Das ist jetzt die 1 Million Euro Frage. Sind Menschen Argumenten zugänglich? Was für ein Gebräu sind zum Beispiel rechtsradikale Ansichten? Ist es Ohnmacht, Minderwertigkeitskomplex, Desorienthiertheit, Überforderung, Hilflosigkeit? Oder können auch Durchschnittsbürger an so einen Hokuspokus glauben?
Angenommen man würde der Forderung, zuerst Arbeitsplätze für "Deutsche" (was immer das jetzt konkret bedeuten mag) Argumente entgegensetzen, etwa, dass dies gleichbedeutend wäre, mit der Forderung, dass nichts mehr importiert werden darf, was auch in Deutschland, wenn auch mit höheren Kosten, produziert werden kann, mit der Konsequenz, dass der Export zurückgeht; würde das jemanden überzeugen?
Hätte es irgendeinen Sinn ihm zu erklären, dass eine "raumorientierte Volkswirtschaft" (NPD), bedeuten würde, dass überall auf der Welt völlig ineffiziente Produktionsanlagen rumstehen und Deutschland, mit seiner Orientierung an High Tech Gütern gnadenlos verarmen würde?
Deutschland würde dann nicht mehr Spitzentechnologie ans Ausland liefern und für relativ wenig Spitzentechnologie relativ viele Hemden, Hosen und Socken bekommen, sondern seine Zeit damit verbringen, Hemden und Hosen zu nähen und Socken zu stricken.
Von allen Dingen, die nichts mit Wirtschaft zu tun haben, mal ganz abgesehen.
Die Frage, ob Menschen Argumenten zugänglich sind, ist wohl eher ein Thema
für die Psychologie. Intuitiv wahrscheinlich ist nur, dass Menschen Argumenten
dann nicht mehr zugänglich sind, wenn die Argumente zwar richtig sind, ihnen
konkret aber nicht helfen.
Am einen Ende der Skala haben wir also die Plattgedrückten, am anderen Ende die verbeamteten Schöngeister. Der Autor hatte hierzu mal einen lustigen Disput mit einem Mitglied dieser Gurkentruppe, den verbeamteten Schöngeistern. In diesem Fall war es ein Professorchen für Romanistik. Der bestritt schlichtweg, dass zunehmende Verarmung zur politischen Radikalisierung führt. Aus seiner Perspektive nachvollziehbar. Da er zu konkreten Problemen eh nichts zu sagen hat, muss Pillepalle wichtig sein.
In diesem Fall war es ein Professor für Romanistik, das ist die verschärfte Variante an Gurkentruppe, und es ging um den spanischen Bürgerkrieg. Bei Volkswirten gerät ja immerhin noch ein Teilaspekt der Realität ins Blickfeld, bei der letztgenannten Gurkentruppe wird diese dann komplett ausgeblendet, mit fatalen Wirkungen. Die Schöngeister Gurkentruppe analysiert soziale Spannungen anhand der Äußerungen von irgendwelchen "Intellektuellen" und die neigen dazu, die Realität komplett auszublenden.
Die Jungs und Mädels können den Studis faktisch nichts beibringen. Anstatt zu vermitteln, wie man geisteswissenschaftliche Inhalte zu einer aktuellen und spannenden Sache macht, lehren sie, was man tun muss, damit das Publikum auf Durchzug schaltet.
Mit der Frage, ob Menschen Argumenten zugänglich sind, werden wir uns später nochmal befassen, wenn wir auf den problematischsten Vertreter der Neoklassik, Vilfredo Pareto, eingehen, siehe Soziologie.
