Die Elastizität der Nachfrage ist ein Konzept, das es erlaubt, die Wirkung von Preiserhöhungen, Zöllen, Verbrauchsteuern, Umsatzsteuer näher zu beschreiben. Das Konzept wird selten verstanden, auch von Steuerberatern nicht.
Diese sind zum Beispiel meistens der Meinung, dass die Umsatzsteuer eine Steuer sei, die die Unternehmen sozusagen nur für den Staat "eintreiben", die sie aber selber nicht belastet. Die Vorstellung ist etwas naiv.
Die infos24 GmbH, also wir, verkauft Sprachsoftware und Lehrbücher, also Material, zum Erlernen von Fremdsprachen. Diese kosten 19 Euro inklusiv MwST, die Mehrwertsteuer beträgt also, die 19 Euro sind 119 Prozent, 19/119 * 19 = 3 Euro. Die naive Vorstellung besteht nun darin, anzunehmen, dass eine eventuelle Umsatzsteuererhöhung, von zum Beispiel 19 Prozent auf 24 Prozent, also von 3 Euro auf 3,84 Euro auf den Käufer umgewälzt werden kann, die DVD dann also nicht mehr 19 Euro sondern 19,84 Euro kostet. Das stimmt nur, wenn die Kunden bereit sind, diesen Preis auch zu bezahlen. Sind sie das nicht, kann die Steuer nicht umgewälzt werden.
Adam Smith argumentiert mehr so "aus dem Bauch" heraus, was nicht mal falsch ist. Diese Strategie führt oft, vor allem in der VWL, zu einer wirklichkeitsnäheren Betrachtung, als die Fixierung auf ein Modell. Wir werden später, bei Alfred Marshall, Instrumente kennen lernen, mit denen sich die Wirkung von Preiserhöhungen, Steuern, Zöllen, Umsatzsteuer etc. genauer wird beschreiben lassen, siehe kardinale Nutzenmessung.
Adam Smith geht davon aus, dass der Einzelhandel schon auf dem Zahnfleisch geht,
der Wettbewerb die Preise soweit drückt, dass der Einzelhändler gerade noch
davon leben kann. Ist das bei allen so, dann wird eine zusätzliche Steuer
auf den Endkonsumenten abgewälzt, weil der Einzelhändler schlicht nichts
mehr schlucken kann, er kann höchstens noch aus dem Markt ausscheiden. Adam
Smith nennt den Begriff Elastizität hier nicht, macht sich aber Gedanken
darüber, inwieweit Steuern auf den Konsumenten umgewälzt werden können.
Ganz korrekt ist die Analyse nicht, da auch bei dem von ihm konstruierten Fall die Nachfrage aufgrund der Preiserhöhung zurückgehen würde. Ist dies nicht der Fall, hätte man, Neudeutsch gesprochen, ein vollkommen unelastisches Angebot, das heißt ein Zoll, eine Verbrauchssteuer oder eine Erhöhung des Einkaufspreises ohne Mengenreaktion vollkommen auf den Preis weitergewältzt wird.
Adam Smith geht, unter sehr speziellen Bedingungen, davon aus, dass der
Einzelhandel Verbrauchssteuern weiterwälzen wird. Im eigentlichen Sinn begründet
er seine These nur in einem Nebensatz, in Klammern. Wenn der Wettbewerb
gerade noch soviel übrig lässt, dass es existenzsichernd ist, dann wird
umgewältzt. (Wobei eigentlich auch ein Rückgang der Menge denkbar ist, da bei dem dann höheren Preis die Nachfrage sinkt. Die Aussage, dass die Steuer den Händler nicht belaste, ist also auch dann falsch, wenn er die Steuer / Zoll umwälzt, denn sein Absatz sinkt.)
Davon mal abgesehen, ist der von ihm beschriebene Fall interessant, denn tatsächlich kann er in der Realität vorkommen. In den Lehrbüchern finden wir nur den Fall, der sich in dem üblichen Modell, dem Alfred Marshall Kreuz aus Angebot und Nachfrage, darstellen lässt. Wer will kann auch hier wieder ein Problem sehen, dass uns ständig begegnet. Modelle führen zu einem Tunnelblick.
