Von der Außenhandelstheorie hat eigentlich nur die Theorie der komparativen Kosten Eingang in die Lehrbücher gefunden, warum auch immer. Die Theorie der komparativen Kosten besagt, dass zwei Länder auch dann Handel treiben, wenn das eine Land bei allen Gütern, die gehandelt werden, unproduktiver ist.
In 'On the Principles of Political Economy and Taxation' macht die Theorie der komparativen Kosten eine halbe Seite von 350 Seiten aus, sind also kaum mehr als eine Nebenbemerkung. Warum nun ausgerechnet diese Theorie, die obendrein nur eine sehr geringe praktische Relevanz hat, gehandelt werden normalerweise die Güter, wo ein absoluter Kostenvorteil besteht, ist schleierhaft.
Die Theorie besagt, dass ein Handel selbst dann sinnvoll ist, wenn sich beide Länder auf die Produkte beschränken, bei denen sie relative Vorteile haben. Wenn zum Beispiel 60 Arbeiter in England in einem Jahr 30 Ballen Tuch produzieren und weitere 60 Arbeiter in einem Jahr 15 Liter Wein, in Portugal die gleichen 120 (60 + 60) Arbeiter in einem Jahr aber 90 Ballen Tuch produzieren und 60 Liter Wein, dann würde man erstmal vermuten, dass kein Handel zustand kommt, weil Portugal bei der Produktion beider Produkte überlegen ist. Rechnet man es aber durch, sieht man, dass das nicht stimmt, weil die Gesamtmenge größer ist, wenn sich beide auf das beschränken, was sie relativ am besten können. Wir gehen von dieser Situation aus.
Portugal und England ohne Handel | ||||
England: | 30 Ballen Tuch | + | 15 Liter Wein | |
Portugal: | 90 Ballen Tuch | + | 60 Liter Wein | |
Summe: | 120 Ballen Tuch | + | 75 Liter Wein |
Um sich auszurechnen, wer bei was produktiver ist, also komparative Vorteile hat, muss man sich ausrechnen, wieviel Wein man in Portugal bzw. England mehr produzieren könnte, wenn man die Arbeiter anstatt Tuch Wein produzieren lässt.
England: Ein Arbeiter produziert pro Jahr 0,5 Ballen Tuch (30/60) und 0,25 Liter Wein (15/60).
Portugal: Ein Arbeiter produziert pro Jahr 1,5 Ballen Tuch (90/60) und 1,00 Liter Wein (60/60).
England ist also insgesamt bei beiden unproduktiver, aber beim Tuch relativ besser.
Kurz und knapp: Ein Arbeiter in Portugal kann vier Arbeiter in England ersetzen, wenn er Wein produziert. Die vier Arbeiter können dann Tuch produzieren also 2 Ballen. Das wären 0,5 Ballen mehr als der eine Arbeiter in Portugal hätte produzieren können.
Würden sich jetzt England und Portugal auf die Güter beschränken, bei denen sie relative Vorteile haben, dann würde England die Arbeiter damit beschäftigen, Tuch zu weben, das wären 60 Ballen (120 * 0,5). Davon könnte England an Portugal 30 Ballen abgeben, damit es wieder den gleichen Stand hat, wie vorher. Damit spart Portugal die Arbeiter, die sie für die Tuchproduktion einsetzen müsste, also 20 Arbeiter (30 / 1,5), die Portugal dann in der Weinproduktion einsetzen könnte. Damit hätte Portugal 20 Liter Wein mehr als vorher (20 * 1). Die erste Tabelle zeigt die Produktion, die zweite Tabelle den Tausch, der das alte Mengenniveau wieder herstellt, aber ein Plus bringt.
