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Die Neoklassik

Die Neoklassik ist das, was üblicherweise in Lehrbüchern zur Mikroöknomie abgehandelt wird, also Dinge wie Cournotscher Punkt, Konsumenten- / Produzentenrente, Gewinnmaximierung des Polypolisten / Monopolisten, Grenzrate der Substitution, Pareto Optimum etc.

Wenn wir hier von Neoklassik sprechen, dann ist das stark vereinfachend. Die hier vorgetragene Kritik trifft eigentlich nur die Lausanner (Vilfredo Pareto, Léon Walras) und die Wiener Grenznutzenschule (Carl Menger). Sie trifft nur sehr eingeschränkt die Cambridge Version (Alfred Marshall). Wir werden darauf zurückkommen, wenn wir die einzelnen Vertreter besprechen.

Das Problem der Mikroökonomie besteht darin, dass sie zwar zu richtigen Einsichten führt, diese aber weitgehend irrelevant sind, das heißt keine der Fragen beantwortet, Arbeitslosigkeit, Rentenproblematik, Effizienz von Subventionen etc. etc. die die Menschheit tatsächlich beschäftigen. Relevanz hat sie nur in den Bereichen, wo sie sich mit dem kaufmännischen Rechnungswesen überschneidet, wobei hier die Begrifflichkeiten des operativen Controllings präziser sind.

Es nützt nicht wirklich viel, neoklassisch festzustellen, dass es keine Arbeitslosigkeit gibt, wenn alle wissen, dass es eine solche gibt. Das System der Neoklassik finden wir, obwohl es sich eigentlich um einen mikroökonomischen Ansatz handelt, auch in Lehrbüchern der Makroökonomie.

Die dann angestellten Überlegungen sind aber mikroökonomisch fundiert und diese Art der Analyse ist eben an den entscheidenden Stellen, Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt (siehe Sparen) eben falsch, bzw. beschreibt ganz offensichtlich die Realität nicht. Nach den intensiven Erfahrungen (siehe Karl Marx) mit Theoriegebäuden, die ganz offensichtlich zur Beschreibung der Realität nichts beitragen, haben wir Anlass, solchen Theoriegebäuden mit einiger Skepsis zu begegnen.

Es reicht mit Sicherheit nicht, nur das als Ideologie zu bezeichnen, was der Realität völlig widerspricht, das ist subtiler, zumal manche Ideologien, wie zum Beispiel die Religion, gar nicht mit der Realität in Konflikt geraten können. Spätestens dann aber, wenn ein Theoriegebäude, wie etwa der Marxismus, mit der Realität gar nichts mehr zu tun hat, handelt es sich um eine Ideologie.

Die Neoklassik wird gefeiert als die 'marginalistische' Revolution, wobei man sich auch hier fragen kann, ob die Aussagen der Neoklassik im Hinblick auf die Erklärung der Realität, bzw. im Hinblick auf die Beurteilung von Wirtschaftsordnungen, tatsächlich ergiebiger ist, als die Klassik (siehe auch Natürlicher Preis / Marktpreis).

Die Marginalanalyse angewendet auf den Nutzen ist denkbar trivial und auch einem Fünfjährigen einsichtig. Auch ein Fünfjähriger versteht, dass selbst Schokolade so irgendwann nach der fünfzigsten Tafel jede Attraktivität verloren hat, der Grenznutzen also abnimmt.

Vor die Alternative gestellt, ob er zehn Tafeln Schokolade will und zehnmal Autoscooter fahren oder fünfzig Tafeln Schokolade und nicht Autoscooter fahren, würde er sich für ersteres entscheiden, weil die 49 und 50 Schokoladentafel weit weniger attraktiv sind, als Autoscooter fahren.

Kritisch ist die Sache nur bei einer Auswahl zwischen fünf Schokoladentafeln und Autoscooter fahren. Die marginalistische Revolution ist also über weite Strecken eine höchst triviale Angelegenheit und daran ändern sich nur wenig, wenn man um diese Trivialitäten noch ein bisschen Mathematik drumrum frickelt.

Richtig ist zwar, dass sich das Problem der Faktorallokation mit der Marginalanalyse besser beschreiben lässt, der Fünfjährige optimiert ja seinen Gesamtnutzen, er muss also entscheiden, wann der Nutzen der zusätzlichen Schokolade geringer ist, als Autoscooter fahren, doch werden diese Überlegungen eben gerade dann nicht angestellt, wenn es relevant ist. Marktgleichgewichte sind praktisch gesehen eben nicht das Ergebenis bewusster Entscheidungen, sondern das Ergebnis eines weitgehend unbewusst ablaufenden Prozesses, wie Schumpeter zutreffend bemerkt.

Im Bereich Mikroökonomie wären zum Beispiel die Opportunitätskosten interessant, das heißt die Kosten, die dadurch entstehen, dass man sich mit Mikrökonomie beschäftigt und nicht mit anderen Dingen, also zum Beispiel mit der Lösung konkreter Probleme, siehe auch Forschung und Entwicklung durch den Staat; an der Schnittstelle zwischen Idee und Umsetzung, gibt es ein weites Betätigungsfeld. Man kann sich mit Nutzenoptimierung, Kreuz-Preis Elastizitäten, Isoquantenkurven und ähnlichen Dingen mal eine zeitlang beschäftigen, aber alles mit Maß. Sollte die dozierende Ökokaste aufgrund einer mangelnden Marktübersicht nicht in der Lage sein, den Grenznutzen einer Vorlesung korrekt einzuschätzen oder kann sie alternative Inhalte mangels Unkenntnis nicht anbieten, so wird man sich über die dozierende Ökokaste eben mal Gedanken machen müssen.