In some countries, extraordinary taxes are imposed upon the profits of stock; sometimes when employed in particular branches of trade, and sometimes when employed in agriculture. Of the former kind, are in England, the tax upon hawkers and pedlars, that upon hackney-coaches and chairs, and that which the keepers of ale-houses pay for a licence to retail ale and spiritous liquors. During the late war, another tax of the same kind was proposed upon shops. The war having been undertaken, it was said, in defence of the trade of the country, the merchants, who were to profit by it, ought to contribute towards the support of it. A tax, however, upon the profits of stock employed in any particular branch of trade, can never fall finally upon the dealers (who must in all ordinary cases have their reasonable profit, and, where the competition is free, can seldom have more than that profit), but always upon the consumers, who must be obliged to pay in the price of the goods the tax which the dealer advances; and generally with some overcharge. A tax of this kind, when it is proportioned to the trade of the dealer, is finally paid by the consumer, and occasions no oppression to the dealer. When it is not so proportioned, but is the same upon all dealers, though in this case, too, it is finally paid by the consumer, yet it favours the great, and occasions some oppression to the small dealer. The tax of five shillings a-week upon every hackney coach, and that of ten shillings a-year upon every hackney chair, so far as it is advanced by the different keepers of such coaches and chairs, is exactly enough proportioned to the extent of their respective dealings. It neither favours the great, nor oppresses the smaller dealer. The tax of twenty shillings a-year for a licence to sell ale; of forty shillings for a licence to sell spiritous liquors; and of forty shillings more for a licence to sell wine, being the same upon all retailers, must necessarily give some advantage to the great, and occasion some oppression to the small dealers. | In einigen Ländern wird eine Steuer auf Erträge des Kapitals erhoben,
wobei diese Steuer manchmal nur auf das in bestimmten Branchen des
Handels, manchmal auf das Kapital, das in der Landwirtschaft investiert
wurde, erhoben wird. Von dieser Art sind zum Beispiel die Steuern
der fliegenden Händler und Hausierer, der Droschken und Sänftenträgern
und die Steuern, die die Wirte der Bierschenken bezahlen müssen, um
eine Lizenz zum Ausschank für Bier oder Spirituosen zu erhalten. Während
des letzten Krieges wurde eine andere Steuer dieser Art dem Einzelhandel
auferlegt. Der Krieg, so wurde behauptet, war geführt worden, um den
Freihandel zu sichern, so dass die Händler, die am meisten von diesem
Krieg profitiert haben, auch einen größeren Beitrag leisten sollen.
Eine Steuer auf die Profite irgendeiner Branche jedoch, wird nie von
den Händlern getragen werden (die unter gewöhnlichen Umständen einen
auskömmlichen Profit haben und da, wo Wettberwerb herrscht, haben
sie selten mehr als diesen Gewinn), sondern von den Endverbrauchern,
die gezwungen sein werden, die Steuer, die die Händler vorgestreckt
haben, als Bestandteil des Wertes der Waren zu bezahlen und manchmal
sogar noch etwas mehr. Eine Steuer dieser Art, die proportional zum
Umsatz des Händlers ist, wird letztlich vom Endkonsumenten bezahlt
und macht dem Händler gar nichts aus. Ist sie nicht proportional sondern
wird bei allen Händlern in gleicher Höhe erhoben, dann bevorzugt sie,
auch wenn sie letztlich auch vom Konsumenten bezahlt wird, die Großhändler
und belastet die Kleinhändler. Eine Steuer von fünf Schilling auf
jede Sänfte und von zehn Schilling pro Jahr auf jede Droschke, die
die Besitzer jeweils im voraus bezahlen, ist proportional zu ihren
Umsätzen. Sie bevorzugt nicht die großen und unterdrückt nicht die
kleineren Händler. Eine Steuer von zwanzig Schilling im Jahr für einen
Bierausschank, von vierzige Schilling für eine Lizenz Alkohol auszuschenken
und von weiteren vierzig Schilling, für den Weinverkauf, der von allen
Einzelhändlern unabhängig von der Größe erhoben wird, wird notwendigerweise
die Großen bevorzugen und die Kleinen belasten. aus: Book V, Chapter II |
Er macht also im Hinblick auf die Überwälzbarkeit der Steuern sehr viele Aussagen. Da er offensichtlich davon ausgeht, dass die Gewerbetreibenden keinen Spielraum mehr haben, die Steuer selbst abzufangen, werden sie sie überwälzen, wenn die Steuer parallel zum Umsatz ist.
Tun das alle, steigen die Preise. Ein anderes Bild ergibt sich für ihn, bei einer Steuer, die nicht proportional zum Umsatz ist. Ein Fall, der nicht mal so unrealistisch ist.
