Wir weigern uns jetzt schlicht mitzuteilen, dass man bei Wikipedia die Biographie von Alfred Marshall nachlesen kann. Dass wir uns weigern, über Dinge zu berichten, die man an jeder Ecken nachlesen kann, ist offensichtlich.
Über die Sinnhaftigkeit aufgrund weniger Merkmale eine ganze Reihe von Ökonomen unter einem einheitlichen Begriff, Neoklassik (siehe Neoklassik), zu subsumieren, haben wir bereits gesprochen.
Wenn zu dieser prinzipiellen Problematik sich noch eine verkürzte Darstellung der Neoklassik in den akademischen Lehrbüchern gesellt, dann haben wir gleich zwei Probleme. Erstens werden Autoren Aussagen in die Schuhe geschoben, die diese so nie getroffen haben und zweitens können wir den Eindruck gewinnen, dass sich die Neoklassik mit einem Haufen Pillepalle beschäftigt.
Alle Aussagen, die eingangs über die Neoklassik gemacht wurden, vor allem die mangelnde marktwirtschaftliche Orientierung, müssen wir, was Alfred Marshall angeht, wieder relativieren. Man täte insgesamt besser daran, den Begriff Neoklassik abzuschaffen. Ähnlichkeiten in der Methodik, Kernaussagen, Breite der Darstellung, Reflexionsniveau sind kaum zu erkennen. Man kann Alfred Marshall nicht mit zwei durchgeknallten Spinnern wie Léon Walras und Vilfredo Pareto in einen Topf werfen. (Mal ganz zu schweigen von Carl Menger.)
Praktisch zu jedem Thema, das wir bis jetzt hatten, homo oeconomicus, vollkommener Markt, Produzenten- / Konsumentenrente, Marktgleichgewicht, Wert eines Gutes, Grenzkostenverläufe etc. etc. werden in Principles of Economics scharfsinnige Unterscheidungen vorgenommen bzw. die Gültigkeit dieser 'Gesetze' relativiert.
Einige Fragen, wie zum Beispiel die ewige Frage nach dem Wert eines Gutes hat er eindeutig und abschließend beantwortet. Kurzfristig ist die Nachfrage für den Preis entscheidend, langfristig aber die Grenzkosten oder, vereinfacht, die Herstellungskosten, wobei allerdings die Nachfrage die Produktion hinter sich her zieht.
(Kurzfristig kann sich die Produktion nicht mengenmäßig an eine Veränderung der Nachfrage anpassen, weil bei einem reinen Tauschmarkt, wo gar keine Güter produziert werden, eine Anpassung über die Menge nicht möglich ist. Eine Anpassung ist nur über den Preis möglich. Langfristig kann sich das Angebot auch über die Menge anpassen, es dominieren die Kosten.)
Der Begründer der mathematischen Modellierung, Alfred Marshall eben, sieht im Übrigen auch die Begrenztheit dieses Ansatzes und hat die Modelle, die heute im Zentrum der akademischen Mikroökonomie stehen, in die Appendix verschoben.
Manche Aussagen, insbesondere die Aussage, dass die Wirtschaftswissenschaften innerhalb der Sozialwissenschaften am weitesten fortgeschritten sind und die Art, wie er dies begründet, nämlich durch die Tatsache, dass sich die Stärke eines Motivs monetär messen lässt, würde man heute eher kritisch sehen, bzw. der Normalsterbliche würde das kritisch sehen, die Ökokaste natürlich nicht, wobei es auch hier auf entscheidend auf die Differenzierungen ankommt, die er nachträglich trifft.
The advantage which economics has over other branches of social science appears then to arise from the fact that its special field of work gives rather larger opportunities for exact methods than any other branch. It concerns itself chiefly with those desires, aspirations and other affections of human nature, the outward manifestations of which appear as incentives to action in such a form that the force or quantity of the incentives can be estimated and measured with some approach to accuracy; and which therefore are in some degree amenable to treatment by scientific machinery. An opening is made for the methods and the tests of science as soon as the force of a person's motivev - not the motives themselves—can be approximately measured by the sum of money, which he will just give up in order to secure a desired satisfaction; or again by the sum which is just required to induce him to undergo a certain fatigue. | Der Vorteil, den die Wirtschaftswissenschaften im Vergleich zu anderen Zweigen der Sozialwissenschaften haben, scheint auf der Tatsache zu beruhen, dass ihr Spezialgebiet mehr als jeder andere Zweig eine eher breite Möglickeit für die Anwendung exakter Methoden bietet. Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit den Wünschen, Bestrebungen und anderen Gefühlen des Menschen, die derart der Anreiz einer Handlung sind, dass die äußere Erscheinung Ausdruck der Kraft oder Menge des Anreizes ist, so dass er mit einiger Exaktheit gemessen werden kann und so in gewisser Weise wissenschaftlicher Methoden zugänglich ist. Sobald die Kraft eines Motives - nicht die Kraft selbst - , welche er entweder für eine gewisse Befriedigung zu geben bereit oder durch das Geld, das nötig ist, um ihn zu veranlassen, sich einer Mühe zu unterziehen, ungefähr durch die Menge an Geld gemessen werden kann, ergibt sich ein Zugang für wissenschaftliche Methoden und Tests. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, THE SUBSTANCE OF ECONOMICS |
Damit ist dann das Forschungsobjekt der Wirtschaftswissenschaften vorgegeben. Es ist menschliches Verhalten, dass sich in Geld ausdrückt.
Diese Aussage ist jetzt natürlich aus mehreren Gründen problematisch, auch wenn wir anerkennen, dass er versucht, den Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften näher zu bestimmen und auch die Grenzen, an anderer Stelle von Principles of economics, der Wirtschaftswissenschaften aufzeigt.
1) Die Aussage, dass allein die Wünsche, Bestrebungen und Gefühle exakt bestimmt werden können, die sich monetär niederschlagen, dürfte kaum richtig sein. Welche 'anderen' Sozialwissenschaften er konkret meint, ist etwas unklar. Wir würden die Soziologie, die Politikwissenschaften und teilweise auch die Psychologie dazurechnen. Marktforschung aller Art, sei es über Themen der Politik, Einstellung zu bestimmten Produkten, Beurteilung von Sachverhalten funktioniert über Befragungen und diese sind zum Teil, etwa Wahlprognosen, verblüffend präzise. Viele Daten, die für die Wirtschaftswissenschaften höchst relevant sind, z.B. demographischer Wandel, sind harte Fakten, die sich ohne weiteres und höchst konkret ermitteln lassen. Die Wirkung einer Marketingcampagne lässt sich teilweise sehr genau bestimmen, indem man zum Beispiel schlicht nach harten Fakten des Werbespots fragt (Wie heißt der Schauspieler, der Werbung für die Nespresso-Maschine macht?). Fragt man Fakten ab, wird der Spielraum für Selbsttäuschung gering. Mit ausgeklügelten Methoden kann man auch tieferliegende Persönlichkeitsstrukturen offenlegen, ein Beispiel wären die Studien Adornos et alter zur autoritären Persönlichkeit.
2) Nimmt man es ganz genau, dann spricht Alfred Marshall lediglich davon, dass die Wirtschaftswissenschaften einen Vorteil gegenüber anderen Sozialwissenschaften haben. Da der Vorteil aber nun keiner ist, wenn er nicht zu einem größeren Erfolg führt, kann man wohl auch sagen, dass er die Wirtschaftswissenschaften für erfolgreicher hält, wobei er allerdings nicht begründet, worin dieser größere Erfolg besteht.
Die größere Präsens in der öffentlichen Diskussion wirtschaftlicher Themen im Vergleich zu soziologischen Themen ('Zusammenhang von Bildung und Gesundheit', 'Einfluss eines weiten Bekanntenkreises auf die berufliche Entwicklung', 'Bildungsniveau und Freizeitverhalten' etc. etc.) hängt nicht mit dem Erfolg der Wirtschaftswissenschaften zusammen, sondern ergibt sich aus der Natur der Dinge.
Geld ist zwar nicht alles, aber so ziemlich alles ist ohne Geld ziemlich nichts. Allerdings sind die Wirtschaftswissenschaften, siehe die Volkswirtschaftlehre und die Journaille, Volkswirtschaftslehre und Politik, in der öffentlichen Debatte kaum präsent und das Theoriegebäude der Neoklassik, bis auf Alfred Marshall eben, ist schlicht irrelevant.
Die Indifferenzkurve von Cornflakes und Haferflocken, diese Frage hat Pareto intensivst beschäftigt, siehe Vilfredo Pareto, also alle Mischungsverhältnisse bei denen das Müsli den gleichen Nutzen stiftet, interessiert keine Sau, solange die Nüsse fehlen.