Festzuhalten ist, dass die Neoklassik die marktwirtschaftliche Ordnung eben gerade NICHT beschreibt.

Die Neoklassik operiert in allen ihren Konstruktionen mit gegebenen Rahmenbedingungen, mit gegebenen Möglichkeiten der Produktion und mit gegebenen Präferenzen für bestimmte Güter. (Im besten Fall, also bei Alfred Marshall. Bei Léon Walras und Vilfredo Pareto wird von den Möglichkeiten der Produktion vollkommen abstrahiert, denn sie beschäftigen sich mit Tauschmärkten, wo lediglich vorhandene Güter getauscht, aber keine produziert werden.)


Das ist so ziemlich das Gegenteil der marktwirtschaftlichen Ordnung. Bei der marktwirtschaftlichen Ordnung geht es darum, wie sich eine Wirtschaft an sich verändernde Rahmenbedingungen, veränderte Präferenzen, verändernde Produktionsstrukturen, externe Schocks, Innovationen etc. anpasst. Insbesondere interessiert sich die marktwirtschaftliche Ordnung nicht für Gleichgewichte.

Sie interessiert sich für die Kräfte, die aus diesem Gleichgewicht hinaustreiben. Ein Gleichgewicht zu verändern ist weit schwieriger, als ein solches beizubehalten bzw. in ein solches zurückzukehren. Die Neoklassik beschäftigt sich mit der Frage, wie durch eine Preis und Mengenanpassung wieder ein Gleichgewicht erreicht wird. Die Marktwirtschaft interessiert sich für die Kräfte, die zu Preisänderungen führen.

Die Angebotskurve der Neoklassik ist eine Aggregation der einzelwirtschaftlichen Grenzkostenkurven (siehe auch Natürlicher Preis / Marktpreis) zu einem GEGEBENEN ZEITPUNKT. Unternehmer in einer marktwirtschaftlichen Ordnung wollen diese aber langfristig verändern.

Studenten in einer Vorlesung beschäftigen sich mit einem Szenario, indem sich nichts ändert. Das ist das Szenario eines verbeamteten Ökodepp. Gegenstand des Studiums muss aber sein, wie man die Dinge verändert. Damit ist ein verbeamteter Ökodepp nun mal überfordert.

Rekapitulieren wir: Die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve ist die Aggregation der einzelwirtschaftlichen Grenzkostenkurven. Jeder Unternehmer im Polypol, also in einer durch Wettbewerb gekennzeichneten Wirtschaft, wird solange anbieten, wie die Kosten des letzten Stückes geringer sind, als der Preis, den er hierfür am Markt erzielt.

Kann also ein Bäcker eine Quarksahne Torte für 9, 10, 11, 12 Euro backen und der Marktpreis ist 10,50 Euro, dann wird er zwei Torten backen und verkaufen. Die Torte, die ihn in der Herstellung 11 Euro kostet, wird er nicht herstellen, denn das würde seinen Gewinn (1,50 + 0,50 - 0,50) und schmälern.

Allein schon diese Annahmen, so plausibel sie ist, ist schon problematisch.

Die Angebotskurve ist in der Neoklassik allein durch die Kosten charakterisiert, die Präferenz für Arbeit des Unternehmers spielt eigenartigerweise in der Neoklassik, ganz im Gegensatz zum Arbeitsmarkt, keine Rolle, obwohl Unternehmer bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit weit freier sind, als abhängig Beschäftigte.

Ob es bei abhängig Beschäftigten eine Rolle spielt, dass der Lohn höher sein muss als der 'Grenzschmerz' kann man bezweifeln, da nur bestimmte typische Stundenzahlen angeboten werden.

Haben wir nun viele Bäcker, dann können wir die Mengen an gesamtwirtschaftlichen Torten und die dazugehörigen Preise addieren und so den gleichgewichten Preis bestimmen. Besteht eine Nachfrage nach 10 000 Torten für 10 Euro kommen eben alle Bäcker zum Zug, die eine Torte für 10 Euro backen können. Wenn also Bäcker A vier Torten für 9 / 9 / 9,50 / 11 Euro backt, macht er 2,50 Gewinn und Bäcker B, der vier Torten für 8 / 8,50 / 9 / 11 backt 4,50 Euro Gewinn. Die Torte, die 11 Euro in der Produktion kostet, wird nicht mehr angeboten.

Ein Marktgleichgewicht ist, bei Alfred Marshall, das ist der einzige, mit dem man sich beschäftigen muss, Vilfredo Pareto und Léon Walras sind bedeutungslos, definiert als eine Situation, bei der alle, die zu einem bestimmten Marktpreis anbieten konnten und wollten angeboten haben und alle, die zu einem bestimmten Preis kaufen wollten und konnten, auch kauften. Die Käufer, die nur 7 Euro bezahlen wollten oder konnten, kaufen die Torte jetzt tiefgefroren bei Aldi und nicht beim Bäcker und die Bäcker, die nur für 11 Euro eine Torte backen konnten oder wollten, haben es gelassen.

Dieses Marktgleichgewicht gilt aber nur für einen gegebenen Zeitraum, also nur für die kurze Zeitspanne, wo sich Produktionsstrukturen und die Präferenzen, also der Wille für irgendwas eine bestimmte Summe Geld auf den Tisch zu legen, nicht ändern.

Die vieldiskutierte ceteris paribus Klausel ist im Rahmen der Neoklassik unsinnig, weil sich kurzfristig sowieso nichts ändert. Wir werden später, bei Schumpeter, siehe statische und dynamische Wirtschaft, sehen, dass zwischen einer statischen, Betrachtung eines kurzen Zeitraumes und einer dynamischen, Betrachtung eines langen Zeitraumes, zu unterscheiden ist.