Die GEMA-Gebühren sind ein fester, vom Umsatz und Gewinn unabhängiger Betrag,
sie sind also so ziemlich das Gegenteil dessen, was ein vernünftiger Kaufmann
erheben würde. Die GEMA Gebühren setzen an aus kaufmännischer Sicht völlig irrelevanten Größen an, der Quadratmeterzahl des Veranstaltungsortes. Die Fiktion wäre irgendwie plausibel, wenn ein Veranstalter den Veranstaltungsort flexibel an das zu erwartende Publikum anpassen könnte, was allerdings höchst selten der Fall ist. Die GEMA müsste am Gewinn ansetzen. Aber der Versuch einem von Juristen dominierten Verein Grundlagen des kaufmännischen Rechnungswesens beizubringen, ist ähnlich sinnvoll wie der Versuch, einem Ochsen Salsa tanzen beizubringen.
Wird ein fester, fixer Betrag erhoben, sind die Großen im Vorteil. Sie können den gleichen Betrag, den auch der "kleine" Gewerbetreibende zu zahlen hat, auf einen größeren Umsatz verteilen, die steuerinduzierte Preiserhöhung ist also bei den "Großen" geringer als bei den "Kleinen". Tendenziell werden also Kleine im Wettberwerb benachteiligt, wenn die Steuer einen fixen Betrag ausmacht. Passen sie sich preislich an die Großen an, wälzen also nicht vollständig um, wird ihr Verdienst geringer, wälzen sie um, ist der Preis, zu dem sie anbieten, höher, als der Preis der "größeren" Konkurrenten, sie wären also im Wettbewerb benachteiligt.
Richtig an der These zur Umsatzsteuer / Verbrauchsteuer / Zölle ist, dass, so sie auf Gütern des täglichen Bedarfs lastet, Menschen stärker belastet
werden, die 100 Prozent ihres Einkommens ausgeben müssen.
Dass die These von Adam Smith, vollständige Umwälzung der Steuer auf den Endkonsumenten nicht stimmt, sehen wir, wenn wir die Erhöhung der Umsatzsteuer von 16 auf 19 Prozent im Jahre im Jahre 2007 betrachten. Wäre die Umsatzsteuer umgewälzt worden, hätte es ja zu einer Inflation von drei Prozent kommen müssen. Tatsächlich bewegt sich die Inflationsrate des Jahres 2007 mit 2,4 Prozent aber völlig im normalen Rahmen. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass die Steuern auf Gewinne gesunken sein müssen. (Was statistisch schwer nachweisbar ist, weil sich die Datenbasis geändert hat, aber eine logische Konsequenz ist.)
Ob die Steuer von den Konsumenten oder Produzenten getragen wird, hängt ab von den Elastizitäten. Gelingt die Umwälzung nicht bzw. nur unvollständig, bzw. würde die partielle oder gesamte Umwälzung zu einem geringeren Gewinn führen, wird sie nicht umgewälzt. Sie führt dann zu einem geringeren Gewinn, wenn der Mengeneffekt, die Nachfrage geht aufgrund des höheren Preises zurück, den Preisefekt überwiegt.
Rein theoretisch dürfte es nicht möglich sein, Ertragssteuern (Einkommensteuer auf Erträge aus gewerblicher und selbständiger Tätigkeit, Gewerbeertragssteuer, Körperschaftssteuer) genauso umzuwälzen wie Verbrauchssteuern (Umsatzsteuern, Verbrauchssteuern in engerem Sinne, Zölle). Erträge ergeben sich im theoretischen Modell aus einer Rente, der Ertrag ist der Unterschied zwischen dem Preis zu dem der jeweilige Unternehmer ein Produkt anbieten kann und dem Marktpreis. Würde der erfolgreiche Unternehmer versuchen die sich aus dem höheren Gewinn ergebende höhere Ertragsssteuer umzuwälzen, würde er sich aus dem Markt katapultieren, bzw. den Vorteil aus seiner günstigeren Produktionsstruktur verlieren.
Auf das Thema kommen wir nochmal zurück, wenn wir über die Wirkung von Steuern bei David Ricardo sprechen, siehe Wirkung von Steuern. Liegt der Durchschnittpreis für z.B. Getreide fest, dann erwirtschaften die Grenzanbieter keine Rente, zahlt folglich auch keine Rente auf die Steuern, wenn diese proportional zur Rente erhoben wird. Damit ändert sich aber auch der Durchschnittspreis nicht. Die Bezieher von Rente aus Bodenerträgen können dann den Preis nicht anheben und müssen die Steuer auf die Rente selber tragen.
