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1.4.2 Liberalismus

Hinsichtlich seiner Vorstellungen über Ökonomie bleibt John Stuart Mill im Wesentlichen den Vorstellungen der Klassik, insbesondere den Vorstellungen von David Ricardo, verhaftet auch wenn er insgesamt doch deutlich differenziertere Ansichten entwickelt. Was ihn von der Klassik jedoch deutlich unterscheidet, ist der eher politische Ansatz. In der Klassik und der Neoklassik gibt es eigentlich für politische Entscheidungen gar keinen Raum, weil die wesentlichen Fragen, was, wie, für wen produziert wird, Resultat des Marktergebnisses sind und Märkte, nach den Vorstellung der Klassik und Neoklassik, stabil sind, bzw. das Marktergebnis durch eine wie auch immer zustande gekommene Regierung nicht verbessert werden kann.

Hinzukommt, dass in der Klassik Bildung / Ausbildung, technischer Fortschritt zwar als relevante ökonomische Faktoren genannt werden, dem Staat aber diesbezüglich keine Funktion zugewiesen wird. Anders formuliert, es ist eigentlich völlig egal, wer regiert und wie die Regierung zustande kommt. Entscheidend ist nur, dass sie möglichst nichts tut. Wir werden diese Ansicht später auch bei Hayek und Friedman wiederfinden.

Da wo die Marktwirtschaft alles regelt und wo das, was diese nicht regelt, auch nicht geregelt werden muss, besteht weder Raum noch Bedarf an demokratischen Entscheidungsprozessen. Die Sympathie der Neoliberalen à la Hayek und Friedman für Diktaturen aller Art, vorausgesetzt die marktwirtschaftliche Ordnung bleibt unangetastet, ist hieraus die logische Konsequenz.

Die Ansichten Hayeks und Friedmans sind hierbei philosophisch oder nicht philosophisch, je nachdem, wie man es betrachtet. Philosophisch sind sie insofern, als sie von konkreten Gegebenheiten vollkommen abstrahieren, und auf dem Boden des staatlich durch das Strafrecht reglementierten bellum omnium contra omnes das Reich der Freiheit errichtet wird. Jeder, der sich also keine Krankenversicherung leisten kann, hat die Freiheit zu sterben und jeder, der sich keine Schulbildung leisten kann, hat die Freiheit, ein leben lang am Rande des Existenzminimums dahinzuvegetieren.

Von der Tonlage her unterscheidet sich hiervon der Ordoliberalismus, auch wenn es schwierig ist, den Ordoliberalismus klar vom Neoliberalismus abzugrenzen. Die Unterschiede bestehen eher in der Setzung unterschiedlicher Schwerpunkte und in der Tonlage. Beim Ordoliberalismus à la Walter Eucken stehen stärker die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs und Allokationsfragen im Vordergrund, beim Neoliberalismus eher die Freiheit. Der Ordoliberalismus betont eher die Bedeutung des Staates zur Aufrechterhaltung des Wettbwerbs, der Neoliberalismus betont eher den Eingriff des Staates in die Wirtschaft und die unternehmerische Freiheit.

Stärker als die anderen betont Alfred Müller-Armack, soziale Marktwirtschaft, die Möglichkeit, die Verteilung des Einkommens als Resultat des Marktprozesses nachträglich zu verändern, wobei allerdings der Begriff "soziale Marktwirtschaft" a) vage ist und b) auch nichts spezifisch Deutsches. Wir haben ähnliche Systeme in X Staaten. Orginell allerdings sind alle diese Strömungen nicht. Im Grunde handelt es sich beim Ordoliberalismus bzw. Neoliberalismus um Anmerkungen zu Adam Smith bzw. was Sinn macht, stammt von Adam Smith und der Rest ist dann Blödsinn.

Beide Strömungen ähneln sich aber in der methodischen Vorgehensweise. Sehen wir mal von Adam Smith und Alfred Marshall, der Intellektuelle unter den Neoklassikern, ab, dann sind alle diese Richtungen, Klassik, Neoklassik, Neoliberalismus, Ordoliberalismus systemische Ansätze.

Ähnlich dem Straßenverkehr soll auch die Wirtschaft regelbasiert gelenkt werden. Man kann also zwar immer dahin fahren, wohin man will, aber bestimmte Regeln sind zu befolgen. Allerdings ist die Analogie zum Straßenverkehr schwach. Denn beim Straßenverkehr können die Regeln wenigstens noch durch eine demokratisch gewählte Regierung geändert werden. Genau dagegen rebelliert aber der Neoliberalismus.

Die Regeln, die die Wirtschaft lenken, sind bei Hayek und Friedman als letzte Wahrheiten in Stein gemeiselt, wobei aber die Hypostasierung dieser letzten Wahrheiten aus irgendeinem Grund keine Anmassung von Wissen ist.

Das ist nun alles sehr philosophisch, weil es keine einzige konkrete Antwort auf konkrete gesellschaftliche Fragen liefert. Wie soll das Bildungssystem ausgestaltet sein? Organisatorisch, inhaltlich, didaktisch? Wieviele Ressourcen sollen in welchen Bereich staatlich finanzierter Forschung fließen? Wie soll auf globale Probleme, die ein einzelner Staat nicht lösen kann, reagiert werden? Wie soll die Alterssicherung finanziert werden, wenn der Markt versagt? Wie bringt man die Wirtschaft Griechenlands wieder in Schwung? Eine allgemeine Suada über die Freiheit nützt uns da wenig. Hayek ist da recht philosophisch.

Weniger philosophisch ist er da, wo die Philosophie tatsächlich etwas leisten könnte. Zwar beantwortet Bloch, siehe philosophische Kritik, auch keine tagespolitischen Fragen, aber wir können bei Bloch, wesentlich radikaler als bei Hayek und seiner Suada von der "Anmassung des Wissens" lernen, dass es nur wenig gibt in der Weltgeschichte, was tatsächlich stabil ist und vor allem können viele Spielregeln obsolet werden, wenn der Horizont immer weiter geöffnet wird.

Anders formuliert. Viele Menschen sind ab und an Autofahrer, dann sind Regeln sinnvoll. Regeln aber die festlegen, wohin sie fahren, sind nicht sinnvoll. Das ist die These von Hayek. Eine Gesellschaft muss sich aber nicht nur überlegen, WIE sie irgendwo hinfährt, sie muss sich vor allem mal die Frage stellen, WOHIN sie überhaupt fahren will und das Reiseziel muss natürlich interessant sein.

Hayek beschäftigt sich nur mit der Frage, wie man irgendwohin fahren soll, aber nicht, wohin man fahren soll. Er betont lediglich, dass jeder dahin fahren darf, wohin er fahren will. Dem ist natürlich zuzustimmen. Hinterfragen kann man allerdings wie sich die Vorstellungen vom Ziel der Reise überhaupt bilden.

Er ähnelt Popper hier insofern, als er jede Zielbestimmung, expressis verbis sagt er das nicht, aber das darf man ihm unterstellen, als totalitär betrachtet. Wir werden bei Bloch noch lernen, dass die Zielbestimmung mit der maximal möglichen Zertrümmerung von ideologischen Endzuständen aller Art einhergehen kann.

Wir unterschätzen den systemischen Ansatz nicht und haben auf der www.recht-eigenartig.de auch ausführlich beschrieben, wie ein System ohne systemische Kontrolle auf die schiefe Bahn gerät. Wir unterschätzen auch nicht die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft in der Informationsverarbeitung durch Preissignale. Allerdings sollte man die Kirche im Dorf lassen.

An dem systemischen Ansatz stören insbesondere sechs Dinge:

1) Erstens die Reduktion des Menschen zum reinen Autofahrer, der mechanisch auf Signale reagiert. Die krassesten Vertreter dieses Typs sind Vilfredo Pareto und Léon Walras. Es sei konzediert, dass der homo oeconomicus sich durch die Wirtschaft bewegt, wie der Autofahrer durch den Verkehr und dieses Verhalten auch erstmal sinnvoll ist. Weniger sinnvoll ist der homo oeconomicus, der sich durch die Bürokratie bewegt. Dann ähnelt er eher dem Autofahrer, der auf Straßenschilder zwar reagiert, die Straßenschilder aber alle zum Rastplatz führen. Allerdings ähnelt die Neoklassik eher einem Verkehr, bei der auch keine Fahrer mehr vorhanden sind. Die Autos fahren von alleine.