Nicht das Gleichgewicht charakterisiert die marktwirtschaftliche Ordnung, sondern die Veränderung.

Der Gleichgewichtspreis für USB-Speichersticks interessiert einen, wenn man gerade einen kauft. Volkswirtschaftlich interessiert es aber viel mehr, was die Dinger in fünf Jahren kosten.

Alle Analysen der Neoklassik und der Mikroökonomie beziehen sich auf statische Zustände.

Die Leistungfähigkeit und die Überlegenheit der Marktwirtschaft beruht aber gerade nicht im Verharren in irgendwelchen gleichgewichtigen Zuständen, sondern in der Veränderung derselben.

Was uns also interessiert sind die Kräfte, die aus diesem Gleichgewicht hinaustreiben, da hiervon Verteilung, Wohlfahrt, Güterversorgung, Beschäftigungsgrad, also alle relevanten Fragen, abhängen.

Wir interessieren uns zum Beispiel für die Effizienz von Forschung und Bildung; wir interessieren uns dafür, wie aus Ideen marktfähige Produkte werden (siehe Forschung und Entwicklung durch den Staat); wir interessieren uns für die Frage, inwieweit Kapitalsammelstellen rentable und innovative Geschäftsideen erkennen und unterstützen können; wir interessieren uns für die Effizienz staatlicher Tätigkeit; wir interessieren uns also für relevante Fragen.

Für Trivialanalysen ephemerer Zustände interessieren wir uns eigentlich nicht und die meisten mikroökonomischen Analysen sind eben nicht nur bedeutungslos, sondern obendrein auch trivial.

Dass ein Produzent, der billiger produziert als seine Konkurrenten, aber seine Ware zum gleichen Preis verkauft wie seine Konkurrenten, höhere Gewinne einfährt, also eine Produzentrente kassiert, ist weiß Gott keine subtile Erkenntnis.

Subtiler wäre da schon eine Aussage, wie lange seine Mitkonkurrenten brauchen, um ähnlich effizient zu produzieren. Dies würde das Angebot erweitern, die Produzentenrente gegen Null zusammenschrumpfen lassen und den Preis verringern.

Insoweit die Produzentrente ein Hinweis für extreme Unterschiede in den Produktionsstrukturen ist, ist sie interessant. Die Frage ist hierbei aber, wie realistisch die Fiktion unterschiedlicher Produktionsstrukturen, Bedingung für die Existenz einer Produzentenrente, überhaupt ist.

Wir brauchen die Instrumente der Mikroökonomie auch nicht, um zu wissen, was passiert, wenn die Politik einen Preis unter bzw. oberhalb des Gleichgewichtspreises festlegt. Was passieren würde, wenn die Politik den Preis für Smarthpones auf 20 Euro festlegen würde, wissen wir.

Es gäbe viele, die eines haben wollen und nur sehr wenige, die es produzieren würden. Ein Preis über dem Gleichgewichtspreis, würde dazu führen, dass mehr produziert, als nachgefragt wird. Diese Situation kann also nur durch staatliche Subventionierung aufrechterhalten werden.

All das hätte man aber auch schon Adam Smith entnehmen können, wenn man Wealth of Nations aufmerksam liest bzw. man hätte es sich auch selber denken können. Dass es von der durch eine Preisänderung bedingten Mengenreaktion abhängt, ob der Umsatz sinkt oder fällt, hätte man sich ebenfalls selber denken können.

Kann man zu einem Preis von 3 Euro 10 Tafeln Schokolade verkaufen, zu einem Preis von 2 Euro aber 50 Tafeln, dann bewirkt die Preisänderung eine Steigerung des Umsatzes. Verkauft man nach einer Preissenkung auf 2 Euro nur 14 Tafeln, dann sinkt der Umsatz.

Die modellhafte Darstellung und die Begrifflichkeiten erschweren eher das Verständnis, als dass sie es erleichtern. Das Problem ist nicht die Erfassung der ökonomischen Zusammenhänge, sondern die modellhafte Darstellung und das Vokabular. Ein Modell ist dann sinnvoll, wenn es die Komplexität der Realität so reduziert, dass die wesentlichen Aspekte von den unwesentlichen getrennt werden. Ist aber das Modell lediglich eine besonders verquaste Darstellung der Realität, dann ist das Modell sinnlos, denn es leistet das nicht, was ein Modell leisten soll.

Katastrophal ist die Erfindung des vollkommenen Marktes und des homo oeconomicus, vorgestellt als rational und voll informiert. Mit den Annahmen der vollkommenen Gleichheit der Güter, keiner zeitlichen / persönlichen / örtlichen Präferenzen und der Annahme eines vollkommen informierten, rational handelnden Marktteilnehmers wurde die Marktwirtschaft vollumfänglich aus dem System der Neoklassik hinauskomplimentiert.

Der homo oeconomicus ist definiert durch die Tatsache, dass sich sein Interesse, bei gegebenem Wettbewerb, mit dem öffentlichen Interesse deckt. Die vollkommene Informiertheit allerdings ist eine irreführende und obendrein nicht notwendige Charakterisierung. Es reicht vollkommen, dass der homo oeconomicus die Chancen wahrnimmt, die sich auch seiner Sicht der Dinge ergeben. Bei vollkommener Informiertheit allerdings wird er überflüssig, denn dann wäre die Wirtschaft planbar. Ist sie planbar, ist es besser man plant sie. Wenn man planen kann, soll man planen. Wenn man nicht planen kann, braucht man ein System, dass auf Fehler schnell und spontan reagieren kann. In diesem Fall ist eine dezentrale Informationsverarbeitung durch den Markt überlegen.