Variante I (Das eine Land spezialisiert auf das Produkt, wo es komparative Vorteile hat) | |||||
Produktion Portugal und England mit Handel | |||||
England | (Wein durch Tuch): | 60 Ballen Tuch | + | 0 Liter Wein | (= 120 Arbeiter + 0 Arbeiter) |
Portugal | (Tuch durch Wein): | 60 Ballen Tuch | + | 80 Liter Wein | (= 40 Arbeiter + 80 Arbeiter) |
Clearing Portugal und England mit Handel | ||||
England: | 30 Ballen Tuch (60 - 30) | + | 15 Liter Wein (0 + 15) | |
Portugal: | 90 Ballen Tuch (60 + 30) | + | 65 Liter Wein (60 + 20 - 15) |
Fazit: Beide Länder zusammen gewinnen 5 Liter Wein. In diesem Beispiel wurde davon ausgegangen, dass Portugal den Gewinn, also die 5 Liter, aus dem Handel behält.
Variante II (Das eine Land spezialisiert auf das Produkt, wo es komparative Nachteile hat) | |||||
Produktion Portugal und England mit Handel | |||||
England | (Tuch durch Wein): | 0 Ballen Tuch | + | 30 Liter Wein (= 0 Arbeiter + 120 Arbeiter) | |
Portugal | (Wein durch Tuch): | 120 Ballen Tuch | + | 40 Liter Wein (= 80 Arbeiter + 40 Arbeiter) |
Clearing Portugal und England mit Handel | |||
England: | 30 Ballen Tuch (0 + 30) | + 15 Liter Wein (30 -15) | |
Portugal: | 90 Ballen Tuch (120 - 30) | + 55 Liter Wein (40 + 15) |
Fazit: Beide Länder zusammen verlieren 5 Liter Wein.
Will Portugal 3 Ballen Tuch, braucht es hierfür 2 Arbeiter (2 * 1,5). Produziert es mit diesen zwei Arbeitern Wein, kann es 2 Liter Wein produzieren (2 * 1). Schickt es diese 2 Liter nach England, werden in England 8 Arbeiter frei (8 * 0,25). Diese 8 Arbeiter produzieren 4 Ballen Tuch (8 * 0,5). Über diesen Umweg kann Portugal also mit der gleichen Anzahl Arbeitern 1 Ballen Tuch mehr erhalten.
Mit Wein allerdings funktioniert das Spiel nicht. Will Portugal 1 Liter Wein mehr produzieren, bräuchte es, wenn es diesen direkt produziert, 1 Arbeiter (1 * 1). In dieser Situation könnte Portugal auf die Idee kommen, mit dem Arbeiter 1,5 Ballen Tuch zu produzieren und diesen nach England zu schicken. 1,5 Ballen Tuch entspricht in England 3 Arbeitern (3 * 0,5). England kann also 3 Arbeiter Wein produzieren lassen. Diese produzieren dann aber nur 0,75 Liter Wein (3 * 0,25). Der Trick funktioniert also nicht, da der komparative Kostenvorteil für Portugal beim Wein liegt, nicht beim Tuch.
Das Modell sagt allerdings nichts darüber aus, wie der aus dem Handel entstehende Wohlfahrtsgewinn verteilt wird. Weiter kann es passieren, dass bei vollständiger Spezialisierung bei einem Gut nicht mehr die ursprüngliche Menge erreicht wird. Bei vollständiger Spezialisierung wird zum Beispiel weniger Tuch produziert, als ursprünglich. Wenn aber die ursprüngliche Menge, also 120 Ballen Tuch benötigt wird, unterbleibt die vollständige Spezialisierung. Die Spezialisierung ist also nur insoweit möglich, wie die erforderlichen Mengen auch produziert werden.
Portugal und England mit Spezialisierung | ||||
England (Tuch durch Wein): | 60 Ballen Tuch | + | 0 Liter Wein | (= 120 Arbeiter + 0 Arbeiter) |
Portugal (Wein durch Tuch): | 0 Ballen Tuch | + | 120 Liter Wein | (= 0 Arbeiter + 120 Arbeiter) |
Summe: | 60 Ballen Tuch | + | 120 Liter Wein | |
gemessen in Arbeit England: | 120 Arbeiter | + | 480 Arbeiter | Gesamt: 600 |
gemessen in Arbeit Portugal: | 40 Arbeiter | + | 120 Arbeiter | Gesamt: 160 |
Portugal und England ohne Spezialisierung | ||||
England | 30 Ballen Tuch | + | 15 Liter Wein | (= 60 Arbeiter + 60 Arbeiter) |
Portugal | 90 Ballen Tuch | + | 60 Liter Wein | (= 60 Arbeiter + 60 Arbeiter) |
Summe: | 120 Ballen Tuch | + | 75 Liter Wein | |
gemessen in Arbeit England: | 120 Arbeiter | + | 300 Arbeiter | Gesamt: 420 |
gemessen in Arbeit Portugal: | 80 Arbeiter | + | 75 Arbeiter | Gesamt: 155 |
Nimmt man also das durch totale Spezialisierung ermittelte Sozialprodukt beider Länder, so wäre es gemessen an der Produktivität von England ein gewaltiges Plus, gemessen an der Produktivität von Portugal jedoch bescheidener.