2) Man liest immer mal wieder hier und da, dass die österreichische Schule, also das ist Hayek und Co, nicht mathematisch modellieren. Das gibt sich aber nicht viel. Mathematisch oder unmathematisch sind sie auf der Suche nach den ewigen Gesetzen und Ordnungen. Die mathematischen wie die unmathematischen Gesetze und Ordnungen haben einen "astronomischen" Blick auf die Wirtschaft. Die Marktkräfte sorgen für das Gleichgewicht wie die Schwerkraft die Planeten um die Sonne kreisen lässt. Das sieht dann zwar schwer wissenschaftlich aus, noch wissenschaftlicher natürlich wenn es mathematisch modelliert ist, dann sieht es fast so gut aus wie Physik, doch leider gelten diese Gesetze gleichermaßen in Bolivien, in Deutschland, auf dem Mars und sonstwo. Das ist kein Vorteil, sondern ein Nachteil. Denn die Allgemeingültigkeit ist mit Trivialität erkauft. Und mit Trivialaussagen können wir uns leider keinen Bagger kaufen oder irgendein ein Problem lösen. Die Aussage je mehr Geld man hat, desto mehr kann man sich kaufen, ist auch richtig, nur leider kann man damit nicht viel anfangen.

3) Die systemische Weltsicht bedingt wiederum, dass alles, was nicht systemisch ist, aus dem Blickfeld gerät. Bedauerlicherweise beeinflussen aber nichtssystemische Zusammenhänge, qualitative Sprünge, die ökonomische Entwicklung. Zwar ist das Gesetz vom abnehmenden Grenzertrag der Arbeit ausreichend vage formuliert, um auch dann noch zuzutreffen, wenn Bolivien und Namibia zum High Tech Land geworden sind, doch leider wird das nicht der interessante Tatbestand sein. Der interessante Tatbestand wird dann sein, wie die das geschafft haben.

4) Die systemische Diskussion legt den Grundstein für Fundamentaldiskussionen aller Art. Zwar spricht nichts dafür, dass Ideologien tatsächlich inhaltlich motiviert sind, siehe Karl Marx, um herauszufinden, was eine Ideologie ist, muss man ein Stockwerk weiter unten ansetzen, aber sie liefern immerhin den Überbau. Systemische Diskussionen versperren etwas den Blick auf das tobende Leben.

5) Egal was die Adepten der Systemologie behaupten, Systemologen sind im Besitz der Wahrheit und sehen wenig Anlass, noch irgendwas durch demokratische Entscheidungsprozesse, die ja im Kern schon die Möglichkeit der Revision beinhalten, überprüfen zu lassen. Hayek und Marx ist eigentlich die gleiche Liga. Der eine hat den Verkehr optimal geregelt und der andere ist im Paradies der klassenlosen Gesellschaft gelandet. Das gibt sich nicht viel, beide haben aber mächtig viele Seiten voll gepinselt. Der eine ist glücklich bei Pinochet und der andere ersehnt die Diktatur des Proletariats. Jo mai. Das ist Jacke wie Hose. Der Unterschied ist in etwas so groß, wie der zwischen einem christlichen Fundamentalisten und einem islamischen Fundamentalisten. Die Erleuchteten dieser Welt sind ein Fall für psychologisch geschulte Philosophen. Ein Volkswirt kann dazu eigentlich wenig sagen.

6) Alle Varianten der Erleuchteten, sehen wenig Anlass, die Plebs in die Lage zu versetzen, sich selbst ein Urteil zu bilden, was naheliegend ist, da die Qualität demokratischer Entscheidungsprozesse schlicht irrelevant ist, wenn völlig klar ist, wie die Wirtschaft und Gesellschaft zu ordnen ist.

Der zweite Teil des Zitats unterstützt zwar die Positionen des Liberalismus und falsch ist es auch nicht, interessanter ist aber der erste Teil.

On the one hand, impatient reformers, thinking it easier and shorter to get possession of the government than of the intellects and dispositions of the public, are under a constant temptation to stretch the province of government beyond due bounds: while, on the other, mankind have been so much accustomed by their rulers to interference for purposes other than the public good, or under an erroneous conception of what that good requires, and so many rash proposals are made by sincere lovers of improvement, for attempting, by compulsory regulation, the attainment of objects which can only be effectually or only usefully compassed by opinion and discussion, that there has grown up a spirit of resistance in limine to the interference of government, merely as such, and a disposition to restrict its sphere of action within the narrowest bounds.

Auf der einen Seite sind ungeduldige Reformer im Glauben, dass es einfacher ist, sich der Regierung zu bemächtigen als die Öffentlichkeit zu überzeugen und auf deren Zweifel einzugehen, immer bestrebt den Machtbereich der Regierung über das was sinnvoll ist hinaus auszudehnen. Auf der anderen Seite sind die Menschen durch die Einflussnahme der Regierenden zu Zwecken, die nicht der Allgemeinheit dienen oder aufgrund falscher Vorstellungen über die Zweckdienlichkeit der Mittel, durch überstürzte, gutgemeinte, Vorschläge, durch den Versuch durch Zwang etwas zu erreichen, das eigentlich nur mit der Zustimmung der Bevölkerung und durch Überzeugungsarbeit bewirkt werden kann, derart enttäuscht, dass jede Art von Einmischung der Regierung auf Widerstand stößt und eine Neigung besteht, deren Einfluss nur noch innerhalb sehr enger Grenzen zu akzeptieren.

aus: www.econlib.org

In der Tat besteht eine Überschätzung der Möglichkeit Verhältnisse über politischen Maßnahmen zu verändern. Politiker kommen und gehen und sind auch schnell wieder vergessen. Änderungen in der Fähigkeit, wirtschaftliche / soziale Probleme differenziert zu bewerten, haben eine langfristigere Wirkung und würden die Qualität demokratischer Entscheidungsprozesse erhöhen. An der Baustelle kann man noch arbeiten, siehe Präliminarien. Der Weg über politische Parteien Reformen anzuschieben dürfte in der Tat sinnlos sein. Politische Parteien folgen dem Wähler und nicht umgekehrt. Er nennt also in der Tat einen Kardinalen Fehler der Ökokaste, siehe die Politik und die Volkswirtschaftslehre.

Der nächste Satz, ....Auf der anderen Seite sind die Menschen durch die Einflussnahme..., ist dann schwieriger. Was sich tatsächlich breit macht ist ein Desinteresse für die Politik. Die Partei der Nichtwähler könnte immer den Kanzler stellen. Sie hat die Mehrheit. Andererseits soll aber auch der Staat soziale Probleme lösen. Er auf jeden Fall beschreibt eine Stimmung, die staatliche Einflussnahme generell kritisch beurteilt. Es dürfte aber nicht nur eine Stimmung gewesen sein. Es ist die Auffassung aller Klassiker, Adam Smith, David Ricardo, Jean Baptiste Say, dass sich der Staat vor allem mal raushalten soll.

So gesehen können sich die Neoliberalen gar nicht auf John Stuart Mill berufen. Denn John Stuart Mill beschreibt eine Überreaktion und relativiert diesen Standpunkt der Klassiker. John Stuart Mill vertritt nicht die Position der Klassik und der Neoliberalen, dass der Markt alles regelt und was der Markt nicht regelt auch keiner Regelung bedarf. Hayek überspringt sozusagen John Stuart Mill und geht zurück zu Adam Smith, was er, also Hayek, ja auch immer wieder betont. John Stuart Mill ist, bei Hayek, das Tor, durch das der weichgespülte Liberalismus in die Welt kam, der wiederum das Einfallstor des Sozialismus ist, siehe Zitat unten.

Neoliberale sehen die Aufgaben des Staates beschränkt auf Strafverfolgung und Verteidigung. Neuerdings wird die Staatsintervention dadurch gerechtfertigt, dass es sich um ein öffentliches Gut handelt. Gibt es eine Polizei, eine Armee, genießt jeder diesen Schutz, unabhängig davon, ob er zahlt oder nicht zahlt. Genau so stark wäre aber die Rechtfertigung staatlichen Handelns, wenn man diese als Versicherungsleistung ansieht, was die sozialen Sicherungssysteme, bevor dazu übergegangen wurde, Steuergelder zuzuschießen, Krankheit / Arbeitslosigkeit / Alterssicherung, ja ursprünglich auch mal waren. So wenig wie sich der einzelne allein gegen einen Autounfall versichern kann, hier schreibt man die Versicherung vor, die Versicherung ist aber privat, sowenig kann er sich gegen Krankheit alleine versichern, hier allerdings ist die Versicherung weitgehend in staatlicher Hand. Es ist also praktisch unmöglich, von meritorischen Gütern, externen Kosten etc. mal ganz abgesehen, eine klare Trennlinie zu ziehen. John Stuart Mill auf jeden Fall geht gegen Adam Smith, spricht sich für mehr staatlichen Einfluss aus.