Die Stärke und Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung ergibt sich nämlich genau aus der Tatsache, dass sie mit der durch qualitativ unterschiedliche Güter, zeitlichen / persönlichen / örtlichen Präferenzen und mit der durch unvollkommene Information bedingten Unsicherheit besser fertig wird, als die Planwirtschaft. Wird aber Unsicherheit von vorneherein ausgeschlossen, dann gibt es da eigentlich nichts Relevantes mehr zu analysieren. Das Verfahren ist vergleichbar mit dem Vorgehen eines Mikrobiologen, der ein Modell zusammebastelt, in dem Viren schlicht nicht vorkommen.

Der vollkommene Markt und vollkommene Information ist eine Vorstellung, die eher zur Planwirtschaft passt. Bei vollkommener Information gibt es keine Firmenpleiten und keine Produzentenrente, denn die Unternehmen unterscheiden sich nicht in der eingesetzten Technik, es gibt keine Warenproduktion am 'Markt vorbei', keine exogenen Schocks.

Eine interessante Frage wäre z.B. wie man mit Firmenpleiten umgeht. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass Firmenpleiten zu einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehören, wie Experimente zur Forschung. Dann stellt sich die Frage nach der Haftung anders.

Bei dem vollkommen informierten homo oeconomicus stellt sich die Frage aber gar nicht, denn vollständig informiert, wird er nie pleite gehen.

Der vollkommene Markt ist eigentlich nur in der Vorstellungswelt eines Planwirtschaftlers vorhanden. Das Modell der Neoklassik könnte man noch so halbwegs retten, als Instrument für die Beleuchtung bestimmter Aspekte gelten lassen, wenn nicht durch die mathematische Beschreibung der deutliche Wille erkennbar wäre, die Wirtschaft als gesetzesmäßig sich vollziehende Abläufe zu beschreiben. Wir fühlen uns da glatt an die DDR erinnert und an die gesetzesmäßig verlaufende wirtschaftliche Entwicklung (siehe Karl Marx).

Mit dem vollkommenen Markt wurde das eigentliche Forschungsobjekt, also das Objekt, über dessen Funktionsweise man gerne mehr wüsste, abgeschafft. Was uns wirklich interessiert, das ist eigentlich das zentrale Problem der Wirtschaft, nicht die Knappheit, ist die Frage, wie wir mit Unsicherheit umgehen.

Jeder Leser dieser Zeilen, ohne Ausnahme, wäre in zehn Jahren steinreich, wenn er wüsste, was in zehn Jahren ist. Die sich dann ergebenden Möglichkeiten, sind unendlich. Er kann, auch mit geborgtem Geld, auf einen fallenden oder steigenden Goldpreis setzen.

(Weiß er, dass der Goldpreis in zehn Jahren höher ist als heute, kann er sich auch mit geliehenem Geld welches kaufen. Weiß er, dass er niedriger ist, kann er zum jetzigen Kurs jemandem versprechen in zehn Jahren zu liefern.) Er würde dann wissen, wo in Spanien die derzeitig am Boden liegen Immobilienpreise wieder anziehen und sich jetzt eine Immobilie kaufen. Er könnte sich jetzt auf die Berufe qualifizieren, die in zehn Jahren gut bezahlt werden. Er wüsste, wo sein Arbeitgeber in zehn Jahren steht und könnte entsprechend reagieren, etc.. Nicht die Knappheit ist das zentrale Problem der Wirtschaft, sondern die Unsicherheit.)

Oder anders formuliert: Viel interessanter als die Knappheitsverhältnisse der Gegenwart, sind die Knappheitsverhältnisse der Zukunft, da ist die wahre Musik. Allerdings nützt diese Erkenntnis praktisch nichts. Denn wir werden nie wissen, was die Zukunft bringt. Wir könne nur ein System schaffen, das flexibel mit den Fehlern, die wir begehen werden, umgehen kann. Mit der vollkommenen Informiertheit wird das zentrale Problem der Wirtschaft schlicht eliminiert. Zumindest in der Theorie. In der Praxis besteht es ja bedauerlicherweise weiter.

Allerdings ist die starke Modellierung und die damit zusammenhängende Auswanderung der Volkswirtschaftlehre in eine Parallelwelt nicht unbedingt den Autoren der Neoklassik zuzurechnen, bzw. nicht allen Autoren. Bei der Neoklassik sind drei unterschiedlichen Schulen zu unterscheiden.

Die Cambridge Schule mit Alfred Marshall, die Wiener Schule mit Carl Menger, Eugen Böhm Bawerk und die Lausanner Schule mit Léon Walras und Vilfredo Pareto.

Alfred Marshall orientiert sich in der Art der Darstellung sehr stark an Adam Smith. Die wesentlichen Kritikpunkte am neoklassischen System, soweit es die akademische Darstellung und heutige Lehre betrifft, können gegen Alfred Marshall nicht vorgebracht werden, denn die Dynamik der Marktwirtschaft wird in Principles of Economics ausführlich beschrieben.

Die akademische Lehre wäre effizienter, weniger Zeit und realistischere Diskussion, wenn man sich an die Orginaltexte hielte. Es ist zwar richtig, dass zentrale Modelle der heutigen Mikroökonomie, zum Beispiel die Darstellung der Nachfrage / des Angebots in einem Diagramm, von Alfred Marshall stammen, er aber dieses Modell kritisch hinterfragt, wie wir noch sehen werden, siehe langfristiges und kurzfristiges Gleichgewicht. Unterschlagen wird von der dozierenden Ökokaste auch, dass bestimmte Richtungen der VWL, etwa der Ordoliberalismus oder Schumpeter, in der Methodik der Darstellung in bewusster Ablehnung der Neoklassik eben gerade nicht folgen, wie wir noch sehen werden.