Adam Smith geht jetzt von einer anderen Situation aus. Die Einkommen der Gewerbetreibenden sind gerade noch so hoch, dass sie auskömmlich davon leben können. Einen Grenzanbieter im eigentlichen Sinn gibt es also gar nicht. In seinem Modell gibt es gar keine Renten, Differenz aus Marktpreis und individueller Kostenstruktur. Wird, bzw. muss, eine Steuer (Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer) auf den Ertrag umgewälzt werden, dann schlägt natürlich auch eine Steuer auf die Gewinne auf den Preis durch. Das stimmt aber nur, wenn alle Unternehmen gerade noch so überleben und sie pleite gingen, wenn sie die Steuer selber bezahlen würden.
Zusammenfassend: Gibt es Produzentenrenten dann kann
eine Besteuerung derselben in der Regel nicht umgewälzt werden, da der Grenzanbieter,
der keine Rente erzielt und folglich diese Steuer auch nicht bezahlt, den
Marktpreis bestimmt. Die Bezieher von Renten können dann nicht umwälzen,
denn sie würden sich dann aus dem Markt katapultieren. Wir werden bei Ricardo nochmal auf das Thema zurückkommen. Verbrauchsteuern können umgewälzt werden, denn auch der Grenzanbieter wälzt sie weiter und erhöht damit den Marktpreis. Allerdings geht die Nachfrage dann zurück.
Von der Höhe der Umwälzung hängt es dann ab, wieviele zusätzliche Einnahmen der Staat durch die Erhöhung der Umsatzsteuer erhält. Kann sie nicht umgewälzt werden, sinken die Gewinne der Unternehmen und damit die Einnahmen aus gewinnabhängigen Steuern. Da die gewinnabhängigen Steuern höher sind als die Umsatzsteur, können in diesem Fall die Steuereinahmen sogar sinken. Gelingt die vollständige Umwälzung, dann erhöhen sich die Steuereinahmen, da die Einkommensteuer der Arbeitnehmer von dem Prozess nicht betroffen ist. Allerdings haben wir dann eine Inflation, die langfristig zu einem Anstieg des nominalen Lohnniveaus führen wird, was aber durch den progressiven Tarif der Einkommensteuer die Staatseinnahmen nochmal erhöht. In diesem Fall kassiert der Staat also gleich zweimal.
Dass Adam Smith bereits vollständig sieht, dass eine Steuer / ein Zoll sich auf den Preis UND auf die Menge auswirkt und die Mengenwirkung die Preiserhöhung überkompensieren kann, kann man diesem Abschnitt entnehmen. (Auch wenn er oben die Verhältnisse etwas unscharf beschreibt.)
High taxes, sometimes by diminishing the consumption of the taxed commodities, and sometimes by encouraging smuggling frequently afford a smaller revenue to government than what might be drawn from more moderate taxes. When the diminution of revenue is the effect of the diminution of consumption, there can be but one remedy, and that is the lowering of the tax. | Hohe Steuern verringern manchmal den Konsum der
besteuerten Ware und begünstigen manchmal auch den
Schmuggel, was dazu führt, dass die hohe Besteuerung
zu geringeren Einnahmen führt als eine niedrigere.
Wenn der geringere Konsum zu weniger Einnahmen führt,
dann kann dem nur durch eine Verringerung der Steuern
Abhilft geleistet werden. aus: Book V, Chapter II |
Was er meint, kann man sich wieder an einem extrem Beispiel klar machen. Wird eine Steuer auf eine Ware erhoben und wird diese Steuer auf den Preis umgewälzt, dann kann der Steuerertrag auch null sein, wenn die verkaufte Menge dann auf Null geht. Irgendwo zwischen vollkommener Umwälzung und teilweiser Umwälzung, je nach Preiselastizität, gibt es dann die "optimale", also die Einnahmen maximierende Steuer.
nach oben ...
Umsatzsteuern, Zölle und Verbrauchsteuern können umgewälzt werden. Gewinnsteuern sind eine Rente im Sinne Ricardos und können nicht umgewälzt werden.
In dem Spezialfall, von dem Adam Smitz ausgeht, gerade noch existenzsichernder Gewinn, werden Steuern auf den Umsatz umgewälzt.
In anderen Fällen haben wir eine Preis und Mengenanpassung, die Abhängt von der Elastizität der Nachfrage.