Die Wahlentscheidung für eine Partei ist höchst abstrakt, da nicht einzelne Punkte zur Wahlentscheidung anstehen, sondern ganze Bündel. Im besten Fall ist der Wähler dann bei jedem Thema zu einer fundierten Meinung gekommen, was ihm nur möglich ist, wenn, wie bereits ausführlich diskutiert, Wissen um Sachzusammenhänge und Kenntnis der Fakten vorhanden sind, was eine Stärkung des Internets voraussetzt, und hat dann hat in einem zweiten Schritt die einzelnen zur Wahl stehenden Themen ihrer Bedeutung gemäß gewichtet. So zumindest könnte man sich das vorstellen. Das klingt plausibel, dürfte aber reine Theorie sein. Daraus ergeben sich auch die zu ziehenden Konsequenzen. Wir kommen im Teil Kulturindustrie oder Aufklärung als Massenbetrug darauf zurück. Die Nachrichtenindustrie hat starke Parallelen zur Kulturindustrie. Beide streben danach möglichst preiswert produzierte Inhalte an ein möglichst großes Publikum zu verkaufen. Hierbei ist die Möglichkeit ein Thema zu emotionalisieren, z.B. Fußball, Liebesleben der Royals, wesentlich entscheidender, als die objektive Bedeutung.
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Die Journaille setzt die Themen und die Anzahl der Themen wird hierbei immer beschränkt und massenwirksam sein. Ein breiteres und relevanteres Themenspektrum kann nur das Internet setzen, was es teilweise heute schon tut. Sogar so effizient, dass es, wie bei gutenplag, das Thema setzt und die Journaille folgt. Hinsichtlich des Themenspektrums, das die Menschheit verarbeiten kann, besteht noch Luft nach oben, denn im Moment beschäftigt sie sich zehn Mal am Tag auf allen Kanälen, Radio, Fernsehen, Journaille mit dem gleichen Quark und das Meiste davon ist komplett irrelevant.
Wenn überhaupt etwas der demoktratischen Kontrolle unterliegt, dann sind es die von der Journaille gesetzten Großthemen, aber auch hier gelten alle bislang angeführten Einschränkungen. Krisen sind in diesem Zusammenhang sehr wertvoll und wichtig. Es gilt das Goethe Wort.
Der Mensch, der nicht geschunden wird, wird nicht gebildet
Die Leute müssen lernen, das Internet als sehr effizientes Informationsmedium zu nutzen, das konkrete Hilfestellung bietet. Hervorragend geeignet in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel die Veröffentlichung von Gerichtsurteilen, Gesetzen etc.. So was recherchieren die Leute, wenn sie persönlich betroffen sind. Das trainiert und vergrößert die Chance, dass sie auch bei Themen, bei denen sie nicht unmittelbar persönlich betroffen sind, mehr Fragen stellen.
Das Internet hat noch einen anderen gewaltigen Vorteil. Es erreicht vielleicht wenig Leute zu einem bestimmten Zeitpunkt, aber es erreicht unter Umständen sehr viele Leute in einem bestimmten Zeitraum. Da sich Menschen nur mit einem Thema beschäftigen, wenn sie davon betroffen sind, ändert das Internet die Spielregeln. Inhalte des Internets stehen theoretisch in einem unbegrenzten Zeitraum zur Verfügung. Was die Journaille an einem Tag schafft, schafft eine Website eben im Verlaufe von ein paar Jahren. Damit kann hochwertiger Content auch produziert werden. Eine Seite wie www.recht-eigenartig.de liefert Hintergrundinformationen über einen langen Zeitraum. Das ist es, was der Journaille letztlich das Genick brechen wird. Dadurch dass das Internet über beliebig lange Zeiträume Informationen kostenlos zur Verfügung stellen kann, verlieren tagesaktuelle Informationen, die letztlich Irrelevantes einem möglichst großen Publikum verkaufen wollen, an Bedeutung. Die Nachrichtenindustrie kann die Schlacht gegen das Internet nicht gewinnen, der Markt wird zersplittert, weil die Leute nicht irrelevante Themen brauchen, sondern relevante.
Der öffentliche Diskurs in Talkshows, bei Wahlen etc. bestätigt zentrale Thesen des Poststrukturalismus. Die Frage, ob sich die Kernaussagen des Poststrukturalismus nicht auch schon im Jargon der Eigentlichkeit von Adorno finden lassen, lassen wir jetzt einfach außen vor.