Auch hier stellt sich natürlich, wie auch bei der Klassik, die Frage, was die Kernthemen sind. Alle zentralen Aussagen der Klassik werden übernommen.

  • Märkte tendieren zum Gleichgewicht. Jeder Eingriff des Staates ist letztlich negativ.
  • Investiv verwendbares Kapital wird allein durch Sparen zur Verfügung gestellt.
  • Arbeitslosigkeit kann es nicht geben, da es immer einen markträumenden Lohn gibt, wobei dieser, wie bei Ricardo, eben auch so niedrig sein kann, dass überschüssige Arbeitskräfte schlicht wegsterben. In der Neoklassik entspricht der Lohn dem Grenzerlös der Arbeit. Bezüglich des Arbeitsmarktes haben wir es in der Klassik und Neoklassik also durchaus mit einer Trivialaussage zu tun.

Die Neoklassik beschäftigt sich aber weniger mit den Kräften, die gleichgewichtige Zustände überwinden, also mit dem zentralen Problem marktwirtschaftlicher Ordnungen, sondern mit der Analyse der gleichgewichtigen Zustände selbst, wobei auch hier der Erkenntniswert äußerst gering ist, denn wir interessieren uns nicht für den gleichgewichtigen Zustand an und für sich, sondern für das Niveau, auf dem sich dieser gleichgewichtige Zustand einspielt und wir interessieren uns vor allem für die Frage, wie ein gleichgewichtiger Zustand auf (zu) niedrigem Niveau angehoben werden kann.

Alle Aussagen der Neoklassik treffen für Bolivien genau so zu, wie für die BRD. In Bolivien wie in Deutschland gibt es zum Beispiel einen markträumenden Lohn. Die Beschreibung dieses Sachverhaltes findet die Neoklassik interessant. Tatsächlich ist es aber nicht interessant. Wenn in Bolivien der gleichgewichtige Lohn gerade noch existensichernd ist, bzw. in Ghana eben nicht mehr, und in der BRD dieser gleichgewichtige Lohn ein Leben in Saus und Braus erlaubt, dann interessieren wir uns nicht für den gleichgewichtigen Zustand, sondern für den Unterschied in der Höhe. Insbesondere interessieren wir uns dafür, wie man diesen gleichgewichtigen Lohn anheben kann. Wir interessieren uns für kausale Ursachen, nicht für reine Beschreibungen.

Und wenn uns sehr konkret, zu unseren Lebenszeiten und anschaulich, vorgeführt wurde, siehe Karl Marx, dass durchaus Zustände denkbar sind, wo zwischen der offiziellen Lehrmeinung und der Realität kein Zusammenhang mehr besteht, dann haben wir immer Anlass, hellhörig zu werden. Das Problem aller Modelle der Neoklassik besteht aber nicht nur darin, dass über die absolute Höhe des Gleichgewichts nichts ausgesagt wird, sondern auch darin, dass keine Aussagen darüber gemacht wird, wie lange dieses hält.

Es ist ein Unterschied, ob die Unternehmen eine Produzentenrente drei Wochen einfahren oder drei Jahre. Dass Volkswirte zu zentralen Problemen nichts zu sagen haben, ein Zustand, der im Übrigen auch von Carl Menger, dem Begründer der Wiener Neoklassik, bitter beklagt wird, wäre hinzunehmen. Die Konstatierung eines Problems ist schon der erste Schritt zur Lösung; wenn aber schon die Existenz des Problems an sich verneint wird, dann kann das Problem auch nicht gelöst werden.

Die Marginalanalyse soll die revolutionäre Entdeckung der Neoklassik sein. Dies ist ein logischer Widerspruch. Wenn die Marginalanalyse das konkrete Handeln der Marktteilnehmer beschreibt, dann müssen die Marktteilnehmer diese Erkenntnis wohl ebenfalls haben, denn das Modell beschreibt ja nur, was die Leute tun. Und das ist tatsächlich der Fall, folglich ist die Neoklassik eine Ansammlung von Binsen.

Ein Haushalt, der 300 Euro im Monat für Nahrung ausgibt, wird nicht für 300 Euro Nudeln kaufen. Der Spaß an Nudeln nimmt ab, wenn es morgens, mittags, abends nur noch Nudeln gibt. (Wenn man nicht gerade so drauf ist, wie Ludwig Wittgenstein: "Mir ist egal was ich esse, Hauptsache es ist immer das Gleiche").

Er wird also einen Teil seines Geldes für Eier, Mehl, Milch, Gemüse etc. ausgeben. Er wird solange Spaghetti kaufen, bis der abnehmende Grenznutzen der Spaghettis dafür sorgt, dass er mehr Nutzen für den Euro erhält, wenn er Eier, Mehl und Milch kauft und selbige zu Pfannkuchen verarbeitet. Wer eine derartig triviale Binse als revolutionäre Entdeckung feiert, der muss sich schon mal fragen lassen, ob er nicht einen an der Waffel hat.

Wer eine derart triviale Binse auch noch mathematisch modelliert, gehört eigentlich ins Irrenhaus.

Die dozierende Ökokaste ist hier wohl Opfer ihres eigenes Systems geworden. Durch die Art der Modellierung, durch die Etablierung von Begriffen (Pareto Optimum, Cournotscher Punkt, Grenzrate der Substitution, Isoquanten, Grenznutzen, Grenzkosten etc. etc.), also durch die Suggestion von Komplexität und Gehalt, sieht die Ökokaste wohl vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Ob die Marginalanalyse also einen Fortschritt gegenüber der Klassik darstellt, kann man bezweifeln. Aus rein praktischer Sicht auf jeden Fall nicht.