Der Eindruck, dass die Wirtschaftswissenschaften 'erfolgreicher' sind als andere Sozialwissenschaften beruht wohl im wesentlichen auf vier Gründen.
a) Die Allgegenwart wirtschaftlicher Themen in der öffentlichen Debatte.
b) Die 'kompakte' Darstellung und die thematische Stromlinienförmigkeit. Durch die drastische Reduzierung der Themen und, durch die Umgestaltung der Diplomstudiengänge auf Bachelor / Masterstudiengänge nochmal verschärfte, einheitliche Lehre ensteht der Eindruck, dass die Volkswirtschaftlehre einen ähnlich stabilen Kanon an 'Wissen' hat als die Ingenieurswissenschaften, die Physik, die Mathematik, die Biologie etc..
Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch einen festen Kanon an Begrifflichkeiten, der wiederum ein stabiles Gedankengebäude suggeriert, das de facto überhaupt nicht vorhanden ist. Die Soziologie oder die Politikwissenschaften haben diesen festen Kanon an Themen und Begrifflichkeiten nicht, so dass sie formal nicht so geschlossen erscheinen, wie die Wirtschaftswissenschaften.
Letztlich ist aber die VWL ohne diese Fächer kaum vorstellbar. Die VWL, in Theorie und Praxis, agiert in einem Umfeld, das von der Politik vorgegeben wird und ökonomisches Handeln ist letztlich durch soziale Prozesse determiniert.
Nimmt man es ganz genau, dann spielt auch die technische Entwicklung eine Rolle. Dass die VWL von der technischen Entwicklung abstrahieren kann, liegt letztlich daran, dass ihre Aussagen, so allgemein sind, dass sie für das 18. Jahrhundert genauso gültig sind, wie für das 20. und 21. Jahrhundert, für die Bundesrepublik so zutreffend wie für Somalia.
Die mathematische Modellierung täuscht darüber hinweg, dass über absolute Größen keine Aussagen gemacht werden. Dass in Kenia ein Sack Reis genau den gleichen Nutzen stiftet, wie in der Bundesrepublik ein Mercedes, mag richtig sein, erklärt aber im Grunde gar nichts und liefert noch weniger konkrete Handlungsoptionen.
Es interessieren auch nicht die Gleichgewichtspreise an sich, sondern deren Höhe. Uns interessiert nicht, dass der Gleichgewichtslohn in Deutschland 15 Euro pro Stunde beträgt und in Somalia 10 Cent. Uns interessiert, wie diese unterschiedlichen Gleichgewichtspreise zustandekommen und wie man, so sie nicht ausreichen, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, diese anheben kann.
c) Die Mikroökonomie und damit auch die Neoklassik, de facto ist die Mikrökonomie eine Zusammenfassung der Neoklassik, wobei es auch didaktischer Sicht sinnvoller wäre, sich an einem Orginalwerk entlanzuhangeln, z.B. Principles of Economics, liefert nun gesicherte Ergebnisse, doch leider über irrelevante Sachverhalte.
Die Kernaussagen haben wir, wenn auch vielleicht weniger präzise formuliert, bei Adam Smith. Die Instrumente der Neoklassik mögen hier und da mal nützlich sein, z.B. bei der Analyse von Steuern und Zöllen, siehe Preiselastizität, staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung, siehe kardinale Nutzenmessung, Veränderungen von Produktionsverhältnissen / Änderungen der Präferenzstruktur und Ähnliches.
Allerdings spielt beim zeitlichen Umfang, also bei der Frage, ob man sich wirklich ein komplettes Semester damit beschäftigen muss, der Grenznutzen und damit die Opportunitätskosten eine entscheidende Rolle. Bei gegebenem Zeitbudget muss eine Auswahl getroffen werden.
d) Ein Teil des Volkswirtschaftsstudium ist tatsächlich, das ist der Teil, der sich mit den kaufmännischen Studiengängen überschneidet, beruflich relevant (betriebliches Rechnungswesen, Steuern) und bereitet auf konkrete Berufsfelder vor, was den Eindruck, dass wir es mit einem klar umrissenen Wissensgebiet zu tun haben, nochmal verstärkt.
Es gibt aber nichts, was dafür spräche, dass die Volkskwirtschaft erfolgreicher ist, als andere Sozialwissenschaften, wobei auch die anderen Sozialwissenschaften ähnliche Probleme haben. Die Wirtschaftswissenschaften geraten aber aufgrund der höheren medialen Präsens, die sich aus der Bedeutung der Wirtschaft an sich ergibt, stärker in den Fokus öffentlicher Kritik.
Es ist die Bedeutung der Wirtschaft, die die Wirtschaftswissenschaften in den Fokus rückt und zwar völlig unabhängig davon, ob sie zu dem Thema tatsächlich etwas zu sagen hat. Genau genommen ist es so, dass in öffentlichen Debatten, auch von Leuten, die Volkswirtschaft für eine irrelevante Pseudowissenschaft halten, die Perspektive der Volkwirtschaft eingenommen wird, wobei man sich fragen kann, ob dies überhaupt die richtige Perspektive ist, das heißt, die Parameter die in öffentlichen Debatten diskutiert werden, überhaupt die relevanten Parameter sind.
Der naive Glaube von Studienanfängern beruht nun darauf, dass sie davon ausgehen, dass man in den Wirtschaftswissenschaften irgendwas über Wirtschaft lernt, wobei das wenige, was tatsächlich mal konkret und verwertbar ist, die rein kaufmännischen Bestandteile sind.
Den Rest könnte man sich auch privat anlesen, indem man zum Beispiel mal Principles of Economics von Alfred Marshall liest, das ist austarierter, vielschichtiger als jedes moderne akademische Lehrbuch zur Mikroökonomie, zumal Alfred Marshall, zumindest heuristisch, Beziehungen zu Themen herstellt, die man heute der Soziologie, Politikwissenschaften oder Psychologie zurechnen würde, ihm also vollkommen bewusst ist, dass die Wirtschaftswissenschaften, wie im Grunde jede Wissenschaft, was sich ja auch in Konstituierung neuer Wissenschaften zeigt, Bioninformatik, Biochemie, Neurolinguistik, Psycholinguistik, Biophysik, Wirtschaftsinformatik etc.etc., nicht allein stehen können.
Die Ansicht Alfred Marshalls, die ja auch von der heutigen Ökokaste vertreten wird, also die Tatsache, dass es die Wirtschaftswissenschaften mit messbaren, in Geld, Größen zu tun haben, ist aus mehreren Gründen problematisch.
1) Erstens nimmt er damit den Positivismusstreit in der Soziologie vorweg. Hinter der monetär messbaren Nachfrage eines Gutes, z.B. Bio-Lebensmittel, verbirgt sich ein Bündel unterschiedlicher Motive. Im Falle der Bio-Nahrungsmittel zum Beispiel gesundheitliche Aspekte, Sorgen um nachhaltige Erzeugung, Einstellungen zu Gerechtigkeit, geschmackliche Präferenzen, Mode etc..
Diese verschiedenen Motive auseinanderzupflügen, die ja zum Teil, wie bei Fair Trade, vermischt sind bzw. zum Teil, wie bei der Betonung gesundheitlicher Aspekte medizinisch umstritten oder sogar, was die Umweltbelastung durch den Transport angeht, unsinnig sind, bzw. Erzeuger in entfernten Ländern, die von diesen Einnahmen abhängen, benachteiligen würde, ist durchaus eine Aufgabe für Wirtschaftswissenschaftler.
Uns interessiert nicht, dass die Erzeuger von Bio-Lebensmittel höhere Preise durchsetzen können, uns interessiert, warum dies der Fall ist. Uns interessiert das merkwürdige Gemengelage aus berechtigten Sorgen und dubiosen Meinungen. Die Beschränkung der Wirtschaftswissenschaften auf monetär messbare Größen ist wissenschaftlich ein Rückschritt.
Karl Popper würde sagen, dass der mit Bio-Nahrungsmitteln erzielbare höhere Preis Präferenzen objektiv widerspiegelt. Ist aber dieser Preis lediglich der Effekt einer Ursache, dann handelt es sich keineswegs um einen objektiven und stabilen Sachverhalt.
(Dieses Beispiel ist jetzt natürlich trivial. Wenn aber, wie Alfred Marshall korrekterweise feststellt, das menschliche Bewußtsein durch und durch gesellschaftlich determiniert ist, dann können Annahmen über menschliches Verhalten, wie sie in der Ökonomie ständig gemacht werden, nicht mehr als stabil angesehen werden.)