Der Poststrukturalismus geht davon aus, das Sinn sich nur in Abgrenzung von etwas anderem definiert. Sinn besteht also nur innerhalb eines Systems. Die Verankerung von Sinn erfolgt relativ zu etwas, nicht absolut. Sinn konstituiert sich nicht durch die Referenzierung auf etwas Absolutes, sondern durch die Differenz zu etwas anderem.
Eine Erkenntnis, die für die Sprache nun ganz unstreitig zutrifft. Ein langes e gewinnt seinen Sinn lediglich dadurch, dass es sich von einem kurzen e unterscheidet ( Bett <=> Beet) und ein Ausdruck gewinnt Tiefe nur innerhalb eines semantischen Feldes, wo er sich durch von anderen Begriffen unterscheidet.
Schwachsinnig gewinnt seine Bedeutung durch dämlich, schön gewinnt seine
Bedeutung durch gutaussehend. Ein Tatbestand, der im Übrigen bei Übersetzungen
zu Problemen führt, weil sich semantische Felder nicht entsprechen. Das
Spanische zum Beispiel ist mit Wörter für schön üppig versorgt: guapo, hermoso,
bello, lindo, atractivo, mono, vacano etc..
Eine Wahrheit hat der Poststrukturalismus insofern, als er darauf verweist, dass auch die Fragen schon durch das System präjudiziert sind, die Fragen einen Teil der Wirklichkeit ausblenden. In Talkshows und in "Duellen" vor Bundestagswahlen werden nicht relevante Fragen gestellt, sondern Fragen, die "im Raum" schweben.
Hieraus ziehen auch die Moderatoren ihr Selbstbewußtsein. Sie wissen, welche Fragen das Publikum erwartet. Ihre Fachkompetenz besteht nicht darin, die richtigen Fragen zu stellen, sondern die Fragen, die öffentlich diskutiert werden.
Um die richtigen Fragen zu stellen, muss man sich tief in die Materie einarbeiten,
um die die im "Raum stehenden" Fragen zu stellen, reicht eine kurze Beschäftigung
mit der Journaille.
Die Fragen bei der nächsten Bundestagswahl (wir sind immer noch im Jahre 2012, der Leser aus der Zukunft muss googeln, um die Fragen die im Kandidatenduell anlässlich der Bundestagswahl 2013 gestellt wurden zu ermitteln) werden also nicht um die Frage kreisen, ob der Staat die Sparquote via Riester Rente, vermögenswirksame Leistungen etc. autonom erhöhen kann, dies und andere Effekte, die die Überliquidität produzieren, sind der Kern des Problems.
Diskutiert wird die Frage, ob Deutschland der Zahlmeister Europas ist, die mediterranen Länder prinzipiell zur laxen Haushaltsführung neigen, ob der Euro ein Fehler war oder nicht etc. etc.. Die Themen sind also von den Massenmedien vorgegeben und der Blickwinkel, unter denen diese Themen diskutiert werden, sind ebenfalls von den Massenmedien vorgegeben.
Die repräsentative Demokratie ist damit vor allem mal eine durch die Massenmedien gesteuerte Demokratie. Das Problem ist hier weniger, dass die Massenmedien durch Antworten auf wirtschaftspolitische Fragen manipulieren, was die Antworten angeht, gibt es durchaus, wenn auch auf niedrigem Niveau, unterschiedliche Antworten.
Das Problem ist, dass sie bestimmen, worüber überhaupt gesprochen wird.
Sagt ein Bundespräsident, dass der Islam zu Deutschland gehöre, ist das erstmal in etwa so interessant wie die Frage, ob die Curry Wurst zu Berlin und die Spätzle zum Schwobeländle gehören.
Intellektuell reizvoll wäre höchstens die Frage gewesen, ob das Christentum
zu Europa gehört, denn am Christentum hat sich die Intelligenz abgearbeitet,
um es schließlich abzuservieren und im, für den deutschen Sprachraum, respräsentativsten Buch aller Bücher,
Goethes Faust, tritt ein Gott auf, ein sehr sympathischer Herr, der so ziemlich
der exakte Gegenentwurf des christlichen Gottes ist.
