(1) Viel leben's |
Die erste These, dass alle es leben, trifft auf die Wirtschaft auf jeden Fall schon mal zu. Das zweite, dass es nur wenigen bekannt ist, bedauerlicherweise wohl auch. An der dritten These arbeiten wir gerade.
Der Autor hat Volkwirtschaft auf Diplom studiert und Romanistik auf Magister, sich aber tatsächlich nach dem Studium, also seit 15 Jahren, nie mehr mit Volkswirtschaftslehre beschäftigt. Für rein praktische Tätigkeiten, also z.B. für die Gründung eines Unternehmens, ist VWL durchaus entbehrlich.
Zwischenzeitlich hat sich aber das Internet tatsächlich zu dem gemausert, was der Autor sich immer schon darunter vorgestellt hat.
Damit ergeben sich auch für die Volkswirtschaftslehre neue Betätigungsfelder. Um diese geht es hier.
Es macht also Sinn und ist aus der Distanz auch eine lustige Angelegenheit, den Kasus nochmal zu betrachten und im Internet darzustellen.
Geändert hat sich in den letzten 15 Jahren nicht viel. Man könnte eigentlich sagen, das ist der Tenor der folgenden Kapitel, dass sich seit 70 Jahren, wenn man sich die grundlegenden Werke, auf denen die akademische Lehre beruht, anschaut, nicht viel geändert hat. Die letzte wirklich entscheidende Änderung brachte Keynes. Die war zwar ganz entscheidend, liegt aber schon lange zurück, siehe Keynes.
Durch die Verengung des Faches im Zuge der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge, darüber gleich, könnte man sogar sagen, dass die VWL sich eher wieder zurückentwickelt hat.
Vorsichtig formuliert: Die VWL hat ein Image Problem. Macht sie so weiter wie bisher, und es deutet nichts darauf hin, dass sie dies nicht tut, wird sie den Geisteswissenschaft zuerst auf dem Weg in die Irrelevanz folgen und dann als Konsequenz hiervon auch finanziell ausgetrocknet.
Sie hat, wie die zuerst genannten, ein Legitimationsproblem. Keiner sieht so richtig ein, wozu man sie braucht. Warum dem so ist und was sie tun sollte, werden wir noch erläutern.
Es ist nicht allein die Tatsache, dass das dozierende Personal der Universitäten die Wirtschaft, also den Bereich, mit dem sich ihr Sinnen beschäftigt, lediglich von Außen kennt.
Man kann sich auch fragen, was für diesen Personenkreis überhaupt Wirtschaft ist, denn die Kontinuität der Lehre, de facto erzählt und schreibt das dozierende Personal seit dreißig Jahren eigentlich immer wieder das Gleiche, kann wohl kaum, nach mehreren Börsencrashs, Immobilienblasen, extremen Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen, Probleme in den sozialen Sicherungssystemen, Probleme bei der Umsetzung von Erkenntnissen aus der Forschung in marktfähige Produkte, Probleme bei der Transparenz staatlichen Handelns, Scheitern der Entwicklungspolitik etc. etc., von der Realität inspiriert sein. Es ist durchaus unklar, ob die akademische Volkswirtschaftlehre in der öffentlichen Debatte über zentrale Probleme überhaupt irgendeine Rolle spielt.
Wir finden es auch relativ langweilig, wenn jede Krise, so sie denn überhaupt wahrgenommen wird, als Anlaß für eine allgemein gehaltene Auseinandersetzung mit einer der Spielarten nachfrageorientierter und / oder angebotsorientierter Politik genommen wird.
Egal welche Krise da in Zukunft noch kommen wird, das allgemeine Geschwafel wird immer irgendwie passen, aber leider nicht zielführend sein. Kaffeesatz lesen wäre ähnlich informativ, wie dem Geplaudere der Ökokaste zu lauschen. Um mal ein paar Beispiel zu nennen:
Beim Platzen der Internetblase im Jahre 2001 würde uns z.B. interessieren, ob wir es hier nicht mit einem manifesten Marktversagen insofern zu tun haben, als die Akteure "virtuelle" Investitionen Realinvestitionen vorziehen. Das wird uns später, bei Keynes, noch beschäftigen. Und wenn dies der Fall ist, wovon Keynes zutreffenderweise ausgeht, dann würde uns interessieren, woran das liegt und ob man hier Keynes nicht präzisieren könnte. Unsicherheit resultiert nämlich auch aus der Tatsache, dass die handelnden Personen mit der Informationsverarbeitung überfordert sind. Unsicherheit ist ein Mangel an Informationen. Dieser kann begründet sein durch die objektive Unmöglichkeit die relevanten Informationen zu erhalten oder an der subjektiven Unfähigkeit sie zu eruieren. Zumindest der zweite Teil hat was mit der Ausbildung zu tun und es stellt sich die Frage, ob es hier ein Problem mit den Lehrplänen der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer gibt.