Fundamentaler wird die Auseinandersetzung im Positivismusstreit, also in der Auseinandersetzung zwischen Theodor Adorno und Karl Popper. Zutreffend geht Adorno davon aus, dass das, was man irgendwie messen kann, selber ein Gewordenes ist. Wenn also 3,5 Millionen Leute pro Tag den Bildzeitungsdreck lesen, dann heißt das noch lange nicht, dass man hieraus den Schluss ziehen kann, dass Menschen an und für sich ein Interesse an Dreck haben. Es heißt nur, dass das gesellschaftliche Ensemble aus Schule, Wirtschaft, Familie etc. die Leute dazu gebracht hat, Dreck nachzufragen.
Alfred Marshall und Karl Popper würden sagen, dass sich hier in dem Preis für den Dreck ein objektiv messbares Bedürfnis des Subjekts nach diesem Dreck ausdrückt, was es aber nicht tut, wenn das, was gemessen wird, selber durch das 'gesellschaftliche Ensemble' determiniert ist. In diesem Zusammenhang fällt dann auch die berühmte Aussage Adornos "Das Ganze ist das Falsche" (wobei niemand genau weiß, wo das eigentlich steht).
Wir werden aber noch sehen, dass Alfred Marshall seine Ansichten wieder relativiert. Den simplen Ahistorizismus von Karl Popper teilt er nicht. Zwar kennt die Geschichte in der Tat kein Ziel und kann beliebig von Menschen verändert werden, die Ausgangssituation für wirtschaftliche, soziale, psychologische, emotionale, technische Prozesse ergibt sich aber aus kontingenten historischen Prozessen.
2) Zweitens garantiert Messbarkeit allein auch nicht Wissenschaftlichkeit. Messbarkeit erleichtert lediglich die Überprüfung von Hypothesen. Messbarkeit kann sogar falsche Theorien bestätigen. Unter normalen Bedingungen fällt zum Beispiel eine Feder langsamer als eine Eisenkugel. Man könnte also vermuten, dass ein Körper umso schneller fällt, je schwerer er ist, was aber tatsächlich, im luftleeren Raum, nicht zutrifft. Messbarkeit alleine ist sinnlos, erlaubt keine Formulierung kausaler Zusammenhänge. In der Volkswirtschaftslehre produziert Messbarkeit oder statistische Zusammenhänge wahrscheinlich sogar mehr Fehler, als richtige Aussagen. Empirische Daten stellen Zusammenhänge dar zwischen Effekten, die aber nur solange stabil sind, wie sich die Ursachen, die die Effekte hervorbringen nicht ändern.
3) Drittens wollen wir nicht wissen, was zu stabilen 'Gesetzen' führt, sondern das, was relevant ist. 'Gesetze' über irrelevante Zusammenhänge sind sinnlos. Die Aussage "Wer mehr Geld hat, kann mehr ausgeben" ist absolut richtig und sehr stabil. Es ist ein Gesetz, das eine ähnliche universale Gültigkeit hat wie der Energieerhaltungssatz. Allerdings interessiert uns, wo die Knete herkommt und nicht, dass man sie ausgeben kann. Bei diesem Beispiel ist die Trivialiät offensichtlich. Allerdings ist die Beschreibung des Pareto Optimums, die sich in jedem Lehrbuch findet, es wird solange getauscht, bis sich keiner mehr durch den Tausch besser stellen kann, aber auf jeden Fall keiner schlechter, eine ähnlich triviale Aussage.
Gleichermaßen sinnlos ist im Übrigen, wie dies ein Teil der dozierenden Ökokaste tut, die Definition der Volkswirtschaftslehre als die 'Lehre von den Märkten'. Das ist sogar noch schlimmer. Das schließt, zumindest wenn man mit dem Begriff 'Markt' irgendwelche konkreten Vorstellungen verbindet, zum Beispiel die, dass da irgendjemand unternehmehrisch handelt, von vorneherein den gesamten staatlichen Sektor aus. Wer eine Behörde als Unternehmen bezeichnet, der hat noch keine Behörde von Innen gesehen.
Bis auf den heutigen Tag wird immer wieder die Physik als das Modell beschworen, dem man folgen müsse. Dieses Ideal schwebt auch Marshall vor, auch wenn er konzediert, dass die Wirtschaftswissenschaften diesem Anspruch nicht gerecht werden.
Economic laws are statements with regard to the tendencies of man's action under certain conditions. They are hypothetical only in the same sense as are the laws of the physical sciences: for those laws also contain or imply conditions. But there is more difficulty in making the conditions clear, and more danger in any failure to do so, in economics than in physics. The laws of human action are not indeed as simple, as definite or as clearly ascertainable as the law of gravitation; but many of them may rank with the laws of those natural sciences which deal with complex subject-matter. | Ökonomische Gesetze sind Aussagen über menschliches Verhalten unter bestimmten Bedingungen. Hypothetisch sind sie nur in gleicher Weise, wie dies auch für die Physik gilt, denn auch diese Gesetze gelten nur unter Nebenbedingungen. Doch ist es in den Wirtschaftswissenschaften schwieriger als in der Physik, diese Bedingungen genau zu formulieren und die Gefahr ist größer, diese Bedingungen falsch zu formulieren. Die Gesetze über menschliches Verhalten sind tatsächlich nicht so einfach, klar umrissen oder so leicht greifbar, wie das Gravitationsgesetz. Manche jedoch können sich vielleicht mit den Naturgesetzen jener Naturwissenschaften messen, die mit komplexen Forschungsbereichen zu tun haben. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, THE SUBSTANCE OF ECONOMICS, THE ORDER AND AIMS OF ECONOMIC STUDIES |
Das ist die Frage: "...but many of them may rank with the laws of those natural sciences which deal with complex subject-matter...". Der Unterschied zwischen Alfred Marshall und der dozierenden Ökokaste besteht aber darin, dass er das Problem anspricht und nicht, wie die heutige Ökokaste, die seine Konzepte alljährlich unters Volk bringt, die mathematische Modellierbarkeit einfach hypostasiert, siehe Sinnhaftigkeit der mathematischen Modellierung.
Der Autor würde sagen, und wir hatten hierfür schon zahlreiche Beispiele, dass in dem Moment, in dem kontingente, zufällige Einflüsse dominieren, allgemeingültige Aussagen nur auf Kosten der Relevanz gemacht werden können.
Eine zentrale Aussage der Neoklassik, zumindest in der simplifizierten Form, wie sie uns in Lehrbüchern begegnen, ist z.B. die Aussage, dass der Lohn dem (monetär bewerteten) Grenzprodukt der Arbeit entspricht. Die Aussage ist unstrittig richtig und gilt unviversell, in Paraguay wie in Kanada. Allerdings abstrahiert sie von allen kontingenten Umständen, Bildungsniveau, Infrastruktur, Vorhandensein / nicht Vorhandensein industrieller Kerne, etc.etc.. Letztere sind aber für die Höhe des Grenzproduktes der Arbeit und damit für die Lohnhöhe verantwortlich.
Die Neoklassik nimmt aber das Grenzprodukt der Arbeit als gegeben, woraus sich dann die Lösung für Unterbeschäftigung ableitet: Lohnsenkung. Die kontingenten Umstände geraten gar nicht ins Blickfeld. Man könnte ja auch den Lohn auf der Höhe lassen, wo er ist und das Grenzprodukt der Arbeit anpassen. Faktisch alle Gesetze der Vwl sind von dieser Art. Die Formulierung von universell gültigen Gesetzen gelingt nur, wenn von den kontingenten Umständen abstrahiert wird, der kleinste gemeinsame Nenner als relevant angenommen wird. Wir erhalten universal gültige Trivialitäten.
Es ist naheliegend, dass ein Gleichungssystem über die Variablen aufgelöst werden kann, die es enthält. Fraglich ist nur, ob das auch die relevanten Parameter sind. Feststellen könnte man dies, indem man die Ergebnisse gegen die Realität testet, was aber im Bereich VWL nie geschieht.
Interessant an dieser Aussage ist, dass er hier schon eine zentrale Aussage Karl Poppers vorwegnimmt. Es gibt also nichts neues unter der Sonne und die Bedeutung von Karl Popper kann man auch relativieren. Er stellt fest, dass viele Gesetze eben nur unter Nebenbedingungen gelten und je spezieller diese Nebenbedingungen sind, desto geringer die Allgemeingültigkeit.
Allerdings führt der Vergleich mit den Naturwissenschaften in die Irre. Der Anteil der kontingenten Faktoren ist in den Naturwissenschaften gering und damit die Aussage des Gesetzes relevant. In der Volkswirtschaftslehre überwiegen die kontingenten Faktoren und damit ist Relevanz des Gesetzes gering. Je geringer die Relevanz des Gesetzes und je dominanter die kontingenten Faktoren, desto geringer ist auch die praktische Bedeutung.