Gott findet Faust nämlich sympathisch und selbiger glaubt schlicht an gar nichts. Gott wirft auch niemand vor, nicht zu glauben, aber Leute die lediglich glauben, findet er schlicht träge.
Von allen Geistern, die verneinen,
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzuleicht erschlaffen,
Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, schaffen.
Goethe, Faust
Also Gott findet auch den Teufel sympathisch. Eine detailliertere Diskussion hier Divina Commedia.
Es ist damit eigentlich auch ziemlich Jacke, ob sein Nachfolger festsellt, dass die Muslime zu Deutschland gehören, aber eben nicht der Islam. Das ist zwar alles völlig irrelevant, beschäftigt die Republik aber wochenlang.
Dann veranstalte man irgendwelche dubiose Islamkonferenzen und lädt dazu
irgendwelche dubiose Vertreter von irgendwelchen islamischen Gruppierungen
ein und kein Mensch hinterfragt, ob diese Gruppen irgendwen repräsentieren.
Ein Spaziergang durch die Straßen Berlins würde ja eher suggerieren, dass
die Türken den Islam in etwa so spannend finden, wie die Deutschen das Christentum.
Die These, dass die Integrationspolitik unter dem Blickwinkel der verschiedenen Religionen zu betrachten sei, wäre erstmal zu beweisen. Zahlen wären hilfreich. Es ist nicht besonders schwierig, Beispiel zu finden, wo die Massenmedien nicht nur die Themen setzen, sondern auch die Fragen, anhand deren die Themen diskutiert werden.
Die bereits dargestellten Adepten von Hayek und Co. sind nicht nur aus den
oben erwähnten Gründen skurril. Skurril sind sie, weil sie zwar, durchaus
zutreffend, die Überlegenheit der marktwirtschaftlichen Ordnung in Bezug
auf Informationverarbeitung und Beschränkung von Macht betonen, aber absolut
nicht auf die Idee kommen, die Kriterien, anhand derer sie die Überlegenheit
der marktwirtschaftliche Ordnung aufzeigen, auch an die Demokratie anzulegen.
Der Einzige der dies tut, ist
Karl Popper.
Für ihn ist Demokratie sozusagen ein Wahrheitsfindungsprozess. Politische Programme bekommen eine begrenzte Zeit, ihre Effizienz zu beweisen. Danach dürfen dann, wenn der Beweis nicht besonders überzeugend ausfiel, die anderen.
In dieser Argumentation kann man durchaus eine Analogie zur marktwirtschaftlichen Ordnung erkennen. Jemand kann glauben, dass sein Produkt der absolute Knaller ist. Letztlich trifft aber der Markt hier die Entscheidung durch Wahl oder Abwahl, kaufen oder eben nicht.
Die Ordoliberalisten sind ein skurriles Volk. Sie betonen auf der einen Seite den Vorteil der besseren Informationsverarbeitung durch die Wirtschaftsubjekte, also selbst für einen verbeamteten Professor gibt es Subjekte, trauen diesem aber im politischen Bereich praktisch gar keine Informationsverarbeitung zu, denn würden sie ihm diese zutrauen, würden sie sich damit beschäftigen, wie man diesem Subjekt die Informationen zukommen lässt.
Wieso Hayek so berühmt ist, erschließt sich eigentlich niemandem, im Grunde ist das vollkommen frei drehender ideologischer Quark. Eigentlich ein grauenhafter Schwachsinn.
