtsökonomie Gedöns, das auf den Vorstellungen Paretos basiert, irgendjemanden interessiert. Wir wollen nicht wissen, wie man eine Torte so auf verschiedene Leute aufteilt, dass die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt maximiert ist. Wir wollen wissen, wie man größere Torten backt.

Auch die Idee, den Preis, und damit das Geld, aus seinem Modell zu eliminieren ist keine pfiffige Idee.

Similmente, il concetto del prezzo non è essenziale, e se ne può, sebbene più difficilmente, fare a meno. Ciò è posto assai meglio in luce qui che nel Cours. Desgleichen ist auch der Preis nicht entscheidend und man kann, auch wenn dies schwieriger ist, darauf verzichten. Das wird hier (also im Manuale di Economia) schärfer herausgearbeitet als im Cours (COURS D'ÉCONOMIE POLITIQUE).

aus: Vilfredo Pareto, Manuale di Economia Politica, Milano 1906, Proemio VI

Auf die Idee, das man von einer monetären Bewertung, Preis, abstrahieren kann, kann man nur kommen, wenn man die Volkswirtschaftlehre auf die Analyse von Tauschhandlungen reduziert. Tatsächlich spielt Geld, wie wir später, siehe Joseph Schumpeter, John Maynard Keynes, noch sehen werden, eine ganz erhebliche Rolle und ist alles andere als ein Schleier.

Begründet wird die Abstraktion von Preisen mit der ordinalen Nutzenmessung. Eine Messung über den Preis ist in der Tat mit einer ordinalen Nutzenmessung nicht vereinbar, denn der im Preis ausgedrückte Nutzen hängt vom Einkommen ab. Je höher das Einkommen, desto geringer ist der Nutzenverlust, wenn ein Preis bezahlt werden muss. In seinem Modell wird in der Tat der Nutzen nicht interindividuell verglichen. Entscheidend ist die Substitutionsrate zweier Güter, die jeweils unterschiedlich sein können, weil der Nutzen eines Gutes individuell verschieden ist.

Allerdings verkennt er damit auch die Bedeutung des Geldmarktes an sich. Er bekräftigt die Geldschleiertheorie und diese ist nun mal völlig verkehrt, aber völlig und total verkehrt.

Klein Thomas kann durch den Tausch eines Marshmallows gegen drei Gummibärchen einen Nutzenzuwachs von 5 Einheiten haben und klein Anna nur von zwei. Da sich aber beide besser stellen, werden sie tauschen.

Dieser Vorteil der ordinalen Nutzenmessung ist praktisch irrelevant, es ist ein weiterer Schritt, in die Parallelwelt. In der Parallelwelt kann man verweilen, wenn man wie Pareto von seinem Onkel ein Vermögen geerbt hat und sich mit der Züchtung von Angora Katzen und dem Sammeln von Weinflaschen und Likören beschäftigen kann oder als dozierende Ökokaste vom Steuerzahler alimentiert wird. Die Masse der Menschheit lebt aber von und in der real existierenden Wirklichkeit.

Daraus ergibt sich dann, dass man c) (Léon Walras) und d) (Vilfredo Pareto) komplett aus dem Lehrprogramm streichen und sich intensiver mit Alfred Marshall beschäftigen kann und / oder die gewonnen Zeit für Sinnvolleres verwendet. Informatik, SAP, Journalistik, Psychologie whatever.


Auf der Suche nach "allgemeinen" Gesetzen sind alle Ökonomen. Das ist soweit auch intuitiv nachvollziehbar und dagegen ist, wenn man das "Große und Ganze" im Blick behält, auch nichts einzuwenden.

Die Suche nach den "allgemeinen" Gesetzen birgt aber die Gefahr, dass man sich auf Trivialitäten beschränkt, denn Trivialitäten sind immer gültig. Zwei fiktive Kenyaner, zwei fiktive Eskimos und zwei fiktive Engländer werden, sollten sie tatsächlich mal Waren direkt austauschen, sich wohl tendenziell so verhalten, wie Pareto es beschrieben hat (die Betonung liegt auf tendenziell, denn so genau ist niemand in der Lage auch nur die Substitutionsrate zwischen Reis und Spaghetti anzugeben.)

Solche "allgemeinen Gesetze" können dann eben oft auch quantitativ, anhand fiktiver Beispiele, beschrieben werden. In dem Umfange aber, in dem sich eine Wissenschaft mit individuellen Zusammenhängen befasst, werden eben keine Gesetze mehr gesucht. Dann geht es darum, ein konkretes Phänomen in seiner Individualität zu beschreiben.

Die Literaturwissenschaft hätte wenig Probleme, allgemeine Gesetze zu finden und diese auch mathematisch zu modulieren: "Alle Schriftsteller können schreiben", "Ein Roman ist das, was sich zwischen zwei Buchdeckeln befindet" (wobei hier natürlich die ceteris paribus Klausel zu beachten ist, bei e-books stimmt es nicht mehr), "Romane können mit den Augen und mit den Ohren aufgenomen werden, nicht aber mit der Nase".

All das sind Gesetze und sie sind immer richtig. Bedauerlicherweise bringt das gar nichts. Die Fokusierung auf rein quantitative Aussagen wird immer dann zum Problem, wenn nach qualitativen Antworten gesucht wird.

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Infos und Anmerkungen:

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Das Buch zur Webseite.

Originalwerk:
Manuale di economia
politica

Manuale di economia

Vier verschiedene Bestimmungen des Marktgleichgewichts

a) Der Begriff "natürlicher" Preis von Adam Smith impliziert schon ein allgemeines Marktgleich-gewicht und eine optimale Faktorallokation. Des weiteren beinhaltet die Vorstellung eines "natürlichen" Preises schon eine Marginalbetrachtung.

b) Das Modell von Alfred Marshall ist etwas präziser, insbesondere wird die Nachfrageseite durch das Konzept des Grenznutzens präziser erfasst. Konzepte wie Konsumentenrente, Produzentenrente, Elastizität etc. erlauben tiefergehende Analysen. Allerdings beschreibt Alfred Marshall ein partielles Gleichgewicht.

c) Léon Walras stellt auf reine Tauschmärkte ab und ist damit irrelevant. Er beschreibt zwar ein allgemeines Gleichgewicht, allerdings kann die Anpassung nur über den Preis erfolgen.

d) Vilfredo Pareto stellt ebenfalls auf reine Tauschmärkte ab und ist deshalb genauso irrelevant. Der Vorteil der ordinalen Nutzenmessung ist keiner, weil mit diesem Konzept keinerlei tiefergehende Analysen möglich sind.

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