In attempting to enumerate the necessary functions of government, we find them to be considerably more multifarious than most people are at first aware of, and not capable of being circumscribed by those very definite lines of demarcation, which, in the inconsiderateness of popular discussion, it is often attempted to draw round them. We sometimes, for example, hear it said that governments ought to confine themselves to affording protection against force and fraud: that, these two things apart, people should be free agents, able to take care of themselves, and that so long as a person practises no violence or deception, to the injury of others in person or property, legislatures and governments are in no way called on to concern themselves about him. But why should people be protected by their government, that is, by their own collective strength, against violence and fraud, and not against other evils, except that the expediency is more obvious? If nothing but what people cannot possibly do for themselves, can be fit to be done for them by government, people might be required to protect themselves by their skill and courage even against force, or to beg or buy protection against it, as they actually do where the government is not capable of protecting them: and against fraud every one has the protection of his own wits. But without further anticipating the discussion of principles, it is sufficient on the present occasion to consider facts.

Versuchen wir die notwendigen Leistungen des Staates zu benennen, werden wir finden, dass diese sehr viel facettenreicher sind, als sich viele Leute erstmal bewusst sind und sie durch eindeutige Grenzen nicht so klar umrissen werden können, wie dies pauschal in der öffentlichen Diskussion immer behauptet wird. Wir hören zum Beispiel immer wieder, dass sich die Regierung darauf beschränken müsse, vor Gewalt und Betrug zu schützen, dass aber ansonsten Menschen frei handeln können sollten und auf sich selber achten sollten. Solange als jemand, zu Lasten anderer Personen oder deren Eigentum, nicht gewalttätig ist oder betrügt, sei der Gesetzgeber oder die Regierung in keinster Weise dazu berufen sich darum zu kümmern. Aber warum sollten Leute durch ihre Regierungen, also, durch die gemeinsame Stärke, gegen Gewalt und Betrug geschützt werden, nicht aber gegen andere Gefahren, wo doch lediglich der Schaden offensichtlicher ist? Wenn nur das, was Menschen unter Umständen nicht selbst tun können, sich dazu eignet von der Regierung getan zu werden, dann könnten die Leute sich auch selbst mit eigenen Mitteln und Kraft gegen Gewalt wehren bzw. um Schutz nachfragen oder bezahlen, was sie ja gewöhnlich auch tun, wenn die Regierung nicht in der Lage ist, sie zu schützen und gegen Betrug kann sich jeder mit seinem eigenen Verstand wehren. Doch bevor wir mit der Diskussion der Prinzipien fortfahren, ist es besser die Fakten zu betrachten.

http://www.econlib.org/library/Mill/mlP63.html


Man hätte vielleicht einfacher argumentieren können. Die Frage ist ganz schlicht die: Wer löst ein bestehendes Problem am besten? Die Antwort des Neoliberalismus, Ordoliberalismus ist hierbei relativ klar, die Privatwirtschaft, und die Argumente sind seit Adam Smith bereits in allen Varianten durchgekaut.

Da die kleinen Einheiten, also die Unternehmen, in Bezug auf ihre Potentiale, Handlungsoptionen, technische Kenntnisse, Marktkenntnisse, Ausweichstrategien, Risiken, Organisation etc. etc. wesentlich besser informiert sind, also die zentrale Regierung, ist es günstiger, wenn man einen Ordnungsrahmen schafft, der es diesen kleinen Organisationen erlaubt über Preissignale zu interagieren.

Gibt es zum Beispiel, damit hat die infos24 GmbH was zu tun, eine neue Methode Bücher zu binden, also nicht mehr in einer "echten" Buchbinderei sondern über leistungsstarke Kleber und einem speziellen Verfahren, dann wird sich das Unternehmen, in diesem Falle die infos24 GmbH anpassen, das heißt das Verfahren wechseln. Solche Prozesse finden in einer marktwirtschaftlichen Ordnung täglich zu Hunderttausenden statt. Unstrittig ist des weiteren, dass der Unternehmer spätestens dann, wenn die real Vernichtung droht, ungemütlicher arbeitet als ein Beamter. Soweit so klar. Aber stimmt das wirklich immer?

Der schärfste Einwand gegen diese Logik stammt von Keynes, darauf gehen wir noch ausführlich ein. Auch die Privatwirtschaft kann mit der Komplexität des Marktes gnadenlos überfordert sein, dann kann sogar noch der Staat besser agieren. Darauf kommen wir noch ausführlich zurück.

Dass Neoliberale Keynes hassen, hier ist Hayek noch moderat, ist nachvollziehbar, allerdings kann in der Rezession der Markt versagen.

In einer Krise bräuchte man Unternehmen, die gegen den Strom schwimmen, die also investieren, wenn niemand mehr investiert. Das Problem ist, dass sie von den daraus resultierenden Wachstumsimpulsen, ihre Arbeiter haben ja dann Geld und geben selbiges auch wieder aus, nicht profitieren. In der Krise gegen den Strom zu schwimmen ist also der sichere Tod.

Beim Staat sieht es anders aus. Er profitiert über höhere Steuereinnahmen und, wenn sich die Wirtschaft erholt, geringeren Transferzahlungen von Investitionen. Er ist der einzige, der von allen positiven Sekundäreffekten profitiert. Deshalb ist er der einzige Akteur, der gegen den Strom schwimmen kann. Allerdings bedarf es vor der Anwendung staatlicher Fiskalpolitik einer präzisen Analyse der Situation. Führt der staatlich induzierte Primärimpuls zu einem Leistungsbilanzdefizit, weil die durch den Primärimpuls induzierte Nachfrage im Ausland befriedigt wird, erhalten wir ein Strohfeuer.

Wir wollen alle diese Fragen hier aber gar nicht klären. Wir stellen nur fest, dass uns rein praktisch gesehen ein allgemeines Geschwafel über Freiheit nicht weiterbringt.

Weiter gibt es Bereiche, wo es keine Preise gibt, z.B. im Bereich Bildung / Ausbildung. In diesen Bereichen ist die Privatwirtschaft nicht schlauer als der Staat. Forschung und Entwicklung wird überall auf der Welt weitgehend über den Staat, also den Steuerzahler finanziert. Man kann finden, dass das System verbesserungsfähig ist, siehe Forschung und Entwicklung durch den Staat, aber der Staat ist wohl der einzige, der sich hier gegen das Risiko von Pleiten, die man hinnehmen muss, versichern kann, weil er von ALLEN Einnahmen erfolgreicher Forschung, die also zu marktfähigen Produkten geführt hat, über Steuern, geringere Ausgaben für Transferleistungen, spill over Effekte etc. profitiert.

Es gibt sogar Beispiele, Airbus Industrie, wo der Staat, in diesem Falle Staaten, schon erfolgreich Unternehmen gegründet hat. Dann kommt natürlich das Riesenthema Japan, wo der Staat über das MITI massiv in die Wirtschaft eingriff. Mehrere dicke Bücher könnte man auch über China schreiben, wo der Staat ebenfalls sehr erfolgreich die Wirtschaft lenkt.

Also wenn die Freiheits Suada auf die konkrete Praxis trifft, kann man nicht mehr viel damit anfangen. Wir kommen bei Milton Friedman, da geht es um Bildung, darauf zurück. Dass staatliches Handeln kontrolliert werden muss, keine Frage. Wir gehen ausführlich in der www.recht-eigenartig.de auf das Thema ein. Die Lösung all unserer Probleme sieht anders aus. Die Frage, inwieweit der Staat intervenieren soll, wird man nie klären können, da sich dies auch im Zeitablauf und den hierdurch bedingten Situationen ändern kann.

Sicher ist nur, dass der Bedarf durch eine gut informierte, kompetente Öffentlichkeit mit zunehmender Machtfülle des Staates steigen muss. Die ganzen Verbände der Freiheitssänger, und davon gibt es, siehe Hayek, verdammt viele, beschäftigen sich eigentümlicherweise mit dieser Frage, wie bekommt man Transparenz in das System, überhaupt nicht, obwohl dies der konstruktiviere Ansatz wäre. Fundamentalopposition und Gesänge auf die Freiheit nützen wenig. Sinnvoller ist ein Verfahren, dass step by step Transparenz in staatliches Handeln bringt.