In einer komplexen Gesellschaft hat der Mensch keine andere Wahl, als sich entweder an die für ihn blind erscheinenden Kräfte des sozialen Prozesses anzupassen, oder den Anordnungen eines Übergeordneten zu gehorchen. Solange er nur die harte Schule des Marktes kennt, wird er vielleicht denken, daß die Leitung durch einen anderen vernünftigen Kopf besser wäre; aber wenn es zum Versuch kommt, entdeckt er bald, daß ihm der erstere immer noch wenigstens einige Wahl läßt, während ihm der letztere gar keine läßt, und daß es besser ist, die Wahl zwischen verschiedenen unangenehmen Möglichkeiten zu haben, als zu einer von ihnen gezwungen zu werden. aus: Hayek, Individualismus und gesellschaftliche Ordnung |
Wieso Hayek davon ausgeht, dass "Kräfte des sozialen Prozesses" blind sind, muss man nicht verstehen. Die Idee der Demokratie auf jeden Fall besteht darin, dass die sozialen Prozesse steuerbar sind. Wahrscheinlich gehen im übrigen sowohl die Arbeitgeber wie auch die Arbeitnehmer davon aus, dass die arbeitsrechtlichen Regelungen von der Tendez her vernünftig sind und da wird die "harte Schule des Marktes", von der der Beamte Hayek im übrigen keine Ahnung hatte, teilweise außer Kraft gesetzt.
Was Hayek mit dem Geblubbere sagen will, ist unklar. Irgendwie will er sagen,
dass die politische Ordnung so zu gestalten ist, dass ein Kern unveränderlich
ist.
Unabhängig davon, dass das in jeder westlichen Demokratie so ist, das Grundgesetz
kann nämlich nur mit einer 2/3 Mehrheit verändert werden und der Teil, der
die Grund- und Menschenrecht betrifft, gar nicht, reduziert sich bei Hayek,
der Kern auf die Zusicherung wirtschaftlicher Freiheit.
Während in den Folterkammern des Pinochet Regimes die Knochen gebrochen werden, lässt sich Hayek zum Ehrenmitglied der Centro de Estudios Públicos küren (Hayek - Pinochet). Das ist dann allerdings nicht die harte Schule des Marktes, sondern die harte Schule eines Terrorregimes. Die Frage, die sich eigentlich stellt ist diese. Hätte Hayek überhaupt als Professor in Freiburg verbeamtet werden dürfen? Der Mann steht nämlich nicht mehr sicher auf der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Eine Tatsache, die wohl auch Wolfgang Gerhardt, ein typischer Vertreter aus der Gruppe der Freiheitskämpfer mit Pensionsberechtigung, siehe Hayek, nicht so richtig klar war.
An Freiheitskämpfern dieser Art besteht null Bedarf. Die Universität Freiburg
täte gut daran, den Namen Hayek zu tilgen und die Hayek Gesellschaft täte
gut daran, sich intensiv zu schämen. Der Staat Hayeks ist der Obrigkeitsstaat,
der vom Bürger nicht zu kontrollieren ist und nicht kontrolliert werden
soll. Wir finden bei Hayek viele abstrakte Formulierungen die umschreiben,
worin die Gefahr eines übermächtigen Staates besteht. Wir finden aber sehr
wenig Konkretes zu der Frage, wie die Machtanballungen in der Wirtschaft
verhindert werden sollen. Dass seinen Jünger schon die bloße Nennung seines
Namen die Wangen glühen lässt, kann auch daran liegen, dass die BRD ein
Übermaß an wirtschaftlicher Macht, etwa durch genaue Spielregeln bei Tarifauseinandersetzungen,
verhindert, sie also ein Welt, wie Hayek sie sich vorstellt, gar nicht kennen.
Man würde Hayek schon intellektuell überschätzen, wenn man einen Grund für diesen merkwürdigen Widerspruch suchen würde. Richtig ist, dass in der marktwirtschaftlichen Ordnung die relevanten Signale von einem relativ klaren Faktum ausgehen, vom Preis, und die Sanktionen, wenn die Signale des Marktes nicht berücksichtigt werden, sehr hart sind.
Die Informationen, die der Bürger in einer Demokratie verarbeiten muss, sind komplexer, diffuser und die Wirkungen auf das eigene Leben schwerer abzuschätzen. Auch wir sehen das Problem, wie oben beschrieben, dass sich die Leute nicht mit dem auseinandersetzen, was eigentlich ihre Sache wäre, wie Adorno es ausdrückt.