Es stellt sich naheliegenderweise die Frage, nach der praktischen Relevanz, das heißt, nach der Bedeutung dieses Phänomens. Die überwiegende Masse des internationalen Handels dürfte nicht durch komparative Kostenvorteile, sondern entweder durch Spezialisierung (Deutschland: Maschinenbau, Autos / Korea: Smartphone / Japan: Unterhaltungselektronik) oder durch natürliche Vorteile (Orangen, Bananen, Kiwis etc.) erklärbar sein.
Bei Entwicklungsländer, diese werden in diesem Zusammenhang oft genannt, stellt sich auch nicht die Frage, ob sie über den Handel mit z.B. Kaffee mehr Maschinen kaufen können, als wenn sie diese direkt produzieren. Es ist schlicht so, dass sie diese nicht produzieren können.
Weit effizienter wäre also die Direktinvestition in diese Länder bei entsprechendem know how Transfer. Es ist aber ein Kuriosum der Volkswirtschaftslehre, dass bestimmte Zusammenhänge, die beim ursprünglichen Autor lediglich eine Nebenbemerkung sind, in On the Principles of Political Economy and Taxation erklärt David Ricardo die Theorie der komparativen Kosten auf knapp 1/2 Seite, zum Allgemeingut werden und andere Theorieansätze schlicht verschwinden.
Die Diskussion um die komparativen Kosten kann man auch abkürzen. Sie sind schlicht irrelevant, manchmal sogar ideologisch. Suggeriert wird, dass auch Entwicklungsländer ohne weiteres vom Handel profitieren können. Das können sie zwar, aber nur wenn man die Zölle auf Zucker, Kaffee, Kakao, etc. abschafft. Die Theorie der komparativen Kosten soll hier wohl etwas vom Kernproblem ablenken.
Wir finden auch überall, dass David Ricardo ein Verfechter des freien Handels war. Auch das ist aber nicht so klar, wie bei Adam Smith. Richtig energisch setzt er sich nur für den Import von Weizen ein, weil damit die Tendenz zur abnehmenden Profitrate gebrochen werden kann. Hängt die Nahrungsmittelproduktion allein vom Boden des Inlandes ab (Ricardo unterstellt einen Zusammenhang zwischen verfügbaren agraischen Flächen und Nahrungsmittelproduktion) , dann wird Nahrung mit zunehmender Bevölkerung immer teurer, weil immer mehr Arbeit investiert werden muss, um diese Flächen zu bewirtschaften und die Produkte zum Konsumenten zu schaffen. Damit steigt aber auch der existenzsichernde Lohn, den der "Kapitalist" bezahlen muss, was wiederum seinen Profit schmälert. Das Problem lässt sich mildern, wenn man Weizen importiert.