Transparenz ist die eigentlich spannende Frage. Wenn z.B. irgendwelche Ministerialbeamte in irgendwelchen Talkshows Krokodilstränen heulen über Kinderarbeit auf Kakao Plantagen, dann wüsste der Autor nur zu gerne, warum der Zoll auf Kakaoprodukte höherer Verarbeitungsstufe nicht abgeschafft wird. Dann wird nämlich in Ghana richtig Geld verdient und man kann es sich leisten, die Kinder in die Schule zu schicken, siehe Arm durch Erpressung . Es geht also um Schaffung von Transparenz. Das ist konkret, praktisch und eine klare Handlungsanweisung. Allerdings ist dies kein systemischer Ansatz. Es gibt hier keine Verkehrschilder, die dem einzelnen mechanisch mitteilen, was zu tun ist. Die Freiheit Hayeks beschränkt sich auf den Kreisverkehr.

Wir verlassen jetzt das Werk "Principles of Political Economy". Man könnte es, als Kontrastprogramm zum Neoliberalismus, weiter analysieren. John Stuart Mill bezweifelt eine Menge. Er bezweifelt, dass der Wettbewerb immer günstiger ist als Kooperation, er sympathisiert teilweise mit "sozialistischen" Ideen, die Betriebsmittel könnten auch dem Unternehmen, also der Summe der dort Beschäftigten gehören, plädiert für eine Einschränkung der Möglichkeit Vermögen zu vererben etc.. Das wäre aber letztlich nur historisch interessant.

Berühmt ist John Stuart Mill als einer der Begründer des Liberalismus, hiervon handelt seine wohl berühmteste Schrift, On Liberty, über die Freiheit. Diese allerdings geht über das übliche Freiheitsgeschwaffel à la FDP, Hayek, Friedman etc. weit hinaus. Man kann zwar nicht sagen, dass die Schrift ein konkretes politisches Programm ist, also konkrete politisch umzusetzende Maßnahmen vorschlägt.

Ähnlich wie Popper und Bloch definieren sie aber ein Grundverständnis, ohne dass Freiheit sinnlos ist. Die rein wirtschaftliche Freiheit nämlich, so wie Hayek sich das vorstellt, garantiert mitnichten die Freiheit. Die wirtschaftliche Freiheit ist zum Beispiel in allen islamischen Ländern weit mehr garantiert, als in den entwickelten Industriestaaten, teilweise werden dort nicht mal Steuern bezahlt. Gleichzeitig sind diese Länder Beispiele für extreme Unfreiheit.

Um mal ein extremes Beispiel zu nennen. Die Unterstützung der Taliban in ihrem Kampf gegen die Sowjetunion von Seiten der USA in den achtziger Jahren wurde zum Freiheitskampf hochstilisiert. Formal war es das. Im Resultat wurde damit dem weltweit unfreiesten System zur Macht verholfen. Das hat im übrigen der Autor schon mit 14 Jahren in einer öffentlichen Diskussion mit irgendwelchen afghanischen Freiheitskämpfern genau so prognostiziert und genau das ist eingetreten mit den bekannten Konsequenzen.

Bedenklich ist, dass die Oberstudienräder, es war ein schulische Veranstaltung, auf Seiten der Freiheitskämpfer waren. Die Argumentation des Autors war relativ einfach. Wenn alle Bauern sind, alle Moslems, die wenigstens lesen und schreiben können, die Freiheit der Kunst aufgrund mangelnder Produktion kein Thema ist, ist das mit der Freiheit relativ. Wenn aber die Hälfte der Bevölkerung, nämlich der weibliche Teil, vollkommen, total und in jeder Hinsicht entrechtet ist, dann kann eine Erziehungsdiktatur, was anderes machen auch die ISAF Streitkräfte nicht, sehr wirkungsvoll die Freiheit verteidigen.

Manche Dinge muss man mal mit dem gesunden Menschenverstand betrachten. Mit einer sowjetischen Zentralgewalt in Kabul wäre mehr für die Freiheit getan worden, als mit der Unterstützung der Taliban und Deutschland hätte 9 Milliarden Euro gespart, die jetzt sinnfrei und ohne jeden Erfolg sprichwörtlich verballert wurden.

Das Beispiel hat geringe Relevanz, weil es sehr einzigartig ist. Man sollte aber bei Begrifflichkeiten immer mal wieder reflektieren, was sie eigentlich konkret in einem konkreten Kontext bedeuten. Der Fall Hayek, Diktatur verteidigt Freiheit, siehe Hayek, ist also theoretisch vorstellbar. Die Diktatur allerdings, die lediglich die wirtschaftliche Freiheit verteidigt, bringt gar nichts.

Es ist denkbar, allzu viele Beispiel gibt es hierfür nicht, dass eine straffe Zentralregierung, die durchgreift, Garant der Freiheit ist. Es ist nun durchaus nicht so, dass der Autor allzu viel Sympathien hat für das Geschwurbel vom "sozialistischen" Menschen. Aber das Sozialismus Geschwurbel und das Freiheitsgeschwurbel à la Hayek läuft so ziemlich auf das gleiche hinaus. Dummheit ist nie cool, Dummheit ist immer voll uncool.

Freiheit kann auch nicht systemisch über das Aufstellen von Verkehrsschildern garantiert werden. Freiheit kann es nur geben, wenn das Individuum in seiner Einzigartigkeit nicht nur zugelassen, sondern auch aktiv gefördert wird. Freiheit setzt einen gesellschaftlichen Konsens darüber voraus, dass Diversität ein positiver Wert ist. Diese Diversität ist aber nicht einfach so da und muss dann lediglich verteidigt werden. Diversität muss aktiv gefördert worden.

Die Freiheit, die Hayek meint, ist die Freiheit der Ameise, die von Pheromonen gesteuert ihre im Ameisenhaufen sinnvolle Arbeit verrichtet. Die These von Hayek / Friedman, dass die wirtschaftliche Freiheit die Grundlage sei für die persönliche Freiheit allgemein, stimmt dann nicht mehr, wenn alle Individuen unter dem Primat des ökonomischen Erfolges gleichgeschaltet werden, siehe Adorno.

Im übrigen täten die ganzen Freiheitskämpfer von www.hayek.de, www.walter-eucken-institut.de, hayek-institut.at, www.insm.de, www.freiheit.org, www.wertderfreiheit.net etc. etc., es gibt wirklich unendlich viele solcher Clubs von irgendwelchen Prof. Dr, also Freiheitskämpfern mit Pensionsberechtigung, besser daran, konkret Unternehmen zu Gründen und Arbeitsplätze zu schaffen. Wir haben keinen Mangel an Schwätzern, aber einen Mangel an Unternehmern.

Die Bedingung von Freiheit ist die Diversität. Der Unterschied zwischen der Freiheit der Ameise im Ameisenhaufen und der Freiheit im Sozialismus ist exakt Null. Mag sein, dass der Ameisenhaufen ein bisschen größer wird, wenn die einzelne kreative Ameise die richtigen Blätter gefunden hat und über Pheromene die anderen dann in die richtige Richtung lenkt, anstatt dass alle Ameisen zentral gesteuert werden. Im Grunde gibt sich das aber nicht viel. Der Unterschied zwischen Hayek und Marx ist in etwa so bedeutend wie der zwischen Ayotallah Chomeini und Papst Ratzinger.

Ohne Diversität, macht Freiheit keinen Sinn. Es muss auch jemanden geben, der überhaupt frei sein will. Die Schrift Adornos Kulturindustrie oder Aufklärung als Massenbetrug wurde unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg geschrieben. Die Thesen muss man heute nicht mehr 100 prozentig richtig finden, zumal die Einrichtungen der formalen Bildungssysteme durch die Reduktion von Inhalten zu reinen Tauschwerten mindestens genau so viele Pheromone beisteuern wie die Kulturindustrie. Die Kulturindustrie ist nachgerade sogar der letzte Hort der Authentizität. Gegen die Jungs und Mädels vom deutschen Philologenverband ist die Kulturindustrie geradezu das tobende Leben. Gültig sind die Thesen Adornos aber für die Nachrichtenindustrie. Die Relevanz einer Nachricht ergibt sich nicht aus deren Relevanz, sondern aus ihrer Fähigkeit ein Massenpublikum erreichen zu können. Bedeutung ergibt sich aus der Masse der Rezipienten, nicht aus der Relevanz und mit der Masse der Rezipienten, steigt das Interesse der Öffentlichkeit. Die Frage, welche Umverteilungswirkungen es hat, wenn die Zentralbanken die Börsen alimentieren ist nicht interessant. Interessant ist, was Anne Will in der letzten Talkshow vor sich hin geblubbert hat.