Was Hayek hier allerdings veranstaltet, ist bestenfalls ein Salto mortale,
aber eigentlich ideologischer Quark. Im Übrigen bezweifeln wir, dass
Hayek mit der marktwirtschaftlichen Ordnung überhaupt klar kommt. Die Alimentierung
von Professoren, also sozusagen ein leistungsloses Supereinkommen, kann
man im Sinne Hayeks und des Ordoliberalismus durchaus als Weg in die Knechtschaft
bezeichnen. Mit dem Steuerzahler als Knecht.
Ohne diese Alimentierung, wäre Hayek aber Subjekt der marktwirtschaftlichen Ordnung und diese nicht mehr nur Objekt der Betrachtung. Für Hayek und Adepten wäre die Freiheit dann verwirklicht. Es wäre die Freiheit des Diogenes in der Tonne, denn mit freidrehendem Geschwurbel und ohne Berufserfahrung, stellt man keine marktfähigen Produkte her. Der Autor dieser Zeilen leistet sich zwar auch so manche Ergüsse, aber das tut er mit selbverdientem Geld durch marktfähige Produkte und nicht alimentiert von Leuten, die hart für ihr Geld arbeiten.
Das Modell Poppers ist auf jeden Fall mal in der Theorie und vordergründig überzeugend. Voraussetzung für das Modell Poppers ist aber, dass die Leute zwischen einer bestimmten Politik und einem Ergebnis einen Zusammenhang sehen bzw. die Ausgangslage berücksichtigen.
Richtig an der Theorie Poppers ist aber, dass es bei Popper, wie bei Hayek, keinen unantastbaren Kern gibt. (De facto gibt es ihn natürlich, es ist das Grundgesetz). Richtig ist das deshalb, weil in einer Demokratie alles reversibel ist. Es muss nur garantiert werden, dass in einer Demokratie Macht immer nur auf Zeit verliehen wird (was dann auch bei Popper der irreversible Kern ist). Die Erfahrung, die aber die Bevölkerung aktuell in vielen Demokratien macht, im Moment äußert sich diese Stimmung massiv in Spanien, ist die, dass es letztlich gleichgültig ist, welche Partei man wählt. Den qualitativen Sprung, also Beweis oder Widerlegung einer These, können viele Leute nicht mehr erkennen und haben sich aus dem Prozess Erkenntnis qua Wahl verabschiedet.
Die Argumentation von Hayek allerdings ist völlig freidrehend. Er geht davon
aus, dass demokratische Wahlen zu irreversiblen Prozessen führen und zweitens
die wirtschaftliche Freiheit einschränken. Ersteres ist schlicht Blödsinn und
zweiteres nur bedingt richtig.
Für ersteres, die Irreversibilität, führt Hayek jene Ereignisse an, bei denen demokratisch gewählte Parteien anschließend die Demokratie abgeschafft haben. Die Logik ist verquer, denn dann waren es ja keine Demokratien mehr.
Inwieweit die wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt
wird, z.B. durch Steuern etc., hängt unter anderem davon ab, welche Infrastruktur der Staat
zur Verfügung stellt oder stellen soll. Die einzige Infrastrukturmaßnahme,
die nach Hayek kein Weg in die Knechtschaft ist, ist wahrscheinlich die
Schaffung von Professorenstellen für Wirtschaftswissenschaftler oder die
Subventionierung aller möglichen wirtschaftlichen "Forschungseinrichtungen".
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen. Am Subjekt führt kein Weg vorbei. Weder gibt es eine freie Marktwirtschaft noch eine Demokratie ohne handelnde, gut informierte Subjekte. Sollen sich beide ergänzen und in Schach halten, dann brauchen wir Subjekte, die über demokratische Entscheidungsprozesse die zwei Systeme austarieren. Das ist eine Großbaustelle und ein on going project. Eine rein systemische Betrachtung, also die Idee, dass der Staat nur die Spielregeln festlegen muss und dann alle Probleme gelöst sind, springt zu kurz.