Welcher Tatbestand hierbei zum "Gesetz" erhoben wird und warum ist weitgehend unklar. Bei dem berühmten Gesetz von Angebot und Nachfrage, mit sinkendem Preis steigt die Nachfrage und sinkt das Angebot, handelt es sich letztlich um einen "intuitiv" gewonnen Zusammenhang, da ein Zusammenhang zwischen Menge und Kosten / Preis empirisch sich allerhöchsten auf regulierten Märkten, Börsen etc., empirisch beobachten lässt.
Regulierte Märkte liegen auch der Analyse von Léon Walras zugrunde, wobei in diesem Fall noch hinzukommt, dass es sich um reine Tauschmärkte handelt. Gleichermaßen gilt der Zusammenhang zwischen Zunahme der Produktion und steigenden Grenzkosten nur für die kurze Frist, wenn überhaupt, und auch dieser Zusammenhang kann empirisch selten beobachtet werden. Denkbar wäre sowas, wenn qualizifiertes Personal nur noch gegen eine höhere Entlohnung gefunden werden kann. Denkbar sind des weiteren sprungfixe Kosten. Dieses Gesetz löst sich also auf wie ein Fata Morgana, wenn man die kontingenten Faktoren, Produktionspotential, know how und damit die Fähigkeit auf eine verstärkte Nachfrage zu reagieren, Änderungen der Präferenzen in die Betrachtung mit einbezieht.
Nimmt man es ganz genau, ist die marshallsche Angebotskurve eine Grenzkostenkurve, bei der keine fixen Kosten berücksichtigt werden. Sind aber die variablen Kosten vernachlässigbar, was bei der industriellen Produktion weitgehend zutrifft, dann dann lassen sich mit dem Marshallkreuz relevante Aussagen nur für die Kurze Frist gewinnen, was Alfred Marshall ja auch konzediert.
Die Kanonisierung von Gesetzen und Konzepten in den akademischen Lehrbüchern folgt einer eigenen Logik. Das ist wohl in jeder Wissenschaft so, allerdings ist in den Naturwissenschaften die Relevanz leichter objektivierbar. In der Volkswirtschaftlehre scheint die mathematische Modellierbarkeit für die Aufnahme in den Kanon maßgeblich zu sein. Zu vermuten ist, dass niemand rational begründen könnte, warum z.B. das IS-LM Modell zum Kanon gehört, nicht aber das Original, also die General Theory of Employement, Interest and Money. Ausschlaggebend scheint auch hier die Modellierbarkeit gewesen zu sein, denn andere Gründe lassen sich schwer finden.
Es ist ein kurioser Tatbestand, dass es den Methodenstreit eigentlich nur in den Wirtschaftswissenschaften gibt, dort allerdings regelmäßig alle zwei Jahre. Andere Wissenschaften, wie etwa die Molekularbiologie oder die Biologie insgesamt, haben mit ähnlichen Problemen wie die VWL zu kämpfen, Schwierigkeit die relevanten Faktoren zu isolieren, Schwierigkeiten bei der empirischen Überprüfung von Hypothesen, hoher Bedarf unterschiedlicher Methoden, zum Nachweis bestimmter Zusammenhänge etc.etc.. Ein Methodenstreit wird da aber nie geführt. Der Methodenstreit ist eine Stellvertreter Diskussion. Das Problem ist die Relevanz.
Das Wesentliche wurde in den Präliminarien schon gesagt. Die Volkswirtschaft teilen mit allen Kultur- und Gesellschaftswissenschaften das harte Schicksal, zunehmend irrelevant zu werden.
Das liegt aber nicht nur an den etwas zweifelhaften Erträgen der Forschung oder den Fragezeichen, die hinter den Nutzwert mancher wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge zu setzen ist, sondern schlicht an der Tatsache, dass sie keine Vorstellung über ihre Funktion in der Gesellschaft haben.
Viel entscheidender als die Frage, ob die Methoden der Physik in den Wirtschaftwissenschaften anwendbar sind oder nicht, ist die Frage, ob die Physik, die Medizin, die Chemie diesselbe Funktion haben. Jemand, der zum Arzt geht, erwartet nicht primär, dass ihm der Arzt sein Leiden detailliert beschreibt. Er erwartet, dass er geheilt wird.
Die Erklärung, wie ein Medikament genau wirkt, würde er im Zweifelsfalle auch nicht verstehen. Jemand der einen Computer kauft, will und kann nicht verstehen, welche Prozesse in einem Prozessor ablaufen. Das vom Mediziner oder Physiker hergestellte Endprodukt ist nicht Aufklärung.
Das Endprodukt des Volkswirts ist aber Aufklärung. Der Politik, der Verbände, der Öffentlichkeit, wen auch immer, siehe das faszinierende und faszinierte Publikum der Volkswirtschaftslehre.
Molekularbiologen können sich in Fachzeitschriften äußern, die für die Gesellschaft irrelevant sind, wenn sie irgendwann mal einen Weg finden, Krebs effizient zu bekämpfen. Die Publikationen in Fachzeitschriften hat hier eine steuernde Wirkung.
Bei Volkswirten kommt es wesentlich darauf an, dass sie auf hohem Niveau meinungsbildend wirken. Eine reine Debatte unter Volkswirten hat was von Inzucht.
Das gleiche Problem haben auch die Philologien. Das Endprodukt ist hier ein gesellschaftliches Interesse zu wecken an ihren Fragestellungen. Das erreichen sie eben gerade nicht durch pseudowissenschaftliches Geschwätz. Würde es niemandem auffallen, wenn die Geisteswissenschaften vom Erdboden verschluckt werden, was der Fall ist, dann braucht man sie offensichtlich nicht mehr. Das Geld wäre dann anderweitig besser angelegt.
Das Argument, dass man Lehrer braucht, sticht nicht wirklich, denn hier produziert der pseudowissenschaftliche akademische Hokuspokus vollumfänglich am Bedarf vorbei. Die sprachlichen Fächer kann man von talentierten Muttersprachlern unterrichten lassen und Fächer wie Deutsch, die bei dem zur Zeit zur Verfügung stehenden Personal nur einen äußerst geringen Nutzen stiften, kann man sich sparen, siehe Kulturindustrie oder Aufklärung als Massenbetrug. Wenn man mit einem gegebenen Personal bestimmte Ziele nicht erreichen kann, dann muss man dieses Ziel aufgeben.
Die Volkswirtschaft ist noch nicht so auf den Hund gekommen, wie die Geisteswissenschaften, aber sie ist kurz davor. Weite Bereiche der akademischen Mikroökonomie sind eine gut strukturierte, durchformalisierte Parallelwelt ohne irgendeinen Bezug zur Realität, wenn man von den Elementen absieht, die im kaufmännischen Rechnungswesen eine Rolle spielen, wobei sich dort inzwischen eine präzisere Art der Darstellung herausgebildet hat.
Da wohl niemand Lust hat, sich mit dem Geschwurbel inhaltlich auseinanderzusetzen, lässt man es schlicht links liegen.
Von allen Kanditaten, die wir bis jetzt hatten, gibt es zwei Bücher, die auf jeden Fall zentral sind. Das ist Adam Smith, Wealth of Nations und Alfred Marshall, Prinicples of economics. Wer sie durchliest, wird feststellen, dass die Ökokaste als Begründer der Parlallelwelt sich keinesewegs auf die Gesamtheit der Klassiker oder Neoklassiker berufen kann. Als einer der Begründer der mathematischen Modulierung wird öfter Alfred Marshall angeführt. Bei ihm lesen wir.
Secondly, the growth of exact habits of thought in economics is making people more careful to state distinctly the premises on which they reason. This increased care is partly due to the application by some writers of mathematical language and mathematical habits of thought. It is indeed doubtful whether much has been gained by the use of complex mathematical formulæ. But the application of mathematical habits of thought has been of great service; for it has led people to refuse to consider a problem until they are quite sure what the problem is; and to insist on knowing what is, and what is not intended to be assumed before proceeding further. | Des weiteren hat die Zunahme exakter Methoden des Denkens in den Wirtschaftswissenschaften
die Menschen dazu geführt, sich über die
Voraussetzungen ihres Denkens sorgfältiger Rechenschaft abzulegen.
Diese größere Sorgfalt hängt zum Teil mit der Verwendung der mathematischen
Sprache und mathematischer Denkweisen durch manche Autoren zusammen.
Man kann bezweifeln, ob durch die Verwendung komplexer mathematischer
Formeln viel gewonnen wurde, doch war die Verwendung mathematischer
Gewohnheiten von großem Nutzen, denn es hat die Leute dazu gebracht,
die Analyse eines Problems zu verweigern, wenn nicht mal klar war,
worin das Problem überhaupt besteht. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, THE SUBSTANCE OF ECONOMICS, ON WANTS AND THEIR SATISFACTION |
"Manche Autoren" ist wohl eine Spitze gegen Léon Walras, mit dem einige Autoren aus dem Umfeld von Alfred Marshall, z.B. Edgeworth, einen sehr hitzigen Briefverkehr führten. Tenor: Léon Walras hat mit einem enormen Aufwand an mathematischer Modellierung ein nicht vorhandenes Problem nicht gelöst.