Oder in Bezug auf die Immobilienkrise in Spanien: Wieso haben die Spanier Häuser gebaut, anstatt sich via z.B. Solarenergie von fossilen Energieträgern unabhängig zu machen? Dass Spanien durch den Euro billige Kredite bekam, da der Import billigen Kapitals nicht durch eine Abwertung der Peseta kompensiert wurde. Geschenkt. Auch billige Kredite kann man so einsetzen, dass sie langfristig die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Warum ist das nicht passiert?
Es bleibt die Frage, und die Beantwortung dieser Frage, würde das dahinter stehende Muster verdeutlichen, warum gnadenlos alles Geld in Beton verbaut wurde. Ein Muster haben wir hier insofern, als sich Blasen immer nur auf wenigen Märkten bilden. Der Börse, dem Immobilienmarkt und dem Goldmarkt.
Spätestens als die Immobilienpreise dann anzogen, hätten doch auch rentablere Realinvestionen ins Blickfeld kommen müssen, im Zweifelsfalle sogar solche, die es erlaubt hätten, die Kredite zu bedienen.
Vereinfacht: Was treibt die Leute und Kapitalsammelstellen dazu, Facebook mit 104 Milliarden Euro zu bewerten, ein Unternehmen das 1 Milliarde Gewinn macht, also eine Dividende von 1 Prozent, und deren Aktien zu kaufen?
Dass sie damit auf die Nase fallen, ist unschwer vorherzusehen. Warum ist das Spielkasino interessanter als Realinvestionen? Dies ist der Fall und damit sind wir dann bei Keynes, weil Liquidität, also Sicherheit, wichtiger ist als Rentabilität. Der Geldmarkt dominiert den Gütermarkt. Über dieses Thema wird noch zu reden sein.
Es geht aber nicht um diese oder jene Detailfrage. Das Problem ist, dass die Ökonomenzunft egal bei welchem Problem, Börsencrash, Immobilienblase, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung, soziale Sicherungssysteme, Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz etc. etc. das immer gleiche Programm abspult und immer die gleichen Grundsatzdebatten führt. Die Platte hat einen Kratzer.
Hinsichtlich der Beschäftigungsproblematik ist mit Sicherheit die Frage, wie man die Ausbildung an den Universitäten verbessert und mehr Gründerpersönlichkeiten hervorbringt weit spannender, als jedes Hin- und Herschieben der LM Kurve, vor allem dann, wenn das Hin- und Herschieben von Kurven weder den Intentionen von Keynes entspricht, noch didaktisch sinnvoll ist und auch nicht zu tieferen Einsichten führt, als Keynes im Orginal, siehe IS-LM Modell.
Es spricht so manches dafür, dass die Ökonomenzunft der Realwirtschaft ähnlich einfallslos und uninspiriert gegenüber steht, wie die Banken und andere Kapitalsammelstellen.
Man muss nicht bei jedem Problem reflexartig wiederkäuen. Bei der Börse z.B. wäre eine PRÄZISE, QUANTIFIEZIERTE Darstellung, wo das Geld, das die Börse alimentiert, herkommt und wohin es abfließt, weit spannnender. Sind institutionelle Anleger Profiteure der Spekulation und können sie ihre Gewinne zu Lasten privater Anleger erhöhen? Das wäre eine spannende Frage, die natürlich Millionen Leute interessiert.
Nicht jedes Problem verlangt eine Analyse, die bei Adam und Eva anfängt.
Oft reicht Präzision im Detail und die exakte Darstellung des Details. Im Detail gibt es nun Tausende höchst spannende Fragen. Zum Beispiel wer langfristig beim großen Börsencasino eigentlich verdient?
Sieht man von der Dividende auf Wertpapiere ab, handelt es sich ja um ein Nullsummenspiel. Was der eine verliert, gewinnt der andere und umgekehrt. Aber wer verliert und gewinnt?
Man kann auch abstrakt über Innovation schwafeln. Aber nur wer eine Welt kennt außerhalb von Penne und Uni, hat dazu Sinnreiches zu sagen. Und damit sind wir wohl bei einem Kernproblem. Es fehlt der dozierenden und "forschenden" Ökokaste wohl etwas an Berufserfahrung. Siehe auch Forschung und Entwicklung durch den Staat.
Um was es uns geht, werden wir noch oft wiederholen: Transparenz.
- keine Präsens in der öffentlichen Debatte
- mangelnde Berufs-erfahrung des Personals
- mangelnde Präzision in entscheidenden Begriffen wie Kapital, Zins etc..
- keine innovativen Fragestellungen
- keine systemische Kontrolle der Leistung des eingesetzten Personals
- falsche Anreize