Es ist ein kurioses Phänomen, dass ein weit größerer Konsens darüber besteht, dass die Freiheit verteidigt werden muss, als über die Frage, wie man selbige denn überhaupt nutzen soll, bzw. wie Individuen entstehen, die einen Bedarf an Freiheit haben. Fehlen die Individuen, die einen Bedarf an Freiheit haben, wird niemand selbige verteidigen oder ersehnen, wie die Geschichte plastisch illustriert.

Gibt es aber viele Individuen, dann kommt die Freiheit von alleine. Die Freiheitskämpfer ziehen das Pferd von hinten auf. Die Freiheit wird nicht durch Verkehrsschilder mittels einer Ordnungspolitik durchgesetzt, sondern durch Individuen, die mit dieser auch was anzufangen wissen. Die Freiheitskämpfer mit Pensionsberechtigung von der Hayek Front kämpfen längst vergangene Schlachten. Das hat auch Hayek selbst erkannt, zieht aber hieraus nicht die richtigen Schlüsse. Er schreibt über John Stuart Mill.

John Stuart Mill, in his celebrated book On Liberty (1859), directed his criticism chiefly against the tyranny of opinion rather than the actions of government, and by his advocacy of distributive justice and a general sympathetic attitude towards socialist aspirations in some of his other works, prepared the gradual transition of a large part of the liberal intellectuals to a moderate socialism.

In seinem bekannten Werk "Über die Freiheit (1859) richtet er seine Kritik hauptsächlich gegen die Tyrannei der Meinung und weniger gegen die Handlungen der Regierung und sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit sowie seine Sympathie für sozialistische Strömungen in anderen Werken bereiteten den Weg für einen schleichenden Prozess der Hinwendung einiger liberaler Intellektueller zu einem moderaten Sozialismus.

aus: public.econ.duke.edu

Es ist also Hayek aufgefallen, dass John Stuart Mill das Problem, das Hayek in seiner tiefbewegten Brust wiegt, als erledigt ansah. Nicht erledigt und das ist tatsächlich ein virulentes Problem, man kann das philosophisch / soziologisch viel tiefgehender angehen, als John Stuart Mill das getan hat, siehe Adorno, ist die Tendenz zur Konformität. Das Werk von Hayek, Wege zur Knechtschaft, kann man ja auch als eine Art Totalitarismus Theorie sehen, allerdings als eine ziemlich urige, siehe Hayek.

Hannah Arendt allerdings sieht das genau umgekehrt als Hayek. Der Nationalsozialismus ist nicht an die Macht gekommen, weil die Freiheit in der Weimarer Republik sich nicht äußern durfte. Er ist an die Macht gekommen, weil es mehr Leute gab, deren psychische Konstitution mehr Sehnsucht hatte nach völkisch national als individuell und freiheitlich.

Ideologien sind ein uriges, psychologisch äußerst schwer zu durchschauendes Phänomen. Über dem Thema kann man sein Haupt zur Asche zerdenken. Vielleicht nähert man sich mit Adorno irgendwie dem Phänomen, siehe www.classic-rocks.de, dann der Kommentar zu dem Lied. Ideologien sind nicht etwas, was "authentisch" ist im Sinne von Resultat einer persönlichen Entwicklung. Ideologien sind die Auslöschung des Individuums, denn der Prozess, der das Individuum hervorbringt, wird negiert. Das ist der Kern der Ideologie. Die oberste Autorität des Volkwirtes ist ja bekanntlich, wie schon mehrfach erwähnt, fast auf gleicher Höhe wie Keyens, Johann Wolfgang Goethe.

Eins und Alles

Und umzuschaffen das Geschaffene,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges lebendiges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden,
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden,
In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen,
Denn alles muß ins Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.

Johann Wolfgang von Goethe (1794 - 1S32)

Was Goethe hier mal so kurz und knapp verneint, ist die Möglichkeit, Bildung außerhalb einer höchst komplexen Subjekt <=> Objekt Dynamik zu vermitteln. Das Freiheitsgeschwaffel der Hayek Jünger wird niemand faszinieren, weil es in der Hayek Welt eine Menge Leute gibt, die sich objektiv in seiner freien Welt nicht besonders frei fühlen und noch mal so viele Leute gibt es, die gar keinen Bedarf an Freiheit haben.

Das Hayek Geschwafel überzeugt niemanden. Die Freiheitsschwafler täten besser daran, anstatt zu versuchen Staatsknete für ihre Propaganda abzugreifen wie die Jungs und Mädels von www.freiheit.org dies tun, 47 Millionen Euronen im Jahr, konkret für Freiheit zu sorgen, also spannende, kreative, innovative Arbeitsplätze zu schaffen.

Die theoretische Freiheit ist voll für den Arsch. Wenn sie das nicht konkret können, sondern nur labern können, ist ja wohl auch klar, dass sie selber mit der Freiheit wohl auch nicht allzuviel anfangen können. Wer konkret was für die Freiheit tun will, der labert nicht über die Schönheit der Freiheit als abstrakter Möglichkeit, sondern bietet konkrete Möglichkeiten, im zweifelsfalle eben interessante Arbeitsplätze, wo Freiheit konkret erfahrbar ist. Mit einem Betrag in Euro am Ende des Monats. Dass Freiheit schön ist, wird niemand bestreiten. Probleme gibt es bei der praktischen Umsetzung.

Soll also der Freiheitsgedanke in die Welt getragen werden, dann wäre ein Bewußtsein dafür zu schaffen, wobei der Steuerzahler hier eine Menge Geld in die Hand nimmt, damit dies auch passiert, das ist nämlich der Sinn der schulischen Bildung, dass diese Welt weitgehend unfertig ist, dass wir uns aber alle eifrig bemühen, Chancen für Entwicklungen zu bieten und je weiter der mögliche Aktionsradius wird, also der konkrete, nicht theoretische, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass jeder eine Chance bekommt.

Das abstrakte Freiheitskämpfergeschwafel von Leistung, individueller Verantwortung, Elite Tralala, Studiengebühren etc. bringt uns da keinen Millimeter weiter. Zu reden ist über die Effizienz der Unis, Praxisorientiertheit und Didaktik, mehr Einsatz von e-learning, stärkere internationale Vernetzung der Forschung und Entwicklung, bessere Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produktinnovationen, Ausarbeitung von konkreten Strategien für "ausländische" Studierende, die in ihren Heimatländer Unternehmen gründen wollen, mehr Flexibilität beim Abitur, z.B. mehr Angebote zur Verknüpfung von Abitur und Ausbildung, wie das in Berlin höchst erfolgreich gemacht wird, etc. etc.. Das ist dann ein echter Freiheitskampf. Auch beim Freiheitskampf steckt der Teufel, wie bei allen Dingen, im Detail.

Leute, die konkret erleben, dass hinter dem offenen Horizont Chancen liegen, und dass die Fragen selbigen erweitern, aber nicht die Antworten, sind ganz große Freiheitskämpfer. Und für meine Freunde vom deutschen Philologenverband. Der Steuerzahler zahlt euch pro Jahr 4 Millionen Euro, damit ihr Goethes Faust in der Schule vermittelt. Thema von Goethes Faust ist aber genau das. Der offene Horizont. Setzt euch jetzt mal auf euren gottverdammten Hintern und lest das Teil noch mal durch. Wenn ihr nämlich so weiter macht wie bisher, dann wird irgendjemand mal auf die Idee kommen und die gesamten Inhalte streichen. Ob die Kiddies nämlich mit eurem bornierten Gelabere zugetextet werden oder in der Zeit in der Eisdiele sitzen, macht keinen großen Unterschied, siehe Adorno.

Das Werk von John Stuart Mill "On liberty" hätte eigentlich auch "On Individualism" heißen müssem. John Stuart Mill zieht also das Pferd von der richtigen Seite auf. Ersteres, also die gegen den Staat zu verteidigende Freiheit, ist im übrigen auch in keiner Demokratie westlicher Prägung ein Problem. Die Freiheitskämpfer führen da weitgehend Schattenkämpfe.

Letzteres allerdings ist ein enormes Problem. Die Freiheitskämpfer mit Pensionsberechtigung von der Hayek Front sehen ihre Aufgabe darin, bekannte Freiheitsräume, insbesondere wirtschaftlicher Art, zu verteidigen. Ein intellektuell wenig anspruchsvolles Projekt, die Argumente hierfür sind seit rund 250 Jahren bekannt und diese Freiheitsräume sind kaum bedroht.

Freiheit besteht aber vor allem in der Vergrößerung des Raums der Möglichkeiten, ihr Thema sind also die unbekannten Freiheitsräume. Die Summe aus technischen Möglichkeiten der Gegenwart und der Zukunft, die Mannigfaltigkeit an beruflichen Optionen und die Möglichkeit, selbigen öfter mal zu wechseln, die konkrete Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen.