Marshall meint dazu: "It is indeed doubtful whether much has been gained by the use of complex mathematical formulæ."
Wir halten das nicht für doubtful, wir halten das für einen eindeutigen Irrweg, siehe auch Sinnhaftigkeit der mathematischen Formulierung.
Wer es sich antut, als Alfred Marshall liest, hat auf der einen Seite eine kompakte schnörkellose Darstellung der akademischen Mikroökonomie auf der anderen Seite aber eine kritische Auseinandersetzung mit selbiger. Denn Alfred Marshall differenziert, relativiert und macht teilweise recht moderne Anmerkungen, auch wenn diese etwas heuristisch, unsystematisch vorgetragen und auch nicht in ihrer ganzen Tragweite erfasst werden. Wir meinen konkret Stellen wie diese.
Thus it is on the one side a study of wealth; and on the other, and more important side, a part of the study of man. For man's character has been moulded by his every-day work, and the material resources which he thereby procures, more than by any other influence unless it be that of his religious ideals; and the two great forming agencies of the world's history have been the religious and the economic. Here and there the ardour of the military or the artistic spirit has been for a while predominant: but religious and economic influences have nowhere been displaced from the front rank even for a time; and they have nearly always been more important than all others put together. Religious motives are more intense than economic, but their direct action seldom extends over so large a part of life. For the business by which a person earns his livelihood generally fills his thoughts during by far the greater part of those hours in which his mind is at its best; during them his character is being formed by the way in which he uses his faculties in his work, by the thoughts and the feelings which it suggests, and by his relations to his associates in work, his employers or his employees. | Dergestalt ist ihr (der Volkswirtschaftslehre) Forschungsbereich auf der einen Seite der Wohlstand und auf der anderen, wichtigeren Seite, ein Teilaspekt des Menschen, denn der menschliche Charakter wurde immer schon durch seine tägliche Arbeit und die materiellen Güter, die er so erlangt, mehr als durch jeden anderen Einfluss, außer vielleicht der Religion, geformt. Die zwei großen formenden Kräfte der Weltgeschichte waren die Religion und die Wirtschaft. Hier und da mag militärischer Eifer und künstlerisches Interesse für eine Weile dominiert haben, doch nirgends wurde die Religion und die Wirtschaft jemals von ihren ersten Plätzen verdrängt und die beiden waren immer wichtiger, als alle anderen zusammengenommen. Religiöse Motive sind intensiver als ökonomische, doch selten nur umfasst sie so eine weite Spanne des Lebens, denn die Arbeit, mit der jemand seinen Lebensunterhalt verdient, erfüllt im Allgemeinen seine Gedanken während der meisten Zeit, in der sein Geist am wachsten ist. In dieser Zeit wird sein Charakter durch die Art, wie er seine Fähigkeiten nutzt, durch seine Gedanken und Gefühle, welche sie in ihm hervorrufen und durch die Beziehungen zu seinen Arbeitskollegen, seinem Arbeitgeber oder seinen Angestellten, geformt. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, INTRODUCTION |
Das mit der Religion lassen wir mal aussen vor, das stimmt wohl immer weniger. Richtig ist aber, dass der Mensch selber eine Resultierende einer bestimmten gesellschaftlichen Entwicklung ist. Ob man nun wie Alfred Marshall oder Theodor Adorno die wirtschaftliche Entwicklung als dominierend ansieht, ist zweitrangig. Unstrittig ist, dass die berufliche Tätigkeit die Menschen prägt und die Handlungsoptionen bei der beruflichen Tätigkeit sich wiederum aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. Wir haben also eine Rückkoplung und eine Dynamik in der Zeit. Wenn aber das, was gemessen und beobachtet werden kann, monetär oder wie auch immer, selber nur das Produkt einer Entwicklung ist, dann ist natürlich die Aussagekraft dieser Messungen und Beobachtungen gering und auch insofern nicht mit Naturgesetzen vergleichbar, denn diese sind stabil in der Zeit.
Machen wir uns an einem bestimmten Verhalten klar, was das heißt: David Ricardo, und ihm folgend John Stuart Mill, gingen davon aus, dass sich die Bevölkerung, übersteigt der Lohn das Niveau, das für die bloße Existenzsicherung notwendig ist, vermehrt. (Wobei John Stuart Mill hoffte, dass die Menschen in den kurzen Phasen des höheren Lebenstandards lernen würden, den höheren Lebenstandard nicht wieder durch eine Bevölkerungszunahme zunichte zu machen.) Beide hielten das für einen stabilen Zusammenhang und auf diesem Zusammenhang fusssen all ihre ökonomischen Vorstellungen. Tatsächlich ist der Zusammenhang äußerst instabil.
Der Zusammenhang ist relevant insofern, als Popper zu kurz springt. Der Historizismus, der Glaube also, dass der Verlauf der Geschichte Gesetzen folgt und prognostizierbar ist, ist nur eine Facette eines allgemeineren Problems. Jede Hypostasierung eines stabilen sozialen Zusammenhangs ist dasselbe Phänomen. Popper hätte seine Liste, Hegel, Marx, Platon, beliebig erweitern können, zum Beispiel um David Ricardo oder Léon Walras. Hätte er Ernst Bloch verstanden, hätte er ihm sympathisch sein müssen. Den Bloch beschreibt den Möglichkeitsraum, der sich immer weiter ausfächert, je mehr man ihn erkundet. Das schließt den Glauben an stabile Zusammenhänge aus, siehe Ernst Bloch.
Zeit spielt auch bei der Messung des Nutzens eine Rolle. Selbst wenn er in Geld gemessen wird, als einem einheitlichen Maßstab, ist er nicht mal interpersonell vergleichbar. Hinzu kommt noch der Faktor Zeit.
(Auch hier sehen wir wieder, wie stark Alfred Marshall seine Konzepte hinterfragt. Anstatt sich also mit Lehrbüchern abzuplagen, die seine Konzepte in simplifizierter Form darstellen, könnte man auch gleich das Original nehmen. Das wäre einfacher verständlich und man erhielte eine differenziertere Darstellung. Es wäre mehr in weniger Zeit.)
It is essential to note that the economist does not claim to measure any affection of the mind in itself, or directly; but only indirectly through its effect. No one can compare and measure accurately against one another even his own mental states at different times: and no one can measure the mental states of another at all except indirectly and conjecturally by their effects. Of course various affections belong to man's higher nature and others to his lower, and are thus different in kind. But, even if we confine our attention to mere physical pleasures and pains of the same kind, we find that they can only be compared indirectly by their effects. In fact, even this comparison is necessarily to some extent conjectural, unless they occur to the same person at the same time. For instance the pleasures which two persons derive from smoking cannot be directly compared: nor can even those which the same person derives from it at different times. But if we find a man in doubt whether to spend a few pence on a cigar, or a cup of tea, or on riding home instead of walking home, then we may follow ordinary usage, and say that he expects from them equal pleasures. If then we wish to compare even physical gratifications, we must do it not directly, but indirectly by the incentives which they afford to action. If the desires to secure either of two pleasures will induce people in similar circumstances each to do just an hour's extra work, or will induce men in the same rank of life and with the same means each to pay a shilling for it; we then may say that those pleasures are equal for our purposes, because the desires for them are equally strong incentives to action for persons under similar conditions. | Zu betonen ist, dass die Ökonomen nicht behaupten, die Neigungen des Geistes selbst, also direkt, zu messen. Sie messen sie nur indirekt durch die Effekte. Selbst seinen eigenen mentalen Zustand zu unterschiedlichen Zeiten kann niemand exakt vergleichen oder messen und noch weniger kann man den mentalen Zustand eines anderen messen außer eben indirekt und ungefähr durch die Effekte. Manche Neigungen gehören der höheren Natur des Menschen an und andere der niedrigeren und sind deshalb verschieden. Doch selbst wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die rein physischen Freuden und Schmerzen gleicher Art lenken, werden wir finden, dass sie nur indirekt durch ihre Effekte gemessen werden können und selbst diese Vergleiche sind notwendigerweise nur Annäherungen, wenn sie sich nicht auf die gleiche Person und die gleiche Zeit beziehen.
Der Genuss zum Beispiel, den zwei Leute haben, wenn sie rauchen, kann genau so wenig direkt miteinander verglichen werden, wie der Genuss, den dieselbe Person zu zwei unterschiedlichein Zeitpunkten hieraus zieht. Wenn wir aber jemanden sehen, der darüber nachdenkt, ob er ein paar Pence für eine Zigarre ausgibt oder eine Tasse Tee, heimzufahren anstatt heimzulaufen, dann können wir dem gesunden Menschenverstand folgen und sagen, dass er sich von allen den fast gleichen Genuss verspricht.