It has been my endeavour to shew throughout this work, that the rate of profits can never be increased but by a fall in wages, and that there can be no permanent fall of wages but in consequence of a fall of the necessaries on which wages are expended. If, therefore, by the extension of foreign trade, or by improvements in machinery, the food and necessaries of the labourer can be brought to market at a reduced price, profits will rise. If, instead of growing our own corn, or manufacturing the clothing and other necessaries of the labourer, we discover a new market from which we can supply ourselves with these commodities at a cheaper price, wages will fall and profits rise; but if the commodities obtained at a cheaper rate, by the extension of foreign commerce, or by the improvement of machinery, be exclusively the commodities consumed by the rich, no alteration will take place in the rate of profits. The rate of wages would not be affected, although wine, velvets, silks, and other expensive commodities should fall 50 per cent, and consequently profits would continue unaltered. |
Im Verlaufe des ganzen Werkes war es mein Bestreben zu zeigen, dass die Profitrate nur durch ein Fallen der Löhne angehoben werden kann und dass die Löhne nicht dauerhaft gesenkt werden können, wenn nicht die Konsumgüter, von denen die Löhne abhängen, billiger werden. Wenn also durch eine Ausdehnung des Handels, oder durch eine Verbesserung der Anlagen, die Nahrung und Konsumgüter des Arbeiters zu einem geringeren Preis angeboten werden können, dann steigen die Profite. Wenn wir, anstatt unser Korn selber anzubauen oder anstatt unsere Kleider und andere Konsumgüter selbst herzustellen wir einen Markt finden, wo wir uns mit diesem Gütern zu einem niedrigeren Preis versorgen können, dann sinken die Löhne und die Profite steigen. Wenn jedoch die Waren, die wir durch die Ausdehnung des Handels oder durch eine Verbesserung der Anlagen nur von Wohlhabenden konsumiert werden, dann ändert sich an der Profitrate nichts. Das Lohnniveau würde sich nicht verändern, auch wenn der Preis von Wein, Samt, Seide und andere teuere Waren um 50 Prozent fallen würde und deshalb blieben auch die Profite unverändert. aus: David Ricardo, On the Principles of Political Economy and Taxation, On Foreign Trade |
Um David Ricardo zu verstehen, muss man sein skurriles Gedankengebäude immer mitdenken. Er geht davon aus, dass jeder Lohn, der mehr als existenzsichernd ist, die Bevölkerung anwachsen lässt und damit, aufgrund des Überangebots an Arbeitskräften, den Lohn eben wieder auf dieses lediglich existenzsichernde Niveau drückt.
Die Maschinen selber produzieren keinen Profit, sondern nur die Arbeit, die mehr produziert, als man braucht, um sie am Leben zu erhalten, wobei der "Kapitalist" ja nie mehr, als eben den existenzsichernden Lohn bezahlen muss. Auf der anderen Seite ist aber die Profitrate überall gleich, denn da, wo die Profitrate höher ist, strömt Kapital ein und drückt die Profitrate wieder.
Die "Kapitalisten" müssen also, um eine Profitrate zu erhalten, immer mehr Arbeiter einstellen, wodurch dann aber wiederum, weil Boden knapp ist, die Nahrungsmittelpreise steigen, was wiederum den existenzsichernden Lohn steigen lässt, wodurch wiederum die Bodenbesitzer, die den besten Boden haben, eine Rente erzielen. Langfristig nimmt also der Profit ab und die Bodenrente zu.
Die einzige Möglichkeit, den Lohn niedrig zu halten und damit den Profit zu steigern, ist der Import von Nahrungsmitteln zu einem Preis, der unter dem Preis liegt, den Nahrungsmittel in England kosten. Dann ist auch der existenzsichernde Lohn niedriger.
Der Zusammenhang lässt sich, innerhalb dieser kruden Logik, nur brechen, wenn man Nahrungsmittel billiger importiert, von daher spricht er sich, er hat 6 Millionen Pfund auf dem Konto, für den Import von Weizen aus. Bei Luxusgütern, die eben von Leuten konsumiert werden, die gar nicht arbeiten, ist der Import, aus seiner Sicht, weniger sinnreich.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass David Ricardo der durgeknallteste Spinner unter den Ökonomen ist. Getoppt wird er eigentlich nur noch durch Vilfredo Pareto.
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Die Theorie der komparativen Kosten besagt, dass sich der Handel zwischen zwei Nationen auch dann rechnet, wenn das eine Land in allen Bereichen unproduktiver ist.
Die These ist weitgehend irrelevant. Handel findet statt, weil sich bestimmte Länder auf bestimmte Bereiche spezialisiert haben oder weil es in der Natur der Sache liegt (Nahrungsmittel).
Teilweise ist der Verweis auf die komparativen Kosten ideologisch.
Das Kernproblem der Entwicklungsländer sind Zölle auf Agrarprodukte.
Die gehören abgeschafft.