Das Thema der Freiheit sind die unbekannten Individuen in unbekannter Zukunft. Freiheit bedeutet vor allem, dass Grenzen überschritten werden können und der Möglichkeitsraum, der in der Gegenwart feststeht, in der Zukunft verändert werden kann. Das Thema der Freiheitskämpfer mit Pensionsberechtigung von Hayek bis Marx ist die Ordnungspolitik. Das Thema der Freiheit ist die Erweiterung des Möglichkeitsraumes. Das Thema der Freiheit ist der Wandel.

Das Ewige regt sich fort in allen,
Denn alles muss ins Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.

Das Thema der Freiheit ist nicht das zu Nichts geronnene Etwas, sondern der Prozess, ohne den es nichts Authentisches gibt, denn das Resultat eines Prozesses, losgelöst vom Prozess, ist das Nichts.

Und umzuschaffen das Geschaffene,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges lebendiges Tun.

Der Unterschied zwischen den ordnungspolitischen Vorstellungen von Hayek / Friedman und denen des Sozialismus ist nicht qualitativ, sondern rein quantitativ. Die Allokation der Produktionsfaktoren ist effizienter, wenn sie durch Markpreise gesteuert wird. Das Volkseinkommen ist in einer Marktwirtschaft ganz unstrittig höher als in einer Planwirtschaft. Das ist wichtig. Allerdings muss es nicht mehr gesagt werden. Es ist hinlänglich bekannt und niemand zweifelt daran, was wohl das größte Problem der Freiheitskämpfer mit Pensionsberechtigung ist.

Die Annahme, dass Ideologien sich durch Inhalte auszeichnen, eine inhaltliche Auseinandersetzung sinnvoll ist, ist wohl der größte und stabilste Irrtum der Menschheitsgeschichte. Das führt dann dazu, dass man den Islam für was anderes hält als das Christentum und das Freiheitsgeschwurbel à la Hayek für was anderes als den Sozialismus. Ideologien sind so was wie eine Psychose, die man ja auch nur beschreiben, aber nicht erklären kann. Die Ähnlichkeit mit der Psychose ergibt sich aus der Tatsache, dass der Patient nur noch Dinge wahrnimmt, die seine Weltsicht bestätigen und alles im Zusammenhang mit seiner verengten Sicht interpretiert wird. Stress und eingeschränkte Handlungsoptionen, individuell oder gesellschaftlich bedingt, und geringe Erfahrung mit alternativen Entwürfen, scheinen Ideologien zu fördern.

Charakteristisch für Ideologien ist auch, dass irgend etwas für stabil gehalten wird. Der Nation, der ethnischen Gruppe, der man zufällig angehört, bestimmte Eigenschaften zugesprochen werden, bestimmte menschliche Verhaltensweisen als historisch stabil beurteilt werden, bestimmte Rahmenbedingungen als stabil angesehen werden, der eigene Aktionsradius als gering bewertet wird etc. etc.. Das erklärt auch das Verschwinden von Ideologien in den letzten 50 Jahren. Da es immer weniger Dinge gibt, die sich als stabil erwiesen haben, fehlt der Ideologie ihr Gegenspieler, von dem sie sich abgrenzen kann.

Abstrakt ist das ganze Freiheitsgeschwurbel auch dann, wenn es konkret wird. Es verliert sich im abstrakt Philosophischen, ist lediglich Überbau, mit dem sich jeder gerne ziert, solange er ohne Konsequenzen bleibt. Abstrakt lässt er sich auch politisch besser vernetzen als konkret und über die politische Vernetzung gelangt man zu den mit Steuergeldern gut gefüllten Fleischtöpfen Ägyptens. Während sich das Internet in unendlich viele, teilweise sehr schlagkräftigen Initiativen aufmacht, ordnungspolitische Regelwerke gegen staatliche Eingriffe zu verteidigen, www.avaaz.org, www.campact.org, www.lobbypedia.de etc., schwafeln die Hayek / Milton Jünger abstrakt über Ordnungspolitik.

Mit dem Thema Freiheit als Ausdehnung des Möglichkeitsraum werden wir uns an späterer Stelle, bei Bloch, noch mal beschäftigen, aber um das Thema Freiheit, als Ausdehnung des Möglichkeitsraumes, geht es auch bei John Stuart Mill. Es geht also nicht, wie bei Hayek, um die Frage, wie man etwas lediglich abstrakt Hypostasiertes abstrakt schützt, sondern um die Frage, wie man diesen Möglichkeitsraum erweitert.

John Stuart Mill beschäftigt also erstmal die Tatsache, dass die Leute gar nicht frei sein wollen und das ist vielleicht, auch wenn er zum Teil drastisch formuliert, vielleicht gar nicht so falsch. Es könnte durchaus eine Aufgabe des Bildungssystems sein, den Kiddies beizubiegen, dass der Möglichkeitsraum erweitert werden kann, und dass es nur wenig gibt, was sich historisch als stabil erwiesen hat.

Where, not the person's own character, but the traditions of customs of other people are the rule of conduct, there is wanting one of the principal ingredients of human happiness, and quite the chief ingredient of individual and social progress. The majority, being satisfied with the ways of mankind as they now are (for it is they who make them what they are), cannot comprehend why those ways should not be good enough for everybody; and what is more, spontaneity forms no part of the ideal of the majority of moral and social reformers, but is rather looked on with jealousy, as a troublesome and perhaps rebellious obstruction to the general acceptance of what these reformers, in their own judgment, think would be best for mankind. Few persons, out of Germany, even comprehend the meaning of the doctrine which Wilhelm von Humboldt, so eminent both as a savant and as a politician, made the text of a treatise — that "the end of man, or that which is prescribed by the eternal or immutable dictates of reason, and not suggested by vague and transient desires, is the highest and most harmonious development of his powers to a complete and consistent whole;"

Wo nicht der eigene Charakter, sondern die tradierten Verhaltensweisen anderer Leute das Verhalten bestimmen, fehlt eine unabdingbare Voraussetzung menschlichen Glücks und das wichtigste Element für individuellen und sozialen Fortschritt. Die meisten Menschen, da sie ja zufrieden sind mit dem menschlichen Geschlecht so wie es ist (weil eben dieses sie ja zu dem gemacht hat, was sie sind), können nicht verstehen, warum diese Wege nicht für alle gut genug sein sollen. Schwerwiegender ist aber, dass Spontanität nicht das Ideal der Moral der Mehrheit und Sozialreformer ist, sondern eher misstrauisch beäugt wird; als etwas was stört und rebellisch gegen die allgemeine Akzeptanz dessen, was diese Reformer für das Beste für die Menschheit halten. Außerhalb Deutschland verstehen die meisten Menschen nicht mal die Ansichten von Wilhelm von Humboldt, gleichermaßen berühmt als Wissenschaftler und Politiker, die dieser in einer Schrift dargelegt hat, dass "das Ziel der Menschheit, oder das, was die Vernunft für so unumstößlich wie sicher und nicht von schwankenden Leidenschaften hervorgerufen ansieht, ist die größtmögliche Entfaltung und harmonische Entwicklung seiner Fähigkeiten zu einem vollständig und abgerundeten Ganzen."

Was er sagen will ist relativ klar. Ohne Individualität gibt es weder besonders viel zu bestaunen, noch gesellschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen Fortschritt. Im Kontext der gesamten Schrift geht es aber um wesentlich mehr. Selbst wenn z.B. die öffentliche Meinung richtig ist, muss es irgendjemand geben, der sie kritisiert, weil nur dann die Gründe erläutert werden können, die zu dieser Ansicht führten.

Ohne Exzentriker, die Traditionen und Tradiertes in Frage stellen, erstarrt die Gesellschaft in der Routine. Das Humboldtsche Bildungsideal allerdings, die Suada vom Wahren, Schönen und Guten, ist so unbestimmt wie das hayeksche Freiheitsgeschwurbel. Darauf beruft sich noch der verknittertste, belangloseste Lateinlehrer an der Penne und das bigotteste Oberstudienrad, das sich mit der Sekundärliteratur durch Emilia Galotti kämpft.

In einer globalen Welt geht es nicht darum, Leute mit einem vorgefertigten Ideal zu beglücken, sondern konkrete Handlungsoptionen aufzuzeigen, diese zu erweitern, Chancen zu entdecken, das Bewusstsein für die Wandelbarkeit und Änderbarkeit der Dinge zu schärfen.