Wenn wir die physische Belohnung messen wollen, dann dürfen wir das nicht direkt tun, sondern indirekt durch die Anreize, welche sie in Aktion setzen. Wenn der Wunsch sich einen von zwei Genüssen zu verschaffen, Leute in ähnlichen Umständen dazu bringt, eine Stunde mehr zu arbeiten oder zwei Menschen mit gleichem Lebensstandard und den gleichen Mitteln veranlasst, ein Pence zu zahlen, dann genügt dies für unsere Zwecke um zu sagen, dass diese Genüsse gleich sind, denn der Wunsch, sie zu erlangen ist für Menschen in vergleichbarer Position groß genug, um sie zu einer Aktion zu veranlassen. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, THE SUBSTANCE OF ECONOMICS |
Er unterscheidet also messerscharf zwischen Effekten und Ursachen. Viele ökonomische Gesetze, insbesondere wenn mit Statistiken gearbeitet wird, aber auch Modelle die in algebraischer Form vorliegen, beschreiben Beziehungen zwischen Effekten, die nur solange stabil sind, wie die Ursachen, die die Effekte hervorbringen, stabil sind.
Das Thema Zeit wird hier nochmal aufgegriffen. Die Aussage oben zielte darauf ab, dass die Gesellschaft selbst und die Individuen durch die Wirtschaft geprägt werden. Daraus folgt dann, auch wenn er das nicht sagt, dass mit Preisen nur ein ephemerer Zustand gemessen wird.
Zwischen der Messung des Blutzuckerspiegels (Glucose pro Liter Blut) und der Messung des Wertes eines Gutes (in Euro pro kg / Stück) liegen Welten.
Eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels über einen bestimmten Wert führt völlig unabhängig von den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedingungen zu einer Ausschüttung von Insulin.
Ob eine Erhöhung des Preises zu einer Verringerung der Menge führt hängt ab von den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen Bedingungen ab und die ändern sich im Zeitablauf.
Selbst bei identischen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen ändern sich die Präferenzen des Individuums im Zeitablauf. Wer mit 14 bereit war, 1200 DM für ein Mofa auszugeben, gibt unter Umständen mit 40 keinen Euro mehr aus für ein Mofa, dafür aber 2400 Euro für ein Fahrrad.
Des weiteren relativiert er auch die Möglichkeit eines interpersonellen Vergleichs. Den interpersonellen Vergleich hält er nur für möglich, wenn zwei ähnlich strukturierte Gruppen verglichen werden (gleiches Einkommen, gleicher Beruf, gleiches Alter etc.).
Den grundsätzlichen Annahmen, also dass mit zunehmenden Konsum eines Gutes der Nutzen, den dieses Gut stiftet, und damit die Zahlungsbereitschaft abnimmt, kann man zustimmen.
Man kann auch der These zustimmen, dass mit zunehmendem Einkommen manche Güter mehr (relativ oder absolut), zum Beispiel Rolex Uhren, und andere Güter weniger, zum Beispiel Wein in Tüten, konsumiert werden.
Wir können uns überhaupt Hunderte und Tausende von Einflüssen auf das Nachfrageverhalten vorstellen und wir können uns auch vorstellen, dass diese sich im geschichtlichen Verlauf und der individuellen Entwicklung ändern und die Stärke der marktwirtschaftlichen Ordnung besteht eben genau darin, alle diese Einflüsse in exakt einer Variablen, die für einen bestimmten ephemeren Moment Gültigkeit hat, zu spiegeln: im Preis.
Aus dem Preis kann man, so man Lust dazu hat, auch den Nutzengewinn oder Nutzenverlust in verschiedenen Situationen ableiten, das ist dann eine kardinale Nutzenmessung, siehe kardinale Nutzenmessmung.
Wo allerdings seine Überlegungen, die den Nutzen ordinal in der Tradition Paretos messen, praktische Relevanz haben soll, erschließt sich spontan erstmal nicht. Das Verfahren verfolgt irgendwie das Ziel, reale marktwirtschaftliche Prozesse durch theoretische Fiktionen zu ersetzen. Im Grunde befindet sich Pareto auf einer Stufe vor der Marktwirtschaft, in einer Wirtschaft ohne Geld. Bei Alfred Marshall ist die ordinale Nutzenmessung aber ein Posten unter ferner liefen. Die dozierende Ökokaste, die also ein Semester lang über die ordinale Nutzenmessung à la Pareto doziert, hätte also schon bei Alfred Marshall nachlesen können, dass die ordinale Nutzenmessung theoretisch richtiger ist, praktisch aber komplett irrelevant.
Bei Alfred Marshall klingt das so.
One great disadvantage of a primitive economy, in which there is but little free exchange, is that a person may easily have so much of one thing, say wool, that when he has applied it to every possible use, its marginal utility in each use is low: and at the same time he may have so little of some other thing, say wood, that its marginal utility for him is very high. Meanwhile some of his neighbours may be in great need of wool, and have more wood than they can turn to good account. If each gives up that which has for him the lower utility and receives that which has the higher, each will gain by the exchange. But to make such an adjustment by barter, would be tedious and difficult. The difficulty of barter is indeed not so very great where there are but a few simple commodities each capable of being adapted by domestic work to several uses; the weaving wife and the spinster daughters adjusting rightly the marginal utilities of the different uses of the wool, while the husband and the sons do the same for the wood. § 2. But when commodities have become very numerous and highly specialized, there is an urgent need for the free use of money, or general purchasing power; for that alone can be applied easily in an unlimited variety of purchases. And in a moneyeconomy, good management is shown by so adjusting the margins of suspense on each line of expenditure that the marginal utility of a shilling's worth of goods on each line shall be the same. And this result each one will attain by constantly watching to see whether there is anything on which he is spending so much that he would gain by taking a little away from that line of expenditure and putting it on some other line. | Ein großer Nachteil einer einfachen Wirtschaft, wo es nur wenig freien Tausch gibt, besteht darin, dass eine Person sehr leicht viel von einer Sache haben kann, sagen wir Wolle, die er schon überall, wo es nur denkbar ist, verwendet hat, so dass ihr Grenznutzen nun sehr niedrig ist. Gleichzeitig kann er von einem anderen Gut so wenig besitzen, sagen wir mal Holz, so dass dessen Grenznutzen sehr hoch ist. Unterdessen hat vielleicht einer seiner Nachbarn einen großen Bedarf an Wolle und mehr Holz, als er irgendwie sinnvoll verwenden kann. Wenn jeder nun das abgibt, was für ihn einen geringeren Nutzen stiftet und das bekommt, was einen höheren Nutzwert stiftet, dann gewinnen beide durch diesen Tausch. Eine solche Anpassung aber durch Handel durchzuführen, wäre mühsam und schwierig.
Die Schwierigkeit zu feilschen ist jedoch dann nicht so groß, wenn es nur wenige, einfach Waren gibt, von denen jede durch häusliche Arbeit für unterschiedliche Zwecke modifiziert werden kann. Die Webersfrau und die Töchter des Spinners können den Grenznutzen der unterschiedlichen Verwendungen von Wolle abschätzen, während der Mann und die Söhne dies für Holz tun können.
Wenn jedoch die Güter zahlreicher sind und sehr speziell, dann besteht die Notwendigkeit für Geld, oder, allgemeiner ausgedrückt, es besteht ein dringender Bedarf für Geld oder allgemeiner Kaufkraft, denn nur Geld allein kann ohne weiteres und unbegrenzt für eine Vielzahl von Käufen eingesetzt werden und in einer Geldwirtschaft zeigt sich gutes Management dadurch, dass der Austausch der letzten Einheit eines jeden Gutes sich so gestaltet, dass der Grenzwert eines Schilling in jeder Verwendung der gleiche ist. Und dieses Ergebnis wird dadurch erzielt, dass jeder konstant darauf achtet, ob es etwas gibt, wofür er soviel Geld ausgibt, wie er gewinnen würde, wenn er die Ausgaben dort ein bisschen verringert und es anderweitig anlegt. aus: Alfred Marshall, Principles of economics, CHOICE BETWEEN DIFFERENT USES OF THE SAME THING. IMMEDIATE AND DEFERRED USES |
Damit hat er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Er führt den Pareto Fall vor, Güter werden direkt und ohne Geld getauscht und er erläutert Walras. Das Optimum ist dann erreicht, wenn ein Schilling in jeder Verwendung den gleichen Nutzwert stiftet.