Es ist kein Zufall, dass insbesondere in der Neoklassik, wir reden dabei immer von der vereinfachten Form, die wir in den Lehrbüchern finden, die Wechselwirkung zwischen politischer und wirtschaftlicher Verfassung keine Rolle spielt, obwohl diese offensichtlich ist. Reduziert man den homo oeconomicus auf einen Pawlowschen Hund der im Sinne des Behaviorismus auf Anreize reagiert, oder auf einen Automaten, der systemisch gesteuert wird, letztlich also als Subjekt gar nicht existiert, ist das komplexe Subjekt, ohne dass Demokratien nicht funktionieren können, eliminiert und es besteht auch kein Bedarf mehr an diesem Subjekt, denn was es zu regeln gibt, regelt der Markt und was der Markt nicht regelt, muss auch nicht geregelt werden.
Die meisten politischen Fragen haben wirtschaftliche Aspekte, fransen aber an den Rändern meistens aus. Will der Volkswirt berufspezifisch arbeiten, liegt sein Arbeitsbereich immer in Querschnittsfunktionen.
Diskutiert man z.B. über die Schließung von Opernhäusern / Theatern in Berlin, das tut man immer wieder und manche werden dann auch tatsächlich geschlossen, dann kann der Volkswirt die Probleme darstellen und nach Kompromissen suchen.
Möglich wäre die Erschließung anderer Einkommensquellen für Musiker, z.B. alternative Vermarktung
von CDs über das Internet, bessere Selbsdarstellung durch öffentliche Konzerte
/ verstärktes Eingreifen in die musikalische Früherziehung / Kooperation
mit anderen Musikstilen etc.etc., Kostenreduktion in dem man "Knaller" (Carmen
von Bizet) einfach mal an einem Theater durchlaufen lässt / bessere Kooperation
mit anderen Theatern - mehr Gastspiele / Kooperation in der Bühnentechnik,
bessere Vermarktung über Reisebüros etc.. Das ist ein Beispiel, unschwer
lassen sich noch ein paar Hunderte andere finden.
Die Reduktion auf der Vwl auf mathematische Modellierung, wie es momentan im Bachelor / Master Studiengang passiert, ist der
sichere Weg in die Arbeitslosigkeit. Wie immer faselt der Autor nicht aus
der Perspektive eines vom Arbeitsamt, vulgus Bundesagentur für Arbeit zur
Beratung von Hochschulabsolventen abkommandierten Sachbearbeiters. Der Kern
der Tätigkeit der infos24 GmbH ist nicht Volkswirtschaft, aber egal ob Sprachportale,
Organisation des Vertriebs, Marketingstrategien für Musik und mit was sich
die infos24 GmbH sonst noch befasst, wirtschaftliche Fragen spielen da immer
eine Rolle. Allerdings braucht man zur Lösung eines Problems noch spezifische Fachkenntnisse.
Die eigentliche Kernaufgabe des Volkswirtes, und das ist ein weites Betätigungsfeld, ist aber der Dialog zwischen Bürger und Staat. Mit ideologischem Quark à la Hayek wird er dort nur die Überzeugten überzeugen, die sind aber hoffnungslos, egal ob ganz rechts, rechts oder links und ganz links. Die Schlachten der Vergangenheit nochmal zu führen, ist langweilig. Er kann sich aber um eine klare und dennoch gründliche Darstellung von Sachverhalten bemühen. Langfristig werden sich Bürokratien öffnen, aus den oben erwähnten Gründen. Dann wird es um eine anschauliche Aufbereitung von Daten gehen.
Er kann zumindest dahin wirken,dass mit den richtigen Begriffen gearbeitet wird. Wer den "Kapitalimus" kritisiert, sollte wissen, was er darunter eigentlich versteht. Versteht er darunter die marktwirtschaftliche Ordnung, dann sind manche kritische Standpunkte schwer nachvollziehbar. Es ist ein bisschen albern unter dem Banner des Antikapitalismus die Finanzmärkte zu kritisieren, weil das Problem der Finanzmärkte eben genau darin besteht, dass die Marktmechanismen NICHT funktionieren. Wir kommen bei Keynes darauf zurück.