Feststellen lässt sich nur, dass wir in der Neoklassik, wenn man von Alfred Marshall absieht, eine Verlagerung der Betrachtung von der Angebotsseite zur Nachfrageseite haben. Besonders deutlich zeigt sich das an der Tatsache, dass überwiegend Tauschmärkte analysiert werden, also Märkte, bei denen keine Mengenanpassung erfolgen kann. Der Tauschmarkt ist hierbei vergleichbar mit einer Betrachtung auf sehr kurze Frist, in der sich die Produktionsstruktur nicht ändert. Damit haben wir eine drastische Reduktion der Komplexität, da von dem eigentlich dynamischen Teil marktwirtschaftlicher Ordnungen, der Produktion, abstrahiert wird.

Was übrig bleibt ist ein derartig vereinfachter Ausschnitt der Realität, dass er mathematisch modellierbar ist. Das Extrem dieser Richtung ist dann Léon Walras. Geht man von reinen Tauschmärkten aus und davon, dass diese geräumt werden müssen, dann ist der Preisfindungsprozess eine reine Mechanik, weswegen Léon Walras ja auch folgert, dass die Ökonomie der Hydraulik ähnelt, was zutrifft, wenn man davon ausgeht, dass sich aus derart simplifizierten Verhältnissen noch substantielle Aussagen über die Realität gewinnen lassen. Bei gegebener Menge kann die Markträumung, de facto haben wir bei Léon Walras kein Gleichgewicht, also eine Balance zwischen Grenznutzen und Grenzkosten, sondern lediglich Markträumung, die gegebene Menge wird um jeden Preis abgesetzt, nur noch über den Preis erfolgen. Auch wenn er selbst der Meinung ist, dass die rareté eine Rolle spielt, faktisch tut sie das nicht, denn unter seinen Prämissen, Menge liegt fest und Markträumung, spielt die rareté, seine Version des Grenznutzens, keine Rolle.

Leider ist das Leben durch Realitäten charakterisiert. Sollte die Ökokaste weder einen Beitrag leisten können zur Lösung gesellschaftlich relevanter Probleme noch beruflich relevantes Wissen vermitteln können, dann muss sie mal in Klausur gehen. Einen Haufen Irrer, der sich im Gestrüpp seiner Begrifflichkeiten verloren hat, stiftet keinen Grenznutzen und ist nicht pareto-optimal, es ist schlicht rausgeschmissenes Geld. Schmarotzer, die Staatsknete abgreifen, aber nichts leisten, brauchen wir nicht.

Einen Fortschritt hat die Neoklassik vielleicht gebracht in Bezug auf die Bestimmung des Wertes eines Produktes, allerdings nur dann, wenn man einzelne Passagen von Adam Smith besonders Ernst nimmt. Richtig ist, dass Adam Smith in einzelnen Passagen den Wert eines Produktes aus der in diesem verkörperten Arbeit ableitet; strittig ist allerdings, wie ernst er das tatsächlich meinte, denn er argumentiert auch mit der Nachfrage als Bestimmungsgrund des Wertes.

In dem Moment, in dem er konstatiert, dass der Marktpreis vom "natürlichen" Preis abweichen kann, nennt er die Nachfrage als Bestimmungsgrund des Preises. Es ist logisch, dass der Unternehmer mindestens den kostendeckenden Preis erhalten muss, das ist bei Adam Smith die Summe der gesamtwirschaftlich austarierten "natürlichen" Preise der Produktionsfaktoren. Der Unternehmer kann aber, im Wettbewerb, nur einen den "natürlichen" Preis übersteigenden Preis erzielen, wenn das Gut knapp ist, wenn also mehr nachgefragt wird, als angeboten wird.

Allerdings fallen manche Autoren, die man üblicherweise unter die Neoklassik subsummiert teilweise wieder hinter den Erkenntnisstand von Adam Smith zurück. Carl Menger sieht den Wert eines Gutes allein durch dessen Fähigkeit bestimmt, ein Bedürfnisse zu befriedigen.

Dies mag sogar richtig sein, ist aber irrelevant, weil der "Wert" in einer marktwirtschaftlichen Ordnung keine Rolle spielt. Entscheidend ist die Fähigkeit und der Willen das Produkt auch effektiv zu kaufen. Es kommt also allein und einzig auf die effektive Nachfrage an. Misst jemand einem Produkt einen Wert von 20 Euro bei und in der Produktion kostet es 30 Euro, dann wird er es nicht kaufen. Lassen sich die Produktionskosten senken, so dass es nur noch 20 Euro kostet, wird er es kaufen, sofern er 20 Euro auch tatsächlich bezahlen kann. Denkbar trivial, aber Carl Menger muss man das erklären. Er verwechselt 'Wert' mit effektiver Nachfrage.

Alfred Marshal, das ist wohl die realistische Einschätzung, unterscheidet zwischen kurz- und langfristig. Wir werden darauf zurückkommen.

Der Eindruck der weitgehenden Irrelevanz der 'marginalistischen Revolution' wird noch verstärkt, wenn man zwischen Sorten- / Serien- / Einzelfertigung auf der einen Seite und Dienstleistungen auf der anderen Seite unterscheidet.

Eine Grenzkostenkurve liegt nur bei Sorten- und Serienfertigung vor, also nur, wenn ad calendas graecas immer das gleiche Gut produziert wird, z.B. Spaghetti oder Kabel, oder eine Serie von etwas produziert wird, z.B. ein bestimmtes Modell eines Schrankes (wobei hier die Serie schon recht groß sein muss). Wobei wir aber auch dann das Problem der sprungfixen Kosten haben. Der Einwand, dass die Marginalbetrachtung, hier zu tieferen Erkenntnissen führt, ist falsch, denn mit der Deckungsbeitragsrechnung, insbesondere der gestuften Deckungsbeitragsrechnung, wären die Verhältnisse präziser beschreibbar.