(Dieses "Gesetz", das Optimum ist da erreicht, wo eine Einheit Geld in jeder Verwendung den gleichen Nutzen stiftet, könnte im übrigen mit mehr Recht kanonisiert werden, als das Gesetz von Angebot und Nachfrage, denn es beschreibt einen zentralen Mechanismus marktwirtscaftlicher Ordnungen, der mutatis mutandis auch für die Angebotsseite gilt. Im Grunde haben wir das aber schon bei Adam Smith. Der natürliche Preis ist genau der Preis, der sich einstellt, wenn durch eine Reallokation keine Verbesserung mehr möglich ist, weil der Grenznutzen / Grenzertrag in jeder Verwendung gleich ist.)
Die ordinale Nutzenmessung besteht also nur in einer sehr einfachen Wirtschaft. Vergleicht man den Austausch zweier konkreter Güter direkt, dann hat man natürlich das Problem der interpersonellen Nutzenmessung durch den Preis, also monetär, gelöst. Tauschen zwei Leute zwei Waren für jeweils einen Euro und der eine verdient 10 000 Euro im Monat und der andere 50 Euro, dann sind die jeweiligen Nutzen, die ausgetauscht werden natürlich nicht gleich. Beide finden in diesem Tausch aber ihr Optimum, sonst würden sie ja nicht tauschen, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Der Straßenverkäufer in Bolivien, der eine Orange für 50 Cent verkauft, hat einen höheren Nutzen, als der europäische Tourist, der ihm die Orange für 50 Cent abkauft. Dem gleichen monetären Betrag entspricht also nicht der gleiche Nutzen.
Ein Tausch über den Preis ist kein Tausch gleicher Nutzmengen, weil Geld selbst dem Gesetz des abnehmenden Grenznutzens folgt. Eine Schachtel Pralinen für 20 Euro muss für jemanden mit einem Monatseinkommen von 10 000 Euro nicht allzuviel Nutzen stiften, weil 20 Euro für selbigen nicht viel Geld ist. Für jemanden der monatlich 800 Euro zur Verfügung hat, muss einen Pralinenschachtel schon einen gewaltigen Nutzen haben, damit er 20 Euro dafür hinlegt. Insofern erlauben die Instrumente, die mit der ordinalen Nutzenmessung operieren tiefere Einsichten als die Nutzenüberlegungen, die am Preis ansetzen. Bedauerlich dabei ist nur, dass die Instrumente, die mit einer ordinalen Nutzenmessung operieren eine Realität präziser beschreiben, die schlicht nicht existiert.
Bei der ordinalen Nutzenmessung à la Pareto feiert der Irrsinn dann endgültig Hoch-Zeit, denn die Aussage, dass die ordinale Nutzenmessung ohne einen interpersonellen Nutzenvergleich auskommt ist letztlich gleichbedeutend mit der Aussage, dass die Grenzrate der Substitution schlicht freihändig vergeben wird.
Auf dem Papier kann man locker eine Kurve malen, die das Substitutionsverhältnis zweier Güter abbildet. Eine solche Kurve empirisch zu ermitteln ist unmöglich, zumal in der Realität eine unendliche Anzahl von Gütern mit unendlich vielen Leuten getauscht werden. Hierbei spielt dann das Substitutionsverhältnis des einen Gutes gegen das andere à la Pareto keine Rolle, denn getauscht werden verschiedene Waren gegen Geld.
Ermitteln lässt sich so eine Kurve nur in höchst einfachen Wirtschaften mit Naturaltausch. Man könnte bei einzelnen Modellen, wie zum Beispiel der Edgeworth Box, die auf dem ordinalen Nutzenkonzept basiert, einwenden, dass sie einen Erkenntniswert insofern haben, als sie zeigt, dass Individuen bei gegebenen finanziellen Möglichkeiten ihren Nutzen steigern können, wenn sie bei der Aufteilung der Güter nicht nur ihre individuelle Position berücksichtigen, sondern auch die eines eventuellen Tauschpartner, allerdings gäbe es dann eine einfachere Darstellungsformen für den Sachverhalt. Solange der Nutzenverlust durch die Abgabe einer bestimmten Menge eines Gutes durch einen der Tauschpartner durch den Nutzenzuwachs überkompensiert wird, die eine bestimmte Menge des eingetauschten Gutes stiftet, wird er tauschen.
Haben zwei Tauschpartner Äpfel und Birnen und einer hat eine prinzipielle Präferenz für Äpfel, der andere für Birnen, wird derjenige, der eine Präferenz für Äpfel hat, eine zeitlang seine Birnen für Äpfel hergeben, bis eben, abnehmender Grenznutzen unterstellt, die eingetauschten Äpfel eben nicht mehr den Nutzwert der Birnen übersteigen, die er für die Äpfel abgeben muss. Auch diese Überlegung würde auf einem ordinalen Nutzenkonzept beruhen und würden die Kernidee der Edgeworth Box beinhalten und wäre, zur Not, sogar noch irgendwie empirisch im Labor überprüfbar. Die Konstruktion mit einer Indifferenzkurve hat keinen zusätzlichen Informationsgehalt. Genau genommen ist es nicht mal informativer, wenn man mit zwei Gütern anstatt mit nur einem argumentiert.
Wie bereits gesagt, ist die gesamte Mikroökonomie, sieht man mal von allem ab, was mit ordinaler Nutzenmessung zu tun hat, in den Principles of Economics, bereits enthalten.
Wie sich der Kanon herauskristalliert hat, inwiefern ein Abwägung mit alternativen Inhalten stattgefunden hat, warum es so dargestellt wird, wie es dargestellt wird, ob jemals, nachdem in der Zeit der großen Winde die Inhalte Eingang in den Kanon gefunden haben sich nochmal irgendjemand die Mühe gemacht hat, die Inhalte mit den Orginalen abzugleichen etc. etc. ist nicht festsellbar.
Es scheitert schon daran, dass nicht mal irgendeine plausible Erklärung geliefert wird, warum bestimmte Konzepte Eingang in den Kanon gefunden haben, den wir heute als Mikroökonomie bezeichnen.
Ist das Zeitbudget beschränkt, und es ist beschränkt, hätte es sich zum Beispiel angeboten, bestimmte Inhalte zu streichen, etwa alle Konzepte, die auf einer ordinalen Messung des Nutzens beruhen und dafür die Teile der Mikroökonomie auf praktische Probleme anzuwenden, die sich eher dafür eignen, also Bücher der Art von Applied Microeconomics von Krugmann / Obstfeld heranzuziehen.
Ob wir es bei der Herauskristallisierung eines Kanons wirklich mit etwas völlig anderem zu tun haben, als mit dem Marxismus Quark, lässt sich schwer beurteilen, denn hierzu müsste man erstmal wissen, wie der Marxismus Quark sich in den Ländern des Ostblocks etablieren konnte.
Eine Analyse vom Typ "wurde von oben vorgegeben" bietet eigentlich keine Erklärung für das Phänomen. Zwar wurde dieser tatsächlich von oben vorgegeben, aber damit er überall durchsickern konnte, braucht es noch eine gehörige Portion vorauseilendem Gehorsam und ein sicheres Gespür für Jargon und Stil, damit auch alle wussten, was karrierefördernd ist und was nicht.
Weiter bedurfte es noch einer stabilen Immunisierung gegen die Realität im Allgemeinen. Ob wir es bei der Kanonisierung der heutigen akademischen Lehre mit einem grundsätzlich anderen Phänomenen zu tun haben als mit der Verkündungsozialistischer Weisheiten ex catedra , ließe sich durchaus herausfinden, etwa dadurch, dass man die Protagonisten mal etwas intensiver befragt.
Betrachtet man die Sache nutzentheoretisch, dann haben wir hier einen Sonderfall. Der limitierende Faktor ist ja beim Studium die Zeit. Die Studieninhalte müssten also nach Maßgabe ihrer Grenznutzen in den Studiengang aufgenommen werden.
Wenn jetzt aber Inhalte aufgenommen werden, deren Grenznutzen schlicht Null ist, dann ist offensichtlich der limitierende Faktor zu groß. Das heißt, das Fach hat, zumindest beim Ausbildungsstand der akademischen Ökokaste, keine sinnvollen Inhalte mehr.
Ein Beispiel für sinnvolle Inhalte wäre zum Beispiel Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Wie bereits mehrfach erwähnt, geht die Analyse von Gleichgewichtszuständen etwas an der Logik der marktwirtschaftlichen Ordnung vorbei. Für Marktwirtschaften sind die Kräfte interessant, die aus dem Gleichgewicht hinausführen. Darum geht es bei Joseph Schumpeter. Bei ihm geht es eher um die Überwindung von Gleichgewichtigen. Nicht die Beschreibung von Gleichgewichten ist der interessante Aspekt, sondern deren Überwindung. Die Neoklassik und die Mikroökönomie hat ein Instrumentarium entwickelt, Konsumentenrente, Produzentenrente, Elastizitäten, aggregierte Grenzkostenkurven, aggregierte Nachfragekurven, Preis-Absatzfunktionen etc. etc. zur Analyse von Gleichgewichten.