Wichtiger als die Subventionierung von unendlich vielen wirtschaftswissenschaftlichen "Forschungsinstituten" ist effektive Kommunikation mit dem Bürger. Wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute haben irgendwelche Meinungen, das ist nett und schön, wenn sich die Politik aus den gesammelten Meinungen die herausfischt, die ihre vorgefasste Meinung bestätigt. Sie kann dann das tun, was sie auch ohne Beratung getan hätte. Dann haben wir genau das, was wir tatsächlich nicht wollen.
In demokratischen Entscheidungsprozessen, ist die Politikberatung allerdings ohnehin sinnlos, denn selbst wenn die Beratung zielführend war, kann sie am Bürger scheitern. Wir brauchen also keine Politikberatung, sondern wir wollen eine gut informierte Bürgergesellschaft.
Jenseits des Korridors, wo Erkenntnis nur Perspektivlosigkeit bedeutet, gibt es ein sehr weites Feld, wo Menschen Argumenten zugänglich sind. Es ist nun die optimistische Annahme des Autors, dass die Fälle, wo Erkenntnis nur desillusionierend wirkt, sehr selten sind. Akzeptiert man die Perspektivlosigkeit, dann bleibt nur noch das Jenseits. Das Jenseits scheint aber an Attraktivität verloren zu haben. Es scheint also alles in die richtige Richtung zu gehen, oder passt scho, wie der Bayer sagen würde.
Allerdings besteht bei Krisen immer die Gefahr, dass Menschen sich aufgrund falscher Analysen radikalisieren. Die gegenwärte Staatschulden-, Euro-, Banken- und Finanzkrise haben im Endeffekt nur einen Grund: Die Undurchsichtigkeit der Realgütermärkte. Die Leistungsfähigkeit der freien Marktwirtschaft gibt es nur da, wo es Preise gibt. Wird es aber sehr kompliziert und ist der Bedarf an Innovationen sehr hoch, dann gibt es keine Preise mehr.
Damit aber die überschüssige Liquidität in rentable Bereiche fließen kann, braucht es Innovationen und diese haben keine Preise.
Es ist von daher für Kapitalsammelstellen erstmal einfacher, die Liquidität
in Bereiche zu pumpen, wo die Rentabilität ohne weiteres über einen Marktpreis
berechnet werden kann, was aber nicht funktionieren kann und eine Blase
nach der anderen produziert: Internetblase, Goldblase, Immobilienblase.
Die Krise der Betriebsrente (Betriebsrente
ist in Gefahr) war genau so absehbar, wie die Tatsache, dass die Riesterrente
nicht funktionieren kann, bzw. auf ewig vom Steuerzahler finanziert werden
muss, das heißt, letztlich eine Umverteilung ist.
Ob die Analogie Poppers, die Demokratie als Falsifizierungsmechanismus einer These, tatsächlich funktioniert, kann man bezweifeln. Die These kann nur funktionieren, wenn der Wähler den Zusammenhang zwischen einer Maßnahme und einem Ergebnis sieht. Der nächste Bundestagswahlkampf (2013) wird sich aber um die Frage drehen, ob man Irland, Griechenland, Spanien etc. hätte unterstützen sollen oder nicht. Es wird viel von Europa ja / nein die Rede sein, von der "Neigung" zur inflatorischen Politik der mediterranen Länder, von den Vorzügen der "harten" DM etc. etc.. Über die eigentlichen Probleme wird nicht gesprochen werden. Wir schreiben das Jahr 2012, der Leser in der Zukunft kann also prüfen, ob die Prognose des Autors dieser Zeilen richtig war. Die Befürchtung ist, sie ist richtig. Die einzige Kraft, die hier gegensteuern kann, ist das Internet. Um strukturelle Fehler in der Allokation des Kapitals zu beheben, muss man das Problem erstmal erkennen. Man wird langfristig nicht darum herum kommen, mehr venture capital einzusetzen. Damit steigt aber der Informationsbedarf. Eigentlich eine Aufgabe für Volkswirte.
Die Journaille gibt die Themen
und die dazugehörigen Fragen vor
Intransparenz gefährdet die Freiheit,
nicht der Staat an sich