Die Klassik allgemein und Adam Smith im Besonderen ist vor allem eine Auseinandersetzung
mit dem Merkantilismus. Adam Smith behandelt das Thema im dritten Buch und
achten Kapitel von Wealth of Nations.
Der Merkantilismus ist ein derart skurriles Gedankengebäude, dass sich eine ernsthafte Diskussion darüber kaum lohnt. In seiner ursprünglichen Version geht er davon aus, dass der Wohlstand eines Landes durch Gold und Silber definiert ist.
Zwar beschäftigt sich auch Keynes im 23 Kapitel der General Theory of Employement, Interest and Money mit dem Merkantilismus, in wohlwollender Art und Weise, aber die Argumentation ist somehow sophisticated. Für Keynes erkannten die Merkantilisten, dass es Vorteile bringt die Geldmenge zu erhöhen und den Zins zu drücken. Er interpretiert den Merkantilisten also sozusagen aus der Sicht seiner eigenen Theorie.
Da Gold und Silber lange Zahlungsmittel war, ist es in dieser Gedankenwelt sinnvoll, mehr zu exportieren als zu importieren, da der Export in diesem Fall, da die anderen Länder ja nicht mit Waren bezahlen, die dem Wert des Exports entsprechen, nur noch mit Gold oder Silber bezahlen können. Funktionieren kann das natürlich nur, wenn Gold und Silber ein international anerkanntes Zahlungsmittel ist. Bei nationalen Währungen funktioniert es nicht, weil die Fremdwährung an Wert verliert, wenn dieses Leistungsbilanzdefizite aufbaut.
Hübsch ist die Theorie des Merkantilismus insofern, als sie ein Phänomen illustriert, dass wir oft sehen. Menschen lösen sich sehr schwer von ihrer individuellen Erfahrung. Das heißt im Bereich der Volkswirtschaftslehre, dass sie Erfahrungen eines Personenhaushaltes auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Wir sehen das ja sehr schön auch beim Sparen, wie bereits x Mal beschrieben. Ein Verhalten, das einzelwirtschaftlich sinnvoll ist, kann gesamtwirtschaftlich sinnlos sein. Individuell kann der einzelne meinen, dass sich mit sparen der Konsum in der Zukunft sichern lässt. Tun das aber in einer unterbeschäftigten Wirtschaft alle, dann bricht die Wirtschaft zusammen.
Ähnlich verhält es sich mit dem Merkantilismus. Für den einzelnen Haushalt ist es sinnvoll, mehr zu liefern, als auszugeben, also gegenüber anderen Haushalten eine "positive Leistungsbilanz" zu haben. Für die Gesamtwirtschaft ist das völlig sinnlos. Trotzdem ist alljährlich die deutsche Bevölkerung tief entzückt, wenn Deutschland mal wieder Exportweltmeister geworden ist, das heißt, wenn es Deutschland mal wieder geschafft hat, dass die anderen Länder sich verschulden.
Hier allerdings erkennt die Klassik, im Gegensatz zur Spartheorie, den Fehler. Am eindeutigsten dann Jean Baptiste Say. Hilfreich war hier die Geldschleiertheorie, die zwar falsch ist, wie wir bei Keynes noch sehen werden, hier aber zu richtigen Ergebnissen führt. Wenn nur Waren einen Wert haben, dann ist es auch nicht sinnreich, Waren gegen Geld zu tauschen. Waren kann man nur gegen Waren tauschen, Geld ist nur das Vehikel, das den Tausch ermöglicht.
Wir kommen später, beim Sayschen Gesetz, darauf zurück. Say stellt zutreffend fest, dass im Endeffekt immer nur Waren gegen Waren getauscht werden. Man kann also nur etwas verkaufen, wenn die anderen ebenfalls etwas zu verkaufen haben, auch wenn die "Ureferahrung" lehrt, dass der Besitz eines Zahlungsmittels ausreicht, um etwas zu kaufen. Tatsächlich wird aber im Merkantilismus ein sinnloses Gut angehäuft.
Von solchen "Urerfahrungen" lösen sich Menschen nur sehr schwer. Das ist ein allgemeines Problem. Eine eher philosphische Sicht, siehe Das Prinzip Hoffnung, könnte hier hilfreich sein.
Der Merkantilismus will den Zufluss an Geld (Gold und Silber) maximieren. Das Gold und das Silber legen sie sich dann anstatt der Salami, die sie exportiert haben, auf' s Brot und mit dem Silber kochen sie einen Eintopf. Dem Merkantilismus liegt also die Erfahrung eines Hauhaltes zugrunde. Dieser ist tatsächlich reicher, wenn er Gold und Silber anhäuft, wobei er naheliegenderweise auch mal vorhaben muss, die Knete auszugeben.