Sie hat aber keine Instrumente zur Analyse der Kräfte, die gegen das Gleichgewicht wirken, sie hat eigentlich nicht mal Instrumente zur Analyse der Kräfte, die diesen gleichgewichtigen Zustand herbeiführen. Das Vorhandensein des Gleichgewichts wird vorausgesetzt. Wenn aber das Gleichgewicht ein banaler nicht erklärungsbedürftiger Zusammenhang ist, dann lässt sich die Wirtschaft auch mit den Methoden der Planwirtschaft lenken. Die Mikroökonomie beschreibt auf unterschiedliche Art und Weisen Gleichgewichte. Als Pareto Optimum, als einen Zustand, bei dem Grenzleistung aller Produktionsfaktoren in jeder Verwendung gleich sind oder schlicht als Marktpreis. Diese Gleichgewichte gelten überall, in der BRD, in Somalia und in Kuala Lumpur. Auch die Verhältnisse auf dem Mars und auf dem Mond lassen sich mit diesen Modellen korrekt beschreiben. Es ist hierfür nicht mal nötig, sich die Verhältnisse auf dem Mars oder Mond näher anzuschauen.
Die Mikroökonomie erscheint vielen als der, im Vergleich zur Makroökonomie, 'stabile' Teil der theoretischen Volkswirtschaftlehre, obwohl im Grunde schon die einfachsten Modelle, die sich auch in jedem Lehrbuch für Ausbildungsberufe im kaufmännischen Bereich finden, im Grunde fragwürdig sind.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage erscheint vielen Leuten 'intuitiv' einsichtig, obwohl, auch wenn wir von der skurrilen Annahmen des vollkommenen Marktes, also der Annahme, die die marktwirtschaftliche Ordnung als Informationsfindungssystem obsolet werden lässt, abstrahieren, die Annahmen überhaupt nicht plausibel sind.
Hypostasiert wird, dass eine größere Nachfrage nach einem Gut nur befriedigt werden kann, wenn der Preis steigt und so bestehende Unternehmen ihre Produktion ausdehnen, was nur mit höheren Kosten (höhere Löhne wegen Überstunden, Hinaustreiben der Maschinen aus dem optimalen Wirkungsgrad, höhere Preise für Vorprodukte und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen etc.) möglich sein soll.
Wir haben aber erlebt, beim Zusammenbruch der DDR, dass eine komplette Volkswirtschaft über Nacht von einer anderen Volkswirtschaft mitversorgt wird, ohne dass es zu einer Kostensteigerung kam. (Es kam kurzfristig zu einer negativen Leistungsbilanz. Wahrscheinlich unter anderem weil ein Nachholbedarf an Gütern bestand, die in Deutschland gar nicht produziert werden. Prinzipiell dürfte aber gelten, da jedes Gut von überall her auf der Welt herangekarrt werden kann, dass die Grenzkostenkurve so waagrecht ist, dass man selbst mit einer Wasserwaage keine Steigung wird feststellen können.)
Dass eine Ausdehnung der Produktion die Stückkosten und damit den Preis nach oben treibt, ist weder empirisch belegbar, außer in Einzelfällen (Vorsaison, Hochsaison, Nachsaison im Tourismus / Reiseverkehr, wobei hierbei aber nicht die Herstellungskosten die Preise nach oben treibt, sondern die schlichte Knappheit), noch theoretisch nachvollziehbar.
Wahrscheinlicher ist das genaue Gegenteil. Steigt die Nachfrage, sinken aufgrund der Fixkostendegression, das 'Hineineinlaufen' der Maschinen in den optimalen Betriebszustand, größere Rabattierung bei Roh-, Hilfs und Betriebstoffen und Vorprodukten, bessere Möglichkeiten betriebsinterner Spezialisierung etc. die Preise.
Das berühmte Gesetz von Angebot und Nachfrage stimmt eigentlich nur in den Bereichen, wo die Menge schlicht gar nicht ausgedehnt wird, die Angebotskurve also vertikal verläuft.
Diesen Fall haben wir z.B. bei Grundstücken. Wollen immer mehr Leute Land direkt am Meer kaufen, dann steigen eben die Preise für diese Grundstücke. Der Grund hierfür ist aber Knappheit und nicht die Herstellungskosten.
Wollen immer mehr Leute in Berlin / Pankow wohnen, dann steigen dort eben die Immobilienpreise und die Mieten. Kaufen immer mehr Leute in ihrer Verzweiflung Aktien, dann steigen eben die Aktienpreise.
All das hat mit den Herstellungskosten nichts, aber rein gar nichts zu tun.
Die Erfahrung in diesen Bereichen ist aber so bestimmend, dass das vermeintliche Gesetz von Angebot und Nachfrage als allgemein gültig akzeptiert wird, obwohl es ohne eine konkrete Analyse der Kostenstrukturen vollkommen sinnlos ist.
Ein kurioser Fall ist hierbei die Preisentwicklung im Flugverkehr. Diese verläuft genau umgekehrt zur Logik von Angebot und Nachfrage. In der Vor- und Nachsaison müssten die Preise nach dieser Logik sehr hoch sein, denn ein Flieger, der mit 30 Leuten an Bord nach Mallorca fliegt, spielt kaum noch die Spritkosten ein.
Nach der Logik des Gesetzes von Angebot und Nachfrage müssten dann also die Preise nach Maßgabe Grenzkosten = Preis hoch sein.
Das genau Gegenteil ist der Fall. In der Hochsaison ist der Flieger ausgelastet bis auf den letzten Platz, die Grenzkosten sind also viel niedriger, die Preise müssten folglich niedriger sein. Das exakte Gegenteil ist der Fall. Die Grenzkosten sind, im Vergleich zur Nachsaison, niedrig und die Preise hoch.
Anders formuliert: Kurzfristig spielt das Moment der Knappheit eine Rolle, langfristig die Kostenstruktur, wobei das eigentlich nicht mal der interessante Punkt ist. Der Wahnsinn besteht darin, dass ein "intuitiv" einleuchtender Zusammenhang, der de facto aber gar nicht richtig ist, mathematisch modelliert wird.
Wir sehen also, dass selbst die anerkanntesten 'Gesetze' der Mikroökonomie vollkommener und totaler Schwachsinn sind. Es spricht nicht gerade für die besondere Leistungsfähigkeit der mathematischen Modellierung, wenn selbst einfachste Zusammenhänge, die sich noch dem Laien ohne weiteres erschließen, von diesen Modellen nicht erfassst werden. Genau genommen ist es noch schlimmer. Die Modelle produzieren einen Tunnelblick. Sie versperren geradezu den unverstellten Blick auf die Realität.
Würde die Ökokaste ab und mal an einen Blick in die Orginalliteratur werfen, also sich zum Beispiel die Principles of Economics von Alfred Marshall mal durchlesen, könnten solche gravierenden Fehler vermieden werden.
Das Gesetz von Angebot und Nachfrage stammt zwar von ihm und er hat es auch mit Hilfe des berühmten Marshallkreuzes graphisch dargestellt und er hat auch die Nachfrage und das Angebot als mathematische Funktionen beschrieben, in der Appendix, aber er unterscheidet messerscharf zwischen einer kurzfristigen und einer langfristigen Betrachtung.
Ein Buch von über 600 Seiten wie Principles of Economics, welches teilweise äußert austarierte Aussagen macht, lässt sich nicht so ohne weiteres zusammenfassen. Die Vorgehensweise ist also hier heuristisch. Näher eingegangen wird auf all die Aussagen, die fester Bestandteil der Mikroökonomie sind. Wir geben aber keine Garantie dafür, dass wir wirklich alle Aspekte erfassen. Hinsichtlich Konkurrenz, Armut, Bildung, Grenzen des Faches etc. bezieht Alfred Marshall klar Stellung. Mit ein paar Kurven ist das nicht mehr darstellbar.
Ein Buch dieser Komplexität lässt sich nicht zusammenfassen. Wir denken darüber nach, es komplett zu übersetzen und online zu stellen.
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Volkswirtschaft beschäftigt sich mit menschlichem Verhalten, insofern es sich monetär messen lässt.
Alfred Marshall ist der Begründer der Mikroöknomie. Praktisch alle Themen, Begriffe, "Gesetze", Konzepte der heutigen Mikroökonomie finden sich in den Principles of economics.
Die heutige Mikroökonomie beschäftigt sich vorwiegend mit der Analyse von Gleichgewichten auf dem Güter-, Arbeits- und Kapitalmarkt. Hierbei kann man drei Ansätze unterscheiden. Denn von Pareto, den von Walras und den von Alfred Marshall.
Es handelt sich hierbei um statische Analysen.