Bei der Sorten- und Serienfertigung haben wir tatsächlich zu Beginn aufgrund der Fixkostendegression (die gleichen Kosten verteilen sich auf immer mehr Output) eine fallende Grenzkostenkurve und irgendwann, aufgrund des Anstiegs der variablen Kosten, der die Fixkostendegression überkompensiert, wieder einen steigenden Verlauf, wobei man sich aber fragen kann, wie realistisch die Annahme einer Zunahme der variablen Stückkosten tatsächlich ist, wenn man mit realistischen Mengen arbeitet.

Verzehnfacht ein Unternehmen, das Torten industriell herstellt, seinen Output, dann kann es sein, dass die Zutaten knapp werden und die Einkaufspreise anziehen. Innerhalb von realistischen Schwankungen, ist davon jedoch kaum auszugehen, bzw. das Schwanken der Einkaufspreise hängt ursächlich nicht mit Schwankungen in der produzierten Menge zusammen, gravierender sind da wohl Schwankungen der Ernte oder der Weltmarktpreise. Wahrscheinlicher ist da wohl, dass mit zunehmender Nachfrage die Preise aufgrund der Fixkostendegression sinken würden. Des weiteren ist davon auszugehen, dass innerhalb von realistischen Mengen auch die variablen Kosten sinken. Im Fall der Torte würden die Einkaufspreise für die Zutaten wohl sinken, wenn diese in höheren Mengen gekauft werden.

Langfristig ist offensichtlich, dass die Grenzkosten fallen. Der Übergang vom Handwerk zur industriellen Produktion, den wir in allen Branchen sehen, illustriert diesen Zusammenhang drastisch.

Cum grano salis könnte man sagen, dass wir hier ein ähnliches Phänomen vor uns haben, wie bei David Ricardo. Die Vorstellungswelt der Neoklassik orientiert sich am Handwerk. Was dort vielleicht "intuitiv" einsichtig war, so intuitiv einsichtig wie bei David Ricardo die Vorstellung, dass Boden knapp ist, hat keine Entsprechung in der Realität.

Die Grenzkostenanalyse berücksichtig lediglich die variablen Kosten, genau diese sind aber in der industriellen Fertigung sekundär.

Kurzfristig, eigentlich sehr kurzfristig, denn moderne Marktwirtschaften können sich sehr, sehr schnell an eine Zunahme der Nachfrage anpassen, ist der Markt durch Knappheit charakterisiert, weshalb wir manchmal, wenn auch selten, feststellen, dass Preise anziehen, wenn die Nachfrage steigt. Langfristig stellen wir fest, dass die Preise mit steigender Nachfrage fallen.

Wahrscheinlicher ist, dass die Preise mit sinkender Nachfrage steigen. Es ist wohl jedem klar, dass ein VW Golf deutlich mehr kosten würde, wenn davon nur 1000 Stück pro Jahr verkauft würden. Inflation haben wir nur in Sektoren, wo die Menge sich nicht anpassen kann: Immobilien, wenn Boden knapp ist, Wertpapiere, Gold etc..


Der Denkfehler kommt zustande, weil zwischen einem reinen Tauschmarkt, bei dem eine Anpassung nur über den Preis erfolgen kann, weil die Menge gegeben ist und einem Markt, wo Güter hergestellt werden, nicht unterschieden wird. Oder andersherum: Es wird nicht unterschieden zwischen kurzfristig und langfristig.

Die um die Inflation bereinigten Preise der allermeisten Güter sinken langfristig mit zunehmender Nachfrage bzw. ändern sich qualitativ gravierend, wie etwa Computer, bei gleichen Preisen.

Im Orginal, also z.B. bei Alfred Marshall, wird noch getrennt zwischen unterschiedlichen Situationen. Die Neoklassik in der Version der dozierenden Ökokoste geht von monokausalen Zusammenhängen aus, die nicht nur realitätsfern sind, sondern das Verständnis der Realität geradezu erschweren, weil sie den Blick auf höchst relevante unternehmerische Strategien versperren.

Für Unternehmen mit einem hohen Fixkostenanteil zum Beispiel ist die Optimierung Grenzkosten = Grenzerlös eben gerade nicht rational. Sie werden unter Umständen zu Preisen weit unter den gesamten Einzelkosten anbieten, um so die Marktdurchdringung zu erreichen, die sie brauchen, um rentabel zu arbeiten. Das Argument, dass nach der ersten Ableitung der Gesamtkostenkurve die fixen Kosten nicht mehr Bestandteil der Funktion sind, sticht nicht, wenn nur bei Kenntnis der entscheidungsrelevanten fixen Kosten eine kaufmännisch sinnvolle Entscheidung getroffen werden kann.

Beispiel: Ein Unternehmen stellt drei Sorten Eis her, wovon bei einer Sorte eine Maschine zum Einsatz kommt, die die Waffel von Innen mit einer Schokoladenglasur überzieht, so dass schmelzendes Eis die Waffel nicht aufweicht. Die Kosten dieser Maschine sind als fixe Einzelgemeinkosten nur der Eissorte zuzurechnen, die diese Maschine benötigt. Die globale Eliminierung aller fixen Kosten würde zu unternehmerischen Fehlentscheidungen führen. Es wäre mit Sicherheit sinnvoll, wenn sich die dozierende Ökokaste mal grundsätzliche Kenntnisse des kaufmännischen Rechnungswesens aneignen würde.