Wenn nicht, kann er sie noch vererben, dann verjuxen die Kiddies das ganze Gold. Wer aber nie vorhat, Geld auszugeben, der braucht auch keines anzusparen. Schick ist unter Umständen noch, in Saus und Braus zu leben und sich trotzdem noch die Kutsche zu vergolden, was aber nur Spaß macht, wenn Nachbars Kutsche unvergoldet bleibt.
Denkt man das Modell zu Ende, wäre, in dieser Gedankenwelt, der Wohlstand am höchsten, wenn die inländische Bevölkerung auf dem Niveau des physischen Existenzminimums verharrt und alles exportiert. Das ist, so absurd es eigentlich ist, die Politik Chinas. Die Fokusierung auf den Export hat zu 3 Billionen Dollar Devisenreserven geführt. Das Problem Chinas in den nächsten Jahren wird in der Umstrukturierung der Wirtschaft bestehen. Weg vom Export und hin zu inländischem Konsum. Im Hinblick auf die drei Billionen Dollar Devisenreserven können sie nicht viel machen. Sie können sie a) dazu verwenden, den Kamin anzuzünden. Sie können b) im Ausland einkaufen, was sie aber offensichtlich nicht wollen. Sie können c) im Ausland investieren, was sie aber offensichtlich auch nicht wollen.
Was für den freien Warenverkehr spricht, ist hingegen sehr leicht einzusehen. Lassen wir unsere Schuhe in Nicaragua fertigen, die Hosen in Bangladesh und die Kühlschränke in China und gelangen diese unverzollt ins Land, dann steigt das Konsumniveau natürlich sofort ganz drastisch an, wobei uns die Konsumlaune wahrscheinlich ziemlich schnell vergehen würde, wenn wir wüßten, unter welchen Bedingungen diese Waren hergestellt werden, weswegen wir das ja auch gar nicht so genau wissen wollen und niemand ein echtes Interesse daran hat, es uns zu erzählen.
Es ist relativ schwierig, den genauen Nutzen zu berechnen, den ein Land
aus dem internationalen Handel zieht. Eine Möglichkeit wäre, alle Waren,
die aus dem Ausland bezogen werden, mit inländischen Preisen zu bewerten
und davon dann die tatsächlichen gezahlten Preise wieder abzuziehen. Die
Differenz ergäbe dann das durch den Handel realisierte Mehr an Einkommen.
Zu dieser Summe wäre dann noch die Differenz der exportierten Waren, gewichtet
mit dem inländischen Preis (der niedriger ist, als der ausländische, denn
andernfalls wäre ja gar nicht exportiert worden) und die im Export realisierten
Preise dazuzuaddieren. Vereinfacht: Am internationalen Handel verdient man zweimal. Einmal, weil man Waren billiger aus dem Ausland importieren kann, als man sie im Inland herstellen kann und zu anderen, weil man im Ausland Waren zu einem höheren Preis als im Inland absetzen kann.
Dieser Wert muss immer positiv sein. Könnte eine Ware im Inland billiger hergestellt werden als im Ausland, würde man kaum importieren und würde eine Ware im Ausland einen geringeren Erlös erbringen, als im Inland, würde man kaum exportieren. Bedauerlicherweise lässt sich das nicht berechnen, denn der inländische Preis von Importgütern ist entweder definitiv fiktiv (Orangen, Bananen in der BRD) oder ziemlich fiktiv, weil die Ware ja nicht im Inland produziert wird. Die Preise wären also fiktiv. Mutatis mutandis für den Export.
Trotzdem kann natürlich die Leistungsbilanz negativ sein, wenn die Summe der Waren, die importiert werden, sei es weil sie im Inland gar nicht produziert werden, sei es weil sie im Ausland billiger produziert werden, den Export übersteigt. Übersteigt das Handelsvolumen dieser Waren das Handelsvolumen des Exports, ist die Leistungsbilanz negativ.
Eine weitere Möglichkeit den Nutzen zu messen, den ein Land aus dem Handel zieht, sind die terms of trades. Terms of trades messen das reale, also nicht nominale, Austauschverhältnis zwischen dem exportierten Warenkorb und dem importierten Warenkorb. Vergleicht man diese Warenkörbe in mehreren, aufeinanderfolgenden Jahren, dann zeigt die Veränderung, ob sich die Position des einen Landes im Vergleich zu einem anderen Land verbessert oder verschlechtert hat, wenn beide Warenkörbe mit den Preisen des Landes gewichtet werden, dessen terms of trades man berechnen will.