Bildung ist Nahkampf. Geht hinab bis z.B. alternativen Erklärungsmustern bei der Vermittlung von Fremdsprachen, Fluten des Marktes mit didaktischem Material, fächerübergreifendem Lernen, wenn es didaktisch Sinn macht.

Die Deutsche Grammatik z.B. kann nur kontrastiv, im Vergleich zu der Grammatik einer anderen Sprache vermittelt werden. Dass es kaum einen Unterschied gibt zwischen dem deutschen Imperfekt und Perfekt ist eine Sache. Zu vermitteln wäre aber, dass in fast allen Sprachen hier erhebliche Unterschiede bestehen. Das ist das Spannende daran. Um Mal ein konkretes Beispiel zu nennen.

Im Oberstudienräder Verständnis ist Bildung so was Ähnliches wie eine Torte, die konsumierbar geliefert wird und allen die gleichen subtilen Genüsse bereitet.

Die Vorstellungen des deutschen Philologenverbandes hinsichtlich Ziele und Didaktik sind zwar vage, dafür sind aber ihre Vorstellungen über die adäquate Besoldung äußerst konkret. Weil sie es geschafft haben, das Staatsexamen als sakrosankt zu etablieren, dauert das Studium lange, wodurch sich wiederum die Besoldung rechtfertigt, obwohl kein Mensch weiß, ob die Torte vom eingesetzten Personal tatsächlich auch geliefert wird. Wäre Bildung im Tortenformat möglich, hätten sich bei dem nationalsozialistisch völkischem Raunen ja bei mehr Leuten die Nackenhaare sträuben müssen.

Für Bildung, also nicht für Ausbildung, tütet der deutsche Steuerzahler eine Menge Geld aus. Das interessierte Publikum darf durchaus erwarten, dass die Oberstudienräder sich nicht nur ausgiebig Gedanken machen über die steuerliche Absetzbarkeit ihres Arbeitszimmers, siehe steuerliche Absetzbarkeit des häuslichen Arbeitszimmers, sondern auch mal konkret zu erkennen geben, was sie eigentlich an der Penne den ganzen Tag so treiben und worin sie eigentlich konkret das Ziel ihrer Bemühungen sehen. Dafür werden sie nämlich eigentlich bezahlt, und zwar, zumindest an Gymnasien, fürstlich.

Das Spannungsfeld zwischen Tradiertem und individueller Verarbeitung beschreibt John Stuart Mill so.

Little, however, as people are accustomed to a doctrine like that of Von Humboldt, and surprising as it may be to them to find so high a value attached to individuality, the question, one must nevertheless think, can only be one of degree. No one's idea of excellence in conduct is that people should do absolutely nothing but copy one another. No one would assert that people ought not to put into their mode of life, and into the conduct of their concerns, any impress whatever of their own judgment, or of their own individual character. On the other hand, it would be absurd to pretend that people ought to live as if nothing whatever had been known in the world before they came into it; as if experience had as yet done nothing towards showing that one mode of existence, or of conduct, is preferable to another. Nobody denies that people should be so taught and trained in youth, as to know and benefit by the ascertained results of human experience. But it is the privilege and proper condition of a human being, arrived at the maturity of his faculties, to use and interpret experience in his own way. It is for him to find out what part of recorded experience is properly applicable to his own circumstances and character. The traditions and customs of other people are, to a certain extent, evidence of what their experience has taught them; presumptive evidence, and as such, have a claim to this deference: but, in the first place, their experience may be too narrow; or they may not have interpreted it rightly. Secondly, their interpretation of experience may be correct but unsuitable to him. Customs are made for customary circumstances, and customary characters: and his circumstances or his character may be uncustomary. Thirdly, though the customs be both good as customs, and suitable to him, yet to conform to custom, merely as custom, does not educate or develop in him any of the qualities which are the distinctive endowment of a human being. The human faculties of perception, judgment, discriminative feeling, mental activity, and even moral preference, are exercised only in making a choice. He who does anything because it is the custom, makes no choice. He gains no practice either in discerning or in desiring what is best. The mental and moral, like the muscular powers, are improved only by being used. The faculties are called into no exercise by doing a thing merely because others do it, no more than by believing a thing only because others believe it. If the grounds of an opinion are not conclusive to the person's own reason, his reason cannot be strengthened, but is likely to be weakened by his adopting it: and if the inducements to an act are not such as are consentaneous to his own feelings and character (where affection, or the rights of others are not concerned), it is so much done towards rendering his feelings and character inert and torpid, instead of active and energetic.

So wenig auch die Leute mit einer Ansicht wie der Humboldt vertraut sein mögen und so überraschend sie es auch finden mögen, dass dieser der Individualität eine solche Bedeutung beimisst, ist der Unterschied dennoch lediglich gradueller Natur. Niemand ist der Meinung, dass ein Verhalten, das lediglich das Verhalten anderer kopiert, vorbildhaft ist. Niemand wird behaupten, dass sie ihr eigenes Leben, bei den Dingen, die sie selber betreffen, nicht auch nach eigenem Gutdünken und gemäß ihres eigenen Charakters steuern sollten. Auf der anderen Seite wäre aber die Behauptung, dass die Leute ihre Leben so führen sollten, also ob es vor ihnen nichts auf der Welt gegeben hätte, als ob die Erfahrung bis jetzt noch nicht gezeigt hätte, dass eine bestimmte Lebensweise, eine bestimmte Lebensführung, nicht besser ist als eine andere, absurd. Niemand bestreitet, dass Leute in ihrer Jugend belehrt und sie geführt werden müssen, so dass sie die gesicherten Resultate der menschlichen Erfahrung kennen und davon profitieren. Es ist jedoch das Privileg und die besondere Situation des Menschen, dass er, wenn er zur Höhe seiner geistigen Fähigkeiten gelangt ist, die Erfahrungen auf seine eigene Art nutzen kann. Es liegt an ihm herauszufinden, welche tradierten Erfahrungen für ihn und seine eigenen Umständen und seinen eigenen Charakter angemessen sind. Die Traditionen und Gewohnheiten anderer Leute sind, in einem gewissen Umfang, die Schlussfolgerung aus dem, was ihre Erfahrungen sie gelehrt haben. Als vorläufige Schlussfolgerungen haben sie das Recht, respektiert zu werden, doch erstens kann ihr Erfahrungshorizont zu eng sein oder sie haben ihn nicht richtig interpretiert. Zweitens kann die Interpretation ihrer Erfahrungen korrekt sein, aber nicht auf seine Situation passen. Gewohnheiten passen für gewöhnliche Situationen und gewöhnliche Charaktere; seine Umstände und sein Charakter kann jedoch ungewöhnlich sein. Drittens können die Gewohnheiten sowohl gute Gewohnheiten sein und auch auf seine Situation passen, aber nur eine Gewohnheit nachzuahmen, einfach so, bringt weder die Eigenschaften hervor, die für Menschen typisch sind, noch werden sie dadurch weiterentwickelt. Die menschlichen Fähigkeiten Dinge wahrzunehmen, zu beurteilen, sie emotional anders zu bewerten, nachzudenken, ja sogar moralische Einstellungen, entwickeln sich nur, wenn eine Wahl getroffen wird. Wer nur etwas tut, weil dies so der Brauch ist, trifft keine Wahl. Er bekommt keine Praxis, weder darin Dinge zu erfassen, noch darin, das Beste zu wünschen. Die mentalen und moralischen Fähigkeiten, wie auch die Muskelkraft, werden verbessert, wenn man sie nutzt. Die Fähigkeiten verkümmern, wenn man nur etwas tut, weil die anderen es tun oder wenn man etwas glaubt, nur weil die anderen es glauben. Sind die Gründe, die für eine Behauptung angeführt werden für jemanden nicht nachvollziehbar, dann kann sein Verstand auch nicht gestärkt werden und wahrscheinlich wird er geschwächt, wenn er sie einfach übernimmt; und stimmt der Anlass einer Handlung nicht mit seinen eigenen Gefühlen und Charakter überein (außer eben wenn die Gefühle oder Rechte anderer tangiert sind), dann wird dies dazu führen, dass seine eigenen Gefühle und Charakter träge und betäubt werden, anstatt aktiv und energisch.

John Stuart Mill reflektiert hier also die Tatsache, dass die Freiheit auch von der Tradition bedroht wird, die den einzelnen an seiner individuellen Entfaltung hindert. Freiheit bedeutet eben, dass eine bewusste Entscheidung nicht nur getroffen werden kann, sondern auch getroffen werden will.