Das simple Modell der Neoklassik, zumindest in der Version, wie es die Ökokaste lehrbuchhaft darstellt, wird auch nicht gerade realitätsnäher, wenn man die Einzelfertigung und die Dienstleistungen in die Überlegungen mit einbezieht. Bei der Einzelfertigung wird aus der Funktion eine schlichte Konstante und bei einer Dienstleistung sind die Grenzkosten gleich den Durchschnittskosten, zumindest wenn der Fixkostenanteil, wie bei Rechtsanwälten, sehr gering ist.

Die Ableitung der gewinnmaximalen Menge aus der Differenz von Grenzerlös und Grenzkosten, bzw. die Idee, dass der Unternehmer eine Ware anbietet, bis die Grenzerlöse den Grenzkosten entsprechen, führt zum gleichen Ergebnis wie eine Deckungsbeitragsrechnung, wobei die Deckungsbeitragsrechnung tatsächlich einer Überprüfung zugänglich ist, wohingegen die berühmte Marginalanalyse nur mit konstruierten Beispielen arbeiten kann.

Die Deckungsbeitragsrechnung kann auch an komplexere Realitäten angepasst werden und erlaubt, in der gestuften Deckungsbeitragsrechnung, eine exakte Zuordnung von Kostenblöcken zu Produkten über den Betriebsabrechnungsbogen.

Die Annahme eines unspezifischen, großen Fixkostenblockes ist realitätsfern. Für die Deckungsbeitragsrechnung ergäbe sich das Gewinnoptimum dann, wenn das letzte Produkt keinen Deckungsbeitrag mehr erwirtschaftet, allerdings ließen sich mit Hilfe der Deckungsbeitragsrechnung auch nur die Fixkosten in die Optimierungsregel einrechnen, die tatsächlich entscheidungsrelevant sind.

Die Deckungsbeitragsrechnung ist des weiteren der allgemeinere Ansatz, lässt sich also bei jedem Gewerbe und jeder Produktion anwenden, entspricht tatsächlich dem kaufmännischen Rechnungswesen und ist einer empirischen Überprüfung zugänglich. Die Deckungsbeitragsrechnung ist im Übrigen selbst dann noch richtig, wenn sie nicht angewandt wird, also global mit einem Handlungskostenzuschlag und einem Gewinnkostenzuschlag kalkuliert wird.

Das passiert zwar aus Gründen der Praktikabilität, aber bei dieser Art der Kalkulation wird hingenommen, dass man sich aus dem "Markt rechnet", das heißt Produkte zu einem Preis anbietet, der nicht durchsetzbar ist, obwohl der Gewinn steigt, solange ein Deckungsbeitrag erwirtschaft wird. Da faktisch die Produzentenrente nichts anderes ist, als die Summe der Deckungsbeiträge, könnte man auch einen Haufen Begriffe wieder einsammeln.

Die meisten Vertreter der Neoklassik haben den Drang, die VWL zu einer "exakten" Wissenschaft wie die Physik zu machen, wir werden ausführlich darauf zurückkommen, siehe z.B. wissenschaftstheoretische Grundlagen, wobei die Begründer der Neoklassik, zum Beispiel Alfred Marshall, sich hier sehr viel differenzierter äußern, als die heutige Ökokaste, wie wir noch sehen werden. Dass unter den Prämissen der Neoklassik die Wirtschaftwissenschaften mathematischer Modellierung zugänglich werden ist richtig, allerdings wird dieser vermeintliche Vorteil durch eine drastische Simplifizierung der Realität erkauft. Das Argument, dass dies nötig sei, weil die Wirtschaft so kompliziert sei, ist hierbei Blödsinn. Mit Modellen, aus denen all das expediert wurde, was wir eigentich wissen wollen, können wir nichts anfangen.

Wenn durch die mathematische Modulierung alle interessanten Aspekte verschwinden dann bringt die vermeintliche Exaktheit leider gar nichts. Man kann finden, dass es sich bei der Neoklassik über weite Strecken um mathematisch modulierte heiße Luft handelt und man sich an die vermeintliche Präzision klammert, weil man im Grunde nichts zu sagen hat.

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Das Buch zur Webseite.

Die neoklassische Marginalrevolution ist nur von marginaler Bedeutung

Sieht man von Alfred Marshall ab, mit dessen Instrumenten tatsächlich bestimmte Phänomene exakter analysiert werden können, ist der Erkenntnis-fortschritt der Neoklassik marginal.

Die wesentlichen Aussagen und damit auch die entscheidenden Fehler der Klassik bzgl. Sparen, Zins, Kapital, Bedeutung des Geldes werden über-nommen.

Das ist der Grund, warum Keynes zwischen Klassik und Neoklassik auch gar nicht trennt.

Zumindest eine Relativierung der Aussagen der Neoklassik durch Aufnahme von Schumpeter in die universitären Curricula wäre sehr sinnvoll.

Eine Analyse, die auf Grenzkosten beruht ist obendrein falsch, weil von deen fixen Kosten hierbei abstrahiert wird.

Eine Analyse, die auf Grenzkosten beruht, ist eine Analyse der kurzen Frist, bei der sich die Kostenstruktur nicht ändert.

Die Dynamik marktwirt-schaftlicher Ordnungen zeigt sich aber in der Tatsache, dass sich die Produktionsstruktur ändert.

Die mathematische Modellierung zielt auf eine exakte Prognose wirtschaftlicher Prozesse. Wäre dies möglich, ließe sich also Unsicherheit eliminieren, bräuchten wir die marktwirtschaftliche Ordnung nicht, denn deren Stärke besteht eben gerade darin, mit Unsicherheit am besten umzugehen.

 

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