Stellt man z.B. im Jahre 1985 fest, dass der Quotient aus (SUMME EXPORT
ALLER WAREN zu DEUTSCHEN PREISEN im JEWEILIGEN JAHR) / (IMPORT ALLER WAREN
zu DEUTSCHEN Preisen IM JEWEILIGEN JAHR) 1,1 ist und stellt dann in den
folgenden Jahren, unter Zugrundelegung des gleichen Warenkorbs, fest, dass
sich dieser auf 1,3 geändert hat, dann hat sich die Position Deutschlands
offensichtlich verbessert, denn um den alten Quotienten (1,1) zu erreichen,
hätte Deutschland ja mengenmäßig weniger exportieren müssen. Vereinfacht
ausgedrückt: Wenn ein Land 1985 hundert Kilo Bananen liefern muss, um
einen Computer zu kaufen, im Jahr darauf aber hundertzwanzig Kilo Bananen,
dann hat sich seine Position offensichtlich verschlechtert, denn es muss
jetzt eine größere Menge liefern, um die gleiche Menge zu erhalten.
Wie sich ein Zoll schlussendlich auswirkt, hängt von dem Gut ab. Kann ein
Land zum Beispiel den Zoll komplett umgehen, weil es seine Waren auch in Länder liefern
kann, die einen solchen Zoll nicht erheben, sind die Auswirkungen eines
Zolls natürlich null.
Das Land, das den Zoll erhebt, wird die Ware schlicht nicht mehr bekommen. Handelt es sich zum Beispiel um seltene Erden (Lanthan, Europium, Neodym), diese braucht man um Handys herzustellen und sind Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen China und dem Rest der Welt, weil China die nicht verkaufen will, dann ist ein Zoll auf diese Waren, wie er tatsächlich existiert (Seltene Erden), natürlich äußerst skurril. Man kann China nur schlecht vorwerfen, seine seltenen Erden zu bunkern, wenn man dann noch via Zoll abkassieren will.
Das andere Extrem ist eine Situation, bei der ein Exportland unabhängig vom Preis jede Menge liefert. In diesem Fall ist es gezwungen, jeden Zoll zu "schlucken", das heißt die Last trägt nicht der Endverbraucher / Weiterverarbeiter des importierenden Landes, sondern der Exporteur.
Zwischen diesen beiden Extremen, der Zoll führt zur schlichten Nichtbelieferung des Zoll erhebenden Landes und einer Situation, bei der der Zoll überhaupt keine Auswirkungen auf die importierte Menge hat, gibt es jetzt natürlich alle Varianten.
Warum es Zölle überhaupt gibt, ist ein Rätsel. Den Vorteil, den der inländische Produzent dieser Ware hat, zahlt entweder der inländische Konsument oder der ausländische Produzent, der dann weniger importiert.
Die oft kolportierte Aussage, dass ein Importzoll auf Zucker die Zuckerproduzenten der EU schützt, ist nicht genau. Genau wäre zu sagen, dass der europäische Konsument zur Alimentierung einer Branche zwangsweise herangezogen wird.
Die gleiche Wirkung hat auch eine direkte Subvention an die Zuckerproduzenten. Diese sorgt dafür, dass der z.B. Zuckerproduzent nicht mehr alle Kosten tragen muss und folglich sein Produkt billiger anbieten kann. Erhebt man dann noch einen Zoll, haben wir eine direkte Umverteilung vom Zuckerproduzenten aus einem Entwicklungsland an die Zuckerrübenproduzenten in Europa.
Gibt es keinen inländischen Produzenten, wie bei Mangos oder Bananen, dann handelt es sich um eine Steuerzahlung aus dem Ausland, wenn der Exporteur den Zoll nicht auf den Konsumenten weiterwälzen kann, bei Agrarprodukten meist Entwicklungsländer, an das zollerhebende Land.
Tendenziell führt der Zoll zu, sei es über eine Mengenreaktion oder dadurch, dass das Exportland die zollbedingte Preiserhöhnung selbst schluckt, einer Verringerung der Einnahmen des exportierenden Landes. Mit weniger Einnahmen können sie aber auch weniger einkaufen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass z.B. Kolumbien mehr z.B. deutsche Maschinen kauft, wenn es weniger Einnahmen hat, weil EU Bananen zollfrei, Bananen aus Kolumbien aber mit Zoll belastet sind.