Das ist präziser und näher an der Wirklichkeit, als das Humboldsche Bildungsideal. Dem Humboldschen Bildungsideal fehlt völlig die Dialektik aus Subjekt und Objekt. Die Schrift ist, vor allem wenn man die Zeit bedenkt, ziemlich komplex. Angesprochen werden viele Themen, die auch die Soziologie noch 150 Jahre später beschäftigen wird. Kanalisierung der Meinungsbildung durch Massenmedien, "innere Abwehr" gegen Vereinnahmung in totalitären Staaten, Primat des Ökonomischen und Reduktion der Bewertungsmaßstäbe auf monetär Messbares, geistige Verarmung etc..

Eine gewisse Ähnlichkeit mit Aussagen von Alfred Marshall ist nicht zu verkennen, die Tonlage ist auch ähnlich. Bei beiden findet sich der Gedanke, dass eine sich ausdifferenzierende Gesellschaft mehr Raum für Individualität lässt, weil immer mehr Spezialbegabungen oder spezifische Kombinationen von Begabungen genutzt werden können. Man kann finden, dass die Wirtschaftswissenschaften sich in mancherlei Hinsicht wieder zurückentwickelt haben. Alfred Marshall über John Stuart Mill:

At last the speculations of biology made a great stride forwards: its discoveries fascinated the attention of the world as those of physics had done in earlier years; and there was a marked change in the tone of the moral and historical sciences. Economics has shared in the general movement; and is getting to pay every year a greater attention to the pliability of human nature, and to the way in which the character of man affects and is affected by the prevalent methods of the production, distribution and consumption of wealth. The first important indication of the new movement was seen in John Stuart Mill's admirable Principles of Political Economy. Mill's followers have continued his movement away from the position taken up by the immediate followers of Ricardo; and the human as distinguished from the mechanical element is taking a more and more prominent place in economics.

Schließlich machten auch die Forschungen im Bereich Biologie große Fortschritte und ihre Entdeckungen zogen die Aufmerksamkeit der Welt auf sich so wie dies früher bei der Physik geschah. Es setzte auch ein Wandel in der moralischen Bewertung in den Geschichtswissenschaften ein. Die Ökonomie blieb von diesen Tendenzen nicht unbeeinflusst und widmete sich jedes Jahr mehr der Biegsamkeit der menschlichen Natur und der Art, wie der Charakter der Menschen die Produktionsbedingungen, die Verteilung und den Konsum beeinflusst und wiederum diese beeinflusst. Den ersten wichtigen Beitrag zu dieser neuen Bewegung leistete John Stuart Mill mit seiner großartigen Schrift Principles of Political Economy. Die Nachfolger von Mill folgten ihm auf seinem Weg weg von den unmittelbaren Nachfolgern von Ricardo. Zunehmend rückte der Mensch und nicht die Mechanik ins Zentrum des Interesses der Ökonomie.

aus: Principles of economics

Letzteres trifft leider gar nicht mehr zu. Die Ökonomie wurde zur reinen Mechanik und die Marktwirtschaft kommt auch ohne Unternehmer aus. Es stimmt nur für John Stuart Mill, allerdings brach diese Tradition ab.

Bedauerlicherweise hörte man aber nicht auf den Begründer der mathematischen Modellierung, Alfred Marshall, der eben vor dieser mechanischen Auffassung warnte, und man hörte auch nicht auf Keynes, der davor ebenfalls warnte, wobei allerdings die mathematische Modellierung nur die extremste Ausprägung einer Entwicklung ist.

Das Malheur beginnt eigentlich mit der systemischen Analyse, also mit einer Analyse, die menschliches Verhalten aufgrund von wenigen Parametern prognostizierbar und damit auch steuerbar macht. Das Malheur beginnt eigentlich mit David Ricardo.

Die Logik der Neoklassik unterscheidet sich im Grunde nicht von der Logik des Ordoliberalismus bzw. des Neoliberalismus. Die Idee des Ordoliberalismus besteht darin, dass sich durch wenige Parameter, also durch einige Verkehrsschilder, die gesamte Wirtschaft steuern lässt. In der Neoklassik ist es schlicht der Preis und im Ordoliberalismus / Neoliberalismus ein abstrakt vorgegebener Ordnungsrahmen.

Beide betrachten die Wirtschaft weniger als etwas von Menschen Gemachtes, als vielmehr als einen Automaten, als Resultat von Marktkräften, die so stabil sind wie die kinetische Energie.

Die Reduktion der Komplexität suggeriert eine Steuerbarkeit der Wirtschaft über einige wenige Parameter und die eigentlich kritischen Faktoren, wie z.B. das Bildungsniveau, Effizienz von Forschung und Entwicklung, psychologische Faktoren tauchen bestenfalls noch als fiktiv mit einem Wert versehene Parameter auf.

Die Volkswirtschaft hat damit den Weg zur Pseudowissenschaft beschritten. Im Grunde liegt derselbe Fehler aber auch dem Marxismus zugrunde. Dieser verneint zwar letztlich, dass die "kapitalistische" Wirtschaft gesteuert werden kann, geht also von einer gesetzlichen Entwicklung hin auf einen Endzustand aus, der lediglich beschleunigt werden kann, siehe Karl Marx, aber die "Denke" dahinter ist die Gleiche. Die Wirtschaft bewegt sich aufgrund unabänderlicher Gesetze hin auf einen Endzustand.

Der systemische Ansatz, wie immer man ihn auch genau definiert, ist für die VWL konstitutiv, denn nur er garantiert, dass sie allein ein alles umfassendes Modell der Wirtschaft liefert. Sie soll nicht Querwissenschaft sein, sondern Totalmodell. Sie soll nicht einzelne Aspekte des Wirtschaftsgeschehens beleuchten, sondern die gesamte Wirtschaft. Würde man anerkennen, was ja offensichtlich ist, dass der technische Fortschritt, der für Wachstum entscheidende Faktor, von allen ökonomischen Gesetzen weitgehend unberührt ist und von diesen nicht erfasst wird, könnten keine Totalmodelle mehr zusammengeschraubt werden.

Es ist deutlich geworden, dass dies am Anfang nicht so war, dass dies eine Entwicklung ist, die erst später eingetreten ist. John Stuart Mill liegt zwar, was die ökonomische Bewertung angeht so daneben wie seine Zeitgenossen, aber die Interdependenzen zwischen Wirtschaft , Staat, Gesellschaft, Individuum sind ihm vollkommen bewusst. Ähnlich verhält es sich mit Alfred Marshall, von dem praktisch alles stammt, was man heute unter Mikroökonomie versteht. Alfred Marshall, der Begründer der mathematisch orientierten Mikroökonomie, äußert sich weit differenzierter, als jedes heute gängige Lehrbuch. Was im übrigen allein schon an der Seitenzahl abzulesen ist. Die Principles of Economics bringen es auf über 700 eng beschriebene Seiten.

Was konkret zu tun wäre, ist auch klar. Es ist das exakte Gegenteil dessen, was im Bachelor / Masterstudiengang tatsächlich passiert ist. Der Bachelor / Masterstudiengang hat die Volkswirtschaftslehre auf den pseudomathematischen und pseudowissenschaftlichen Hokuspokus reduziert. Gegenstand des Bachelorstudienganges sind mathematisch modellierte Gemeinplätze, die so vage sind, dass sie immer stimmen und damit wertlos sind.

Das eigentlich relevante ergibt sich aus Adam Smith, Alfred Marshall, John Stuart Mill und eben Keynes. Den Rest beerdigt man dann besser. Das könnte in drei / vier Semestern abgehandelt werden. Es ist der Kern der Volkswirtschaftslehre und das, was in tagespolitischen Diskussionen relevant ist. Die restlichen vier Semester, der Bachelor ist nicht berufsqualifizierend, man kann das auch wieder Vordiplom taufen, könne dann für individuelle Schwerpunktsetzung genutzt werden. Das wäre billiger, würde zu weniger Studienabrüchen führen und zu konkreten Jobs. In den verbleibenden vier Semestern setzt man dann besser Profis als Dozenten ein und keine Leute mit einem Lebenslauf Penne => akademischer Mittelbau => Prof => Pension.

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Infos und Anmerkungen:

ES        DE

Das Buch zur Webseite.

 

Unter Freiheit versteht John Stuart Mill mehr als die Abwehr gegen Eingriffe des Staates.

Ins Zentrum rücken die sozialen Bedingungen, die das Individuum an der Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern.

Die Beschränkung der Freiheit erfolgt aber nicht nur durch die äußeren Bedingungen, sondern auch durch Gründe, die im Individuum selbst liegen.

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