Zweitens schaukelt sich das natürlich hoch. Länder, die in einer besseren Machtposition sind, werden auf einen Zoll auf ihre Exporte mit einem Zoll auf ihre Importe reagieren. Teilweise wird die Diskussion dann auch surrealistisch. China vorzuwerfen, dass es mit seinen seltenen Erden "hinter dem Berg" hält, weil die Exportbeschränkungen dieser Erden die Handy Industrie behindern, wird natürlich dann skurril, wenn die klagenden Länder auf seltene Erden Zoll erheben.
Zölle sind Ausdruck nationalistischen Protektionismus. Man wird niemand erklären können, warum die Regeln, die in einem Wirtschaftsraum gelten wie
- Möglichkeit zur Spezialisierung durch einen größeren Markt
- Optimale Allokation durch klare Marktsignale
- Ausnützen von geographischen Vorteilen
- Optimierung der Logistik
auf globalem Niveau auf einmal nicht mehr gelten sollen. Der Schutz inländischer Produzenten zu Lasten inländischer Konsumenten kann auch nur gelingen, wenn das System intransparent ist, andernfalls würden die inländischen Konsumenten Widerstand leisten.
Man kann es schon typisch finden, dass es kaum konkrete Zahlen gibt, die es gestatten würden, die Wirkung von Zöllen exakt zu bestimmen. Die assymetrische Informationssituation erlaubt es, bestimmte Branchen zu Lasten der breiten Bevölkerung zu bevorzugen. Aus der Sicht einer politischen Partei ist dies sinnvoll.
(Was im übrigen das für Demokratien typischere Problem ist. Straff organisierte Minderheiten können ihre Interessen zu Lasten der Mehrheit durchsetzen, die eben nicht straff organisiert ist. Es ist genau umgekehrt, wie Hayek sich das vorstellt.)
Die protegierten Branchen kann man als Wähler gewinnen, denn diese wissen ja ganz genau, welche Vorteile sie ziehen. Diejenigen jedoch, die letztlich die Zeche zahlen, sind schlecht informiert und werden die protegierende Partei nicht abstrafen, da sie gar nicht wissen, dass ihnen das Fell über die Ohren gezogen wird.
Last not least sind Zölle auch schon allein deswegen abzulehnen, weil sie zu gewaltigen Bürokratiekosten führen: Bei den eigentlichen Zollbehörden, den nationalen Bürokratien, die sich diese Hokuspokus ausdenken, den internationalen Bürokratien, die zwischenstaatliche Verträge aushandeln. Hinzukommt der Aufwand, der bei den Erzeugern, Spediteuren und Zwischenhändlern anfällt.
Das Problem ist auch hier das eingesetzte Personal. Während sich ein Volkswirt schlicht die Frage stellen würde, ob etwas Asche bringt oder nicht und wer, wieviel verdient, folglich Zölle einfach komplett abschaffen würde, hat der Jurist von den ökonomischen Wirkungen nur eine vage Vorstellung, diese aber wird er auf Tausenden und Abertausenden von Seiten in Gesetze und Verträge gießen.
Das Ergebnis ist ein völliges Tohuwabohu, bei dem kein Mensch mehr eine sinnvolle Gesamtkonzeption erkennen kann. Das besonders krasse Beispiel bezüglich der Allokationswirkung der Steuern, siehe Allokationswirkung der Steuern und Zölle, die Aussagen des Finanzministeriums bezüglich der Agrarpolitik, die in krassem Gegensatz steht zum Koalitionsvertrag, ist hierbei nur ein besonders markantes Beispiel. Es ist ein Kuriosum der öffentlichen Diskussion, dass auf Volkswirte gnadenlos eingedroschen wird, obwohl diese schon seit 250 Jahren auf bestimmte Fehlentwicklungn erfolglos hinweisen.
Das ganze Trauerspiel kann man hier betrachten, siehe Warum sind Interventionen erforderlich?.
Die rhetorisch gestellte Frage kann man aber auch einfach beantworten. Interventionen zur Sicherung des Absatzes europäischer Agrarprodukte sind gar nicht nötig, sie sind sogar wirtschaftlich unsinnig.
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Merkantilismus: Ein hübsches Beispiel dafür, wie die Übertragung einzelwirtschaftlich sinnvoller Verhaltensweisen auf die Gesamtwirtschaft zu skurrilen Ergebnissen führt.
Die Veränderung, die ein Land aus dem freien Handel zieht, kann man mit den terms of trades berechnen.
Zölle bedeuten eine Protegierung einer Branche auf Kosten der Gesamtwirtschaft.
Bei der Wirkung der Zölle kann zwischen einer Mengen- und einer Preisreaktion unterschieden werden.
Die Vorteile der freien Marktiwirtschaft werden durch Zölle